Top-Athlet und Staatsdiener in einem

Die Sportfördergruppe der Bundeswehr schafft professionelle Möglichkeiten2012-02 Karin Schnaase 018

Es ist eine durchaus aussagekräftige Zahl: 43 Prozent aller deutschen Medaillengewinner bei den Olympischen Spielen 2012 waren zum Zeitpunkt ihres Erfolgs Angehörige der Sportfördergruppe der Bundeswehr. Badmintonspieler waren leider nicht unter den Sammlern von Edelmetall – allerdings unter den 115 Sportsoldaten, die Mitglieder des insgesamt 392-köpfigen deutschen Olympiateams in London waren.

Birgit Michels, die an der Seite von Michael Fuchs mit dem Einzug ins Viertelfinale des Mixed-Wettbewerbs für das beste Ergebnis deutscher Teilnehmer an olympischen Badmintonwettbewerben in der Geschichte – zusammen mit dem Viertelfinale von Huaiwen Xu (Dameneinzel) im Jahr 2008 – gesorgt hat, gehört dazu. Ebenso wie Juliane Schenk (Dameneinzel), die WM-Dritte von 2011 und Achtelfinalistin von London, und Ingo Kindervater, der in der Wembley Arena gemeinsam mit Johannes Schöttler im Herrendoppel antrat. Und auch Marc Zwiebler (Herreneinzel), amtierender Europameister, hat eine Zeit lang gedient, bevor ihn vor einigen Jahren seine damaligen Rückenprobleme zu einer Pause vom Leistungssport zwangen. „Wir sind froh und dankbar, dass es die Möglichkeit dieser Sportförderung gibt“, so Martin Kranitz, Sportdirektor des Deutschen Badminton-Verbandes (DBV). „Die Athleten sind im Prinzip Profis, aber finanziell abgesichert. Es ist aus unserer Sicht ein sehr gutes Förderinstrument.“
Rund 800 Athleten in Deutschland werden derzeit über die Sportförderstellen bei der Bundeswehr unterstützt, „und haben so optimale Voraussetzungen, ihre Karriere im Leistungssport und ihre berufliche Laufbahn miteinander zu verbinden“, sagt Bernhard Schwank, Leistungssportdirektor beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). „Das Fördersystem der Bundeswehr ist ein fester Bestandteil des deutschen Leistungssports“.
Elf Plätze für den DBV
Auch die deutschen Top-Athleten im Badminton nehmen diese Möglichkeit gerne in Anspruch – wenn sie die denn erhalten. Dem DBV stehen derzeit elf Plätze zur Verfügung, die er über das Kadergremium – bestehend aus dem Vizepräsidenten Leistungssport als Vorsitzendem des Ausschusses, dem Sportdirektor, dem Chef-Bundestrainer, dem Bundestrainer Jugend und dem Athletenvertreter – für jeweils ein Jahr an interessierte Sportler vergeben kann. Dabei bezieht das Kadergremium üblicherweise die Disziplin-Bundestrainer in seine Entscheidung ein. Prinzipiell werden die Spieler mit der besten sportlichen Perspektive bei der Vergabe der Plätze bevorzugt. „Es erfolgt eine jährliche Überprüfung, die Spieler erhalten die Zusage immer nur für zwölf Monate. Das ergibt sich aus den Abstimmungsgesprächen im Kadergremium, mit dem Streitkräfteamt der Bundeswehr und dem DOSB“, erklärt Martin Kranitz und fügt hinzu: „Die Nachfrage unter den Athleten nach einem Platz ist gewachsen!“
Aus gutem Grund: „Mit der finanziellen Förderung der Bundeswehr hat man eigentlich optimale Rahmenbedingungen, um professionell Leistungssport zu betreiben, da man nicht darauf angewiesen ist, nebenher noch Geld zu verdienen“, erläutert Lisa Heidenreich, aktuell DM-Dritte im Dameneinzel und seit dem 1. Juli 2010 in Diensten des Staates. Als Soldaten auf Zeit erhalten die Spitzensportler eine beamtenrechtliche Besoldung, die umso höher ausfällt, je länger derjenige bereits bei der Bundeswehr beschäftigt ist.
Die Bundeswehr unterstützt damit nach eigenen Angaben „die Bemühungen der Bundesregierung zur Förderung des Hochleistungssports in Deutschland. Ziel ist es, deutschen Spitzensportlern die gleichen Chancen einzuräumen wie den Sportlern anderer Staaten.“
(vgl. www.bundeswehr.de).

Nach einer erneuten Verlängerung ist Lisa Heidenreichs Platz nun bis zum 30. Juni 2013 zugesagt. Damit hat die aktuell 21-jährige zusammen wenigstens drei Jahre zur Verfügung, in denen sie sich nahezu voll auf Badminton konzentrieren konnte. Nahezu, da jeder Angehörige einer Sportfördergruppe in jedem Jahr mindestens einen Lehrgang bei der Bundeswehr zu absolvieren hat, der zwischen vier und acht Wochen dauert. Wer es einrichten kann, mehr als einen Lehrgang pro Jahr mitzumachen, der hat entsprechend früher die verpflichtenden Schulungen hinter sich und somit in der Phase der sportlichen Karriere, in der es z. B. um die Olympiaqualifikation geht, noch mehr Spielraum, um sich möglichst umfangreich dem Badminton zu widmen. „Juliane Schenk zum Beispiel hat früh ihre benötigten Lehrgänge absolviert und konnte sich damit in der letzten Zeit komplett auf Training und Wettkämpfe konzentrieren. Und unser Ziel ist es natürlich, den Athleten eine langfristige Heimat in der Bundeswehr zu geben. Einjährige Gastspiele sind nicht das, was wir anstreben“, erläutert DBV-Sportdirektor Martin Kranitz.
Sportfördergruppen Köln und Mainz
Im Optimalfall haben die Sportler die Gelegenheit, innerhalb von fünf Jahren die Ausbildung zum Feldwebel zu durchlaufen – damit verfügen sie über eine abgeschlossene Ausbildung. Des Weiteren obliegt es jedem Soldaten, den Berufsförderungsdienst der Bundeswehr (BFD) in Anspruch zu nehmen, in dem er auf die berufliche Zukunft im Zivilleben vorbereitet wird. „Es gibt die Möglichkeit, Fern- und Teilzeitstudien zu absolvieren. Das macht die Sache natürlich umso attraktiver“, führt Martin Kranitz aus. „Damit eröffnet die Bundeswehr den Athleten eine Vielzahl von Chancen. Dafür sind wir als DOSB im Sinne der Sportler sehr dankbar“, sagt auch Bernhard Schwank. Bei mindestens vierjähriger Zugehörigkeit zur Truppe hat man Anspruch auf eine bezahlte, anschließende Weiter- und Ausbildung von zwei Jahren – finanziert durch den Staat.
Seit 1968 existiert die Sportfördergruppe der Bundeswehr. Derzeit werden 15 SportFGrpBw in ganz Deutschland unterhalten (vgl. separater Kasten). Alle Damen, die am Bundesstützpunkt Mülheim an der Ruhr trainieren, sind dem Standort Köln zugeordnet. Neben Juliane Schenk, Birgit Michels und Lisa Heidenreich sind das Fabienne Deprez, Johanna Goliszewski, Isabel Herttrich und Karin Schnaase. Die Herren, mit Trainingsstandort Saarbrücken, sind der Sportfördergruppe Mainz angeschlossen: Dieter Domke, Andreas Heinz, Peter Käsbauer und Nikolaj Persson sind aktuell dabei.
Ingo Kindervater, der seit dem 1. September 2000 der Bundeswehr angehört und damit der „Oldie“ unter den DBV-Assen ist, befindet sich derzeit in einer Übergangsphase: Zum 1. November 2012 nahm der heute 33 Jahre alte Oberfeldwebel den bereits erwähnten Berufsförderungsdienst der Bundeswehr in Anspruch, der für die schulische und berufliche Bildung der Soldatinnen und Soldaten zuständig ist. „Die Bundeswehr bietet uns als ,Randsportlern‘ die besten Bedingungen und ich bin sehr dankbar, dass sie es mir ermöglicht hat, mich schon seit so langer Zeit voll auf den Sport konzentrieren zu können“, meint der Olympiateilnehmer.

Den dem DBV durch das Ausscheiden von Ingo Kindervater aus der Sportfördergruppe frei werdenden Platz nahm zum 1. Juli 2012 der amtierende DM-Dritte im Mixed, Peter Käsbauer, ein. Neben dem 24-jährigen gebürtigen Bayern ist die zweifache DM-Dritte von 2012, Johanna Goliszewski, das neueste DBV-Mitglied in der Bundeswehr. Die 26-jährige gehört ebenfalls seit dem 1. Juli 2012 einer Sportfördergruppe an. Die Mixed-Partner werden beide am 1. November dieses Jahres ihre Grundausbildung beginnen.

Die Zukunft ist, was die Möglichkeiten betrifft, sich als Sportsoldat der Bundeswehr anzuschließen, offen. „Die Anzahl der Gesamtplätze soll von rund 800 auf 744 reduziert werden“, so Martin Kranitz. Gut möglich, dass der DBV nach Jahren der Zunahme von Plätzen zukünftig Abstriche machen muss. „Es ist ein ständiger Kampf unter den Sportarten um die Plätze. Bisher hatten wir Verhandlungsgeschick und Erfolge aufzuweisen.“ So soll es möglichst weiter­gehen.

Text: Tobias Grosse und Claudia Pauli
Fotos: Claudia Pauli

DBV-Asse bei der Bundeswehr:

Damen (7):
(alle Sportfördergruppe Köln)
Herren (4)*:
(alle Sportfördergruppe Mainz)
• Fabienne Deprez (seit 01.07.2011)
• Johanna Goliszewski (seit 01.07.2012)
• Isabel Herttrich (seit 01.07.2011)
• Birgit Michels (seit 01.01.2007)
• Lisa Heidenreich (seit 01.07.2010)
• Juliane Schenk (seit 01.10.2002)
• Karin Schnaase (seit 16.01.2009) • Dieter Domke (seit 01.07.2006)
• Andreas Heinz (seit 01.07.2010)
• Peter Käsbauer (seit 01.07.2012)
• Nikolaj Persson (seit 01.07.2010)

* Ingo Kindervater nahm zum 1. November 2012 den Berufsförderungsdienst der
Bundeswehr in Anspruch und zählt bereits nicht mehr zum offiziellen Kontingent des DBV.

Die aktuell 15 Sportfördergruppen (= SpFördgrpBw) in Zuständigkeit der Streitkräftebasis (= gemeinsame Dienstleistungseinrichtung der Bundeswehr):
• Altenstadt (Bayern; ausschließlich für militärische Sportart wie Militärischer Fünfkampf)
• Appen (Schleswig-Holstein)
• Berlin (Berlin)
• Bischofswiesen (Bayern)
• Bruchsal (Baden-Württemberg)
• Eckernförde (Schleswig-Holstein)
• Frankenberg/Sa. (Sachsen)
• Frankfurt an der Oder (Brandenburg)
• Köln (Nordrhein-Westfalen)
• Mainz (Rheinland-Pfalz)
• Neubiberg (Bayern; einschließlich militärische Sportart wie Militärischer Fünfkampf)
• Oberhof (Thüringen)
• Sonthofen (Bayern)
• Todtnau/Fahl (Baden-Württemberg)
• Warendorf (Nordrhein-Westfalen)

 

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