Unterwegs in internationalen Seilschaften

Bild 2_SnapseedDurch den Nebel ist deutlich ein metallisches Scharren zu vernehmen. Eine klamme Hand versucht fieberhaft einen festen Griff im vereisten Fels zu finden. Dann ein kurzer Moment Stille. Das Steigeisen hat auf einem winzigen Felsvorsprung einen Tritt gefunden, die Hand, zur Faust geballt, findet in einem Spalt Halt. Gezielt wird der Eispickel in einem Riss verklemmt. Eine kurze Kraftanstrengung und die nächste Kletterpassage ist überwunden. Schnell ist ein Standplatz eingerichtet und die Kameradensicherung vorbereitet. Konzentriert klettern die Seilschaften weiter zum 3521 m hohen Gipfel des Pointe de Labby.

Die Besteigung des Pointe de Labby über Gletscher, Geröllfelder und einen vereisten Grat war einer der Höhepunkte der Profilmaßnahme 2/a in Frankreich, an der zwei deutsche Offiziere der Gebirgsjägerbrigade 23 vom 8. bis 26. September 2014 teilnehmen durften. Die Förderungsmaßnahme beinhaltete zwei Ausbildungsabschnitte. Zum einen die Teilnahme an einer zweiwöchigen Übung mit der 2. Kompanie des 13ème B.C.A. (Gebirgsjägerbataillon) aus Chambery mit dem Ziel der Verbesserung alpiner Fähigkeiten. Zum anderen die Teilnahme an einer einwöchigen militärhistorischen Weiterbildung an der Infanterie- und Artillerieschule in Draguignan.

Die ersten Tage der alpinen Aus- und Weiterbildung mit der 2. Kompanie fanden im Raum Tignes statt. Das 13ème B.C.A. verfügt dort über einen modernen, voll ausgestatteten Ausbildungsstützpunkt für die Unterbringung und Betreuung von zwei Kompanien auf 1800 m Höhe. Die unmittelbare Nähe zu diversen Skigebieten,Klettergärten, Klettersteigen und einer Vielzahl von Fels- und Eiskletterrouten machen diesen Gebirgsstützpunkt zu einem optimalen Ausbildungsort der französischen Gebirgstruppe.

Bild 4Nach der Feststellung von Schwindelfreiheit und der individuellen Fähigkeit im Klettern, erfolgte die Vermittlung von grundlegenden Techniken im Begehen von Gletschern auf dem Glacier la Grande Motte in unmittelbarer Nähe zum Ausbildungsstützpunkt. Insbesondere die Gletscherausbildung stellte eine wichtige Grundlage für die weiteren Bergtouren dar. So wurde nicht nur das Gehen mit Steigeisen und die Anwendung des Eispickels geübt, sondern auch der Bau von Standplätzen mit Eisschrauben. Für die Weiterbildung im Eisklettern wurden verschiedene Gletscherspalten mit einer Seilsicherung versehen und die Teilnehmer einzeln in die Spalten abgelassen. Die Herausforderung bestand nun darin, die zum Teil leicht überhängenden Wände der Gletscherspalte mit Hilfe von Eispickeln und Steigeisen zu überwinden.

Die folgenden Tage standen im Schwerpunkt der Felsausbildung. So wurde die individuelle Kletterfähigkeit im Klettergarten geschult und das Erlernte auf diversen Bergtouren gefestigt. Begonnen wurde mit einer einfachen Ausbildung im „Toprope Klettern“. Darauf aufbauend erfolgte die Ausbildung „Klettern im Vorstieg“. Zum Ende der ersten Ausbildungswoche war jeder Teilnehmer in der Lage, den 6. Schwierigkeitsgrad UIAA (Union Internationale des Associations d`Alpinisme) im Vorstieg zu absolvieren. Die Bergtouren führten regelmäßig durch unwegsames alpines Gelände von mehreren tausend Höhenmetern. Kleinere Kletterpassagen wurden dabei schnell ungesichert überwunden. Allgemein legten die Ausbilder sehr viel Wert auf eine schnelle und sichere Handhabung von Seil- und Sicherungstechnik. Wann immer es notwendig war, wurden mobile Sicherungsgeräte in den Fels eingebracht und Abseilstellen eingerichtet. So konnten auch ausgesetzte Kletterreihen entlang der verschiedenen Gipfelgrate sicher überwunden werden. Das durchgehend gute Wetter bei milden 25° Celsius trug zu einmaligen Gipfelerlebnissen bei und die Teilnehmer wurden durch hervorragende Ausblicke belohnt.

Für die zweite Ausbildungswoche erfolgte eine Verlegung nach Modane. Dort unterhält das französische Heer eine Ausbildungseinrichtung ähnlich der deutschen Gebirgs- und Winterkampfschule. Der Unterschied zur eigentlichen

Bild 6Hochgebirgsschule in Chamonix besteht darin, dass an der Schule alle „nicht Gebirgstruppenteile“ eine zweiwöchige Gebirgsgrundausbildung erhalten. Von dort aus wurden weitere Berg- und Klettertouren auf die nahe gelegenen Gipfel der Alpen unternommen. Der Höhepunkt und Abschluss der Übung mit der 2. Kompanie war die Besteigung des Pointe de Labby. Bereits einen Tag vorher erfolgte der Zustieg zu einer kleinen Berghütte auf ca. 2500 m. Nach anfänglich gutem Wetter schlug dieses zum Abend hin um und brachte einige Zentimeter an Neuschnee in den Höhenlagen. Ein Umstand, der die Gratüberschreitung am Folgetag erschweren sollte. Nach einer kurzen Nacht in der Hütte begann um 04:00 Uhr morgens der Weitermarsch zum Gipfel. Vor der eigentlichen Besteigung, mussten weitere 900 Höhenmeter über Schneefelder und Gletscher überwunden werden. Nach einer kurzen Pause am Einstieg der Kletterroute wurden die nächsten Höhenmeter in der Vorstiegstechnik mit Steigeisen und Eispickel im Schwierigkeitsgrad 5- bestritten. Der Weg entlang des vereisten Grates stellte sich als fordernd und sehr abwechslungsreich dar. Immer wieder durchkletterten die Teilnehmer Felspassagen oder seilten sich an Steilwänden ab. Wenig später konnten alle Seilschaften erfolgreich und mit strahlenden Gesichtern den Gipfel erreichen. Nach über dreizehn Stunden fand diese interessante und lehrreiche Bergtour im Tal ihr Ende.

Nach einem gemeinsamen Abend im Kreise der französischen Gebirgsjägerkameraden begann am nächsten Morgen der zweite Teil der Förderungsmaßnahme an der Infanterie- und Artillerieschule in Draguignan. Die dort stattfindende militärhistorische Weiterbildung stand im Zeichen der Operation Dragoon, der Landung der Westalliierten an der Côte d’Azur zwischen Toulon und Cannes am 15. August 1944. Gemeinsam mit den deutschen Verbindungsoffizieren wurden verschiedene Geländebegehungen durchgeführt, um einen Einblick in den taktischen Ablauf der Operation zu erhalten. Besonders beeindruckend stellte sich im Zusammenhang mit der Operation Dragoon die Geländebegehung des „Green Beach“ in der Landezone Camel dar. Ein etwa 1300 m breiter Küstenabschnitt, der von insgesamt 15 Soldaten der Wehrmacht verteidigt wurde. In diesem Abschnitt erfolgte die Anlandung einer gesamten Infanteriedivision an einem 300 m langen Strand.

Nach den eindrucksreichen Tagen an der Südküste Frankreichs bildete der Besuch des deutsch-französischen Heeresfliegerausbildungszentrum in Le Luc den

Abschluss der Förderungsmaßnahme. Bei diesem Besuch konnte ein Einblick in die Technik des Kampfhubschraubers Tiger und die umfassende Ausbildung der Piloten gewonnen werden.

Den deutschen Teilnehmern wurde ein sehr abwechslungsreiches und interessantes Programm geboten. Es konnten viele wertvolle Erfahrungen im alpinen Gelände gesammelt und das militärhistorische Wissen erweitert werden. Besonders herausragend war die Kameradschaft zwischen den deutschen und französischen Gebirgsjägern. Die sinnbildliche „Verbundenheit durch das Seil“ war allgegenwärtig. Gebirgsjäger zu sein bedeutet Verbundenheit miteinander, egal welche Sprache man spricht oder welcher Nation man angehört.

Text & Fotos: Oberleutnant Bernhard Adden, 4./GebJgBtl 231

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