Wieder nur warme Worte

Monika Bittner (re.) zählt zu den großen Kämpferinnen beim ESC Planegg

Monika Bittner (re.) zählt zu den großen Kämpferinnen beim ESC Planegg

Obwohl sie viel in diese Saison investiert haben, gehen die vier Sportsoldatinnen des ESC Planegg auf internationalem Parkett leer aus. Irgendwann wurden Monika Bittner all die aufmunternde Floskeln einfach zu viel. „Vom Schönspielen kann man sich nichts kaufen“, fauchte die 26-Jährige die Schar der Tröster an. An warme Worte hat sich die Eishockeyspielerin längst gewöhnt, seit sie auf internati-onaler Ebene für Deutschland spielt. Nur wer dauernd gesagt bekommt, dass er phantas-tisch gekämpft und ebenbürtig mitgehalten hat, kann das bald nicht mehr hören, wenn er die entscheidenden Spiele ständig verliert.

Das Finale im European Women‘s Champions Cup (EWCC) in Bad Tölz sollte eigentlich mit dieser lästigen Tradition brechen. Drei Wochen zuvor hatte die Deutsche National-mannschaft bei den Olympischen Spielen in Sotschi den siebten Platz belegt. Manche Spielerin hatte von einer Medaille geträumt, nach außen erklärte Bundestrainer Peter Ka-than im Vorhinein den fünften Platz zum Maß aller Dinge, doch am Ende vermied das Team gerade so die Strafversetzung in die Relegation um den Klassenerhalt. Eine ähnli-ches Missgeschick sollte dem ESC Planegg nicht passieren.

Mit Haken und Ösen: Monika Bittner (Mitte) muss während eines Spiels eine ganze Menge austeilen und einstecken können.

Mit Haken und Ösen: Monika Bittner (Mitte) muss während eines Spiels eine ganze Menge austeilen und einstecken können.

Der Deutsche Meister, der Anfang März zum vierten Mal in Serie den Titel gewonnen hat-te, wollte bei der Endrunde der besten vier europäischen Vereinsmannschaften die eigene Ziele nicht zu tief hängen. „Wir spielen auf Sieg“, stellte Brian Ashton vor dem Turnier selbstbewusst klar, „sich über knappe Ergebnisse zu freuen, ist langweilig“. Der kanadi-sche Trainer, der die Pinguine vor einem Jahr übernahm, hält nicht viel von Understate-ment, das im deutschen Eishockey schon Programm ist. Im Halbfinale hatte sein Team die Eidgenossinnen aus Zürich ausgeschaltet, auch dank der Hilfe von vier Spielerinnen, die als Sportsoldatinnen ihren Dienst bei der Fördergruppe in Neubiberg versehen.

Unter den besten Vier in Europa
„Das EWCC-Finale ist das höchste Niveau“, rückte Kerstin Spielberger die Bedeutung des Turniers zurecht, „da spielen die vier besten Mannschaften Europas“. Die 18-jährige Obergefreite war heiß auf die Endrunde. Mit Tornado Moskau kam der Titelverteidiger nach Oberbayern, der momentan das Frauen-Eishockey so dominiert wie der FC Bayern München die Fußball-Welt. Dass gegen die Russinnen kein Kraut gewachsen ist, wusste Spielberger, aber gegen den AIK Solna aus Stockhom und Espoo Blues rechneten sich die Pinguine etwas aus. Nur starteten sie dann mit einer 1:3-Pleite gegen die Finninnen ins Turnier.

Andere deutsche Mannschaften hätten sich nach einer solchen Niederlage schicksalser-geben ihrer vermeintlichen Außenseiterrolle gefügt. Bei Planegg weckten sie erst recht das eigene Ehrgefühl. „Das ist der Charakter der Mannschaft“, erklärte Monika Bittner. Für die 1,56 Meter kleine Hauptgefreite mit dem großen Kämpferherz war ausgemacht, dass statt den Blues nun die Schwedinnen bluten mussten.
Es waren nur noch 59 Sekunden auf der Uhr, als Bettina Evers den Puck in die Maschen des gegnerischen Kastens drosch. Nach dem Treffer des Oberfeldwebels führte Planegg mit 3:2 gegen Solna. Das war der Sieg. Aber nur 33 Sekunden später schlugen die Schwedinnen zurück. Statt der möglichen drei Punkte gab es nur zwei, weil der ESC we-nigstens im Penaltyschießen die Oberhand behielt.
„Hätte, hätte“, sinnierte Evers, die schon einiges in Ihrer Laufbahn mitgemacht hat. Mit über 300 Länderspielen ist sie die Rekordhalterin in Deutschland. Dass sie diese Best-marke aufstellen konnte, hat sie auch der Bundeswehr zu verdanken. „Was Besseres gibt es für einen Sportler nicht“, stellt sie klar. Vor allem für eine Eishockey-Spielerin.

Die Bundeswehr als Erfolgsgarant

Kaum eine olympische Sportart fristet in Deutschland ein vergleichbares Schattendasein. Den sieben Bundesligavereinen fehlt es teilweise am Nötigsten. Der SC Garmisch-Partenkirchen muss Altpapier sammeln, um den Saisonetat zu bestreiten. Zum Trainieren darf das Team erst dann ins Olympia-Eisstadion, wenn selbst die Hobby-Mannschaften bedient sind. Dann ist es meistens spät am Abend und die Spielerinnen aus dem Oberland kommen erst gegen Mitternacht nach Hause.
Auch Liga-Primus ESC Planegg ist klamm. Dass der Club aus dem Landkreis München sowohl die Vorschlussrunde als auch das Finale des EWCC in Bad Tölz ausrichtete, ge-schah aus reiner finanzieller Verlegenheit. „Das kommt uns immer noch billiger, als wenn wir selbst nach Finnland fliegen“, rechnete der Vorsitzende Klaus Wüst aus. Da die Reisen durch Deutschland und Europa ins Geld gehen, hat der Verein die Beiträge für aktive Spie-lerinnen um 200 Euro erhöht.
Das bedeutet weitere Belastungen für seine Akteure, die durch ihren Sport ohnehin stark zur Kasse gebeten werden. Schläger und Schlittschuhe müssen sie selbst berappen. Auch die Fahrtkosten tragen sie selbst oder ihre Eltern, ohne die im Frauen-Eishockey gar nichts geht. Vor allem für Bettina Evers kommt einiges zusammen. Seit fünf Jahren pen-delt sie schon zwischen ihrem Wohnort Hannover und München hin und her. „Von dem Geld, das ich für Eishockey ausgebe, könnte ich eine Weltreise machen“, stellt sie klar.
Für die vier Sportsoldatinnen des ESC bedeutet ihre Verpflichtung bei der Bundeswehr vor allem eine materielle Sicherheit. „Wir können und ganz auf unseren Sport konzentrieren“, ist Kerstin Spielberger froh, dass sie einen von insgesamt zwölf begehrten Eishockey-Förderplätze bei der Truppe einnimmt. Auch für die Vereine hat das positive Folgen. Zwar ist die Ausbildung bei der Bundeswehr nicht immer reibungslos mit den Maßnamen im Club und in der Nationalmannschaft zu koordinieren, aber Klaus Wüst möchte nicht darauf verzichten. „Wenn es diese Förderung nicht gäbe, hätten wir die Erfolge nicht“, ist er über-zeugt.

Ob in der Abwehr oder im Angriff: Rekordnationalspielerin Bettina Evers ist eine fes-te Größe beim Deutschen Meister

Ob in der Abwehr oder im Angriff: Rekordnationalspielerin Bettina Evers ist eine fes-te Größe beim Deutschen Meister

Hoher Aufwand
Als die Espoo Blues im vorletzten Spiel des EWCC-Pokals überraschend dem AIK Solna unterliegen, sinkt die Stimmung den Pinguinen auf den Nullpunkt. „Da waren nur noch starre Mienen und Fassungslosigkeit“, berichtete Brian Ashton aus der Kabine. Der Traum von einer Medaille war geplatzt. Die Oberbayern hätten nun Tornado Moskau besiegen müssen, um noch unter die ersten Drei zu kommen, aber daran glaubte niemand. Denn zwischen den Russinnen und dem Rest Europas liegen Welten.

Als einziger Verein in Europa hat Tornado absolut professionelle Bedingungen geschaffen. Die Spielerinnen verdienen gutes Geld und können zweimal am Tag trainieren. Auch Julia Zorn kommt auf zwei Einheiten am Tag. Aber die Obergefreite steht nur viermal in der Woche auf dem Eis und verbringt sonst viel Zeit im Auto, um zu den Stadien nach Bad Tölz und Grafing beziehungsweise wieder zurück nach München zum Krafttraining zu fah-ren. „Ich glaube, dass ein Großteil der Nation nicht weiß, dass es Frauen-Eishockey gibt und was für ein Aufwand betrieben wird“, sagt die 24-jährige Sportsoldatin, die obendrein noch studiert.
Als ihre Mannschaft nach couragiertem Beginn dennoch mit 0:4 gegen Moskau die be-fürchtete Niederlage bezieht, ist die Enttäuschung groß. Der ESC ist Vierter, obwohl er ebenso wie Solna und Espoo ein Spiel gewonnen und zwei verloren hat. „Es tut weh, kei-ne Medaille zu haben“, klagt Zorn. Die Pinguine haben in den vergangenen Monaten viel für ihren Sport gegeben. Zorns Teamgefährtin Sophie Kratzer spielte trotz eines Kreuz-bandanrisses bei Olympia und im EWCC-Finale. Sie selbst plagt sich seit Dezember mit einer Schulterverletzung herum, zu der noch weitere Blessuren kamen. Wenn sich die vie-len Opfer dann überhaupt nicht lohnen, schmerzt das noch mehr.
Aufgeben wird Zorn deshalb jedoch nicht. „Wir waren jetzt nah dran, eine Medaille zu ho-len, das nächste Mal holen wir eine“, macht sie sich Mut. Bei den Großen Europas nur schön mitzuspielen, reicht den Pinguinen nicht mehr aus.

Text und Fotos: Christian Heinrich

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