Deutsche Meisterschaften im Sportschießen

Es waren schwierige Titelkämpfe. Viele der Topstars hatten erst vier Wochen zuvor bei den Olympischen Spielen ihren Leistungs-Jahreshöhepunkt und hatten danach Probleme die Spannung aufrecht zu erhalten. „Die Luft ist ein wenig raus“ – das war ein häufig gehörter Satz in diesen Tagen. Doch viele der Angehörigen der Bundeswehr-Sportförderkompanien sprangen bei den Deutschen Meisterschaften im Sportschießen über ihren Schatten und zeigten Topleistungen.

Die Atmosphäre dieser Titelkämpfe steckte zu großen Leistungen an. Über 5.000 Teilnehmer tummelten sich vom 31. August bis 9. September auf der Olympia-Schießanlage von 1972. In allen Altersklassen, von den Schülern bis zu den Senioren inklusive der behinderten Sportschützen, in vielen Disziplinen – von den „Olympischen“ wie Luft- oder Freies Gewehr, Sport- oder Luftpistole bis zu Trap und Skeet bis zu den Nichtolympischen wie Zimmerstutzen, Armbrust oder Laufende Scheibe – kämpften die Schützen um Edelmetall, so dass am Ende fast 200 Goldmedaillen verteilt waren. Die Deutschen Meisterschaften im Sportschießen stellen nach wie vor díe größte Sportveranstaltung Deutschlands nach dem Deutschen Turnfest dar.

Im Mittelpunkt jedoch standen die Stars in den Finals am ersten, dem olympischen Wochenende. Vom 31. August bis 2. September wurden in den olympischen Disziplinen die Medaillen ausgeschossen. Zu einer der besten und erfolgreichsten Schützinnen dieser Titelkämpfe avancierte Stefanie Thurmann, Oberfeldwebel aus Frankfurt/Oder. Sie gehört seit Jahren zu den Besten ihres Fachs in Deutschland, doch in der Olympiaqualifikation war sie an zwei zu desem Zeitpunkt besseren Schützinnen gescheitert: Claudia Verdicchio-Krause, Hauptfeldwebel in Todtnau, und Munkhbayar Dorjsuren. Die gebürtige Mongolin hat es der Bundeswehr zu verdanken, dass sie bis zu den Spielen Leistungssport betreiben konnte, war sie doch noch einige Jahre bei der Sportförderkompanie in Neubiberg bei München und trainierte dort unter besten Bedingungen.

Die verpasste Qualifikation, die spezielle DM-Atmosphäre mit der stets bestens gefüllten Zuschauertribüne, schließlich Bundestrainer Peter Kraneis hatten Stefanie Thurman zu Höchstleistungen getrieben. Die 30-Jährige siegte bei ihren beiden Starts, mit Luft- wie mit Sportpistole. „Das war, nachdem ich es für London nicht geschafft habe, schließlich meine Jahreshöhepunkt, wenn es auch schade war, ich hätte den lieber bei Olympia gehabt.“ Thurmann hatte dabei den Befehl ihres Trainers umgesetzt, der gute Resultate gerade auch von ihr gefordert hatte. „Wenn ich das nicht geschafft hätte, hätte ich einen Schlag in den Nacken bekommen“, meinte sie mit ihrem bittersüßen Lächeln. So durfte sie sich über die ehrlichen Glückwünsche von Peter Kraneis freuen.

Stefanie Thurmann weiß genau, was sie an der Bundeswehr hat: „Das ist mein einziger finanzieller Förderer, ohne die Bundeswehr geht es nicht.“ Nur über ihre Zugehörigkeit zur Sportförderkompanie ist in ihrer Zeit als Leistungssportlerin ihr Lebensunterhalt gesichert. Und dabei genießt sie beste Trainingsbedingungen: „Gerade bei mir in Frankfurt/Oder ist die Zusammenarbeit zwischen der Sportförderkompanie, dem Olympiastützpunkt, dem Landesverband und der Schützengilde Frankfurt/Oder optimal.“

Ähnlich stark wie mit der Pistole sind die Angehörigen der Sportförderkompanien auch bei den Frauen im Gewehrbereich vertreten. Beide Siege gingen in den olympischen Disziplinen an die Frauen vom „Bund“. Den Auftakt machte Sonja Pfeilschifter, die als Hauptfeldwebel in Neubiberg dient und inzwischen als Berufssoldatin fest zum Team gehört. Die Linkshänderin war mit dem Luftgewehr nicht zu bezwingen, auch wenn sie nach den Spielen nicht mehr mit aller Akribie trainiert hatte. Dennoch traf sie starke 398 Ringe im Vorkampf und machte den Titel mit weiteren 104,1 Ringen im Finale perfekt – gerade ein Zehntel vor Olympiastarterin Jessica Mager. Sonja Pfeilschifter, siebenfache Weltmeisterin, hat die Zeit nach Olympia genutzt und will, im Gegensatz zu ihren ersten Stellungnahmen in London, einen nochmaligen Olympiastart in Rio de Janeiro 2016 nicht mehr ausschließen. „Ich habe jetzt viele Nächte darüber geschlafen, da macht man sich viele Gedanken.“ Die Möglichkeit dazu hat sie nur über die wirtschaftliche Sicherheit, die sie über die Bundeswehr besitzt.

Schon mit dem Luftgewehr stand Barbara Engleder im Finale und wurde Vierte, in ihrer Spezialdisziplin Sportgewehr war die aktuelle Weltmeisterin nicht mehr zu halten. Mit 687,7 Ringen distanzierte sie die von Yvonne Jaekel und wieder Pfeilschifter angeführte Konkurrenz um 5,5 Ringe und mehr, das ist im Schießen eine halbe Ewigkeit. Mit Eva Friedel und Silvia Rachl standen zwei weitere Angehörige der Sportförderkompanien im Finale. Friedel, die jüngst auch über 300 Meter mit dem Großkalibergewehr einen Europacup gewann, wurde Fünfte und ist Oberfeldwebel in Todtnau, Silvia Rachl erreichte Platz sieben und ist Unteroffizier-Feldwebelanwärter in Neubiberg. Engleder hatte in London ihr Ziel Finale erstmals bei Olympia erreicht, war aber in dem riesigen „Würfel“ für die Endkämpfe nicht zurecht gekommen und Siebte geworden. Auch sie hat sich Gedanken gemacht, ob es für sie im Leistngssport weiter geht, vor allem musste die jetzt 30-Jährige diese Angelegenheit mit ihrem Mann besprechen. „Er muss schließlich daheim alles regeln, wenn ich für den Sport unterwegs bin.“

Doch die Tendenz geht dahin, das die fröhliche Bayerin dem Sport treu bleibt. Schließlich genießt auch sie beste Unterstützung durch die Bundeswehr, für die sie als Oberfeldwebel in Neubiberg stationiert ist. Wie sehr sie diese Unterstützung schätzt, macht ihre Bemerkung über das deutsche Gewehr-Männerteam in London deutlich, vier Sportler, die neben dem Sport im zivilen Beruf ihren Mann stehen. „Wie die sich in London präsentiert haben, davor ziehe ich meinen Hut, denn sie schießen trotz ihrer Bedingungen im Alltag in der Weltklasse mit den Profis aus aller Welt auf einem Niveau.“

Im Männerbereich zeigte sich, dass zwei junge Sportler schon jetzt durch die Förderung der Bundeswehr profitieren. Der Hauptgefreite Sebastian Drawert aus Neubiberg schnupperte im Luftgewehrfinale lange an den Medaillen und belegte mit 695,2 Ringen einen guten vierten Platz. Nicolas Schallenberger, ebenfalls als Hauptgefreiter in Neubiberg, gewann sogar mit dem Freien Gewehr über drei Mal 40 Schuss Bronze.

Sehr dominant traten die Bundeswehrangehörigen in den Flintenwettbewerben auf. Gleich zum Auftakt machte Katrin Quooß von sich reden. In der Olympiaqualifikation zwar an Sonja Scheibl gescheitert, setzte auch sie den Befehl um, sich bei den Deutschen als ihrem neuen Jahreshöhepunkt in bester Verfassung zu präsentieren. Die Unteroffizierin in Frankfurt/Oder gewann den Titel im Trap, nach erfolgreichem Stechen gegen Heike Förster und Christiane Göhring. Und, natürlich – möchte man fast sagen –, siegte auch wieder Christine Wenzel. Sie, Hauptfeldwebel in Warendorf, holte seit 2002 immer Gold bei der Deutschen, wenn sie antrat. Diesmal hatte die dreifache Weltmeisterin am Ende vier Scheiben Vorsprung auf ihre Nationalmannschaftskolleginnen, obwohl die in Gestalt von Vanessa Hauff und Elena Neff so stark wie eigentlich noch nie auftraten. Doch die Olympiasechste und Bronzemedaillengewinnerin von Peking 2008 ist einfach eine Klasse besser.

Autor:  Harald Strier

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