EM im Sportschießen in Arnheim – Gschwandtner und Grimm starten durch

Auf dieser Bühne hatten sie sich noch keinen Namen gemacht. Doch seit diesem ersten Märzwochenende in 2015 dürfte sich das gründlich geändert haben, künftig wird die Weltelite mit Respekt auf Selina Gwschwandtner, Philipp Grimm oder Nina-Laura Kreutzer schauen. „Hut ab, sie hat sich mit Bravour geschlagen“, lobte Gewehr-Bundestrainer Claus-Dieter Roth seine neue Europameisterin Selina Gschwandtner. „Ich habe das nicht geglaubt, dass wir im Einzel und mit der Mannschaft Gold gewinnen“, meinte Pistolen-Bundestrainer Jan-Erik Aeply noch drei Tage nach den Titelkämpfen völlig fassungslos. Es war der erste EM-Mannschaftserfolg seit 1991 in Manchester. „Jetzt haben wir die Generation Uwe Potteck und Gernot Eder endgültig abgelöst.“

Zwei Mal Doppel-Gold, im Einzel und mit der Mannschaft, noch dazu mit den Teams, die international in der Schützenklasse über die geringere Erfahrung verfügen. „Selina hat im Finale von Anfang an mit in Front gelegen, schon bei den Lehrgängen im Vorfeld der EM war sie in hervorragender Verfassung“, sagte C.-D. Roth über seine neue Titelträgerin im Jahr eins in der Schützenklasse. Noch im Vorjahr war sie in beiden olympischen Disziplinen WM-Dritte in Granada geworden, 2013 war sie bereits Europameisterin – bei den Juniorinnen. „Ich habe zwei Tage gebraucht, um diesen EM-Erfolg überhaupt zu realisieren“, sagte die 20-Jährige nach ihrer Rückkehr in die bayerische Heimat. „Es ist ein super Gefühl, und hier haben sich alle mit mir gefreut, in der Familie, in Reischach und im Studium.“ Im zweiten Semester studiert sie Luft- und Raumfahrttechnik.

Glück in der Qualifikation

Sie qualifizierte sich als Achte und Letzte für den Endkampf, mit einem Vorsprung von nur zwei Zehnteln ausgerechnet vor dem einzigen Routinier im Team, Barbara Engleder. „Mit ihr war es während der EM total super, wir konnten sie immer fragen, und ich glaube, sie hätte sich mehr geärgert, wenn sie nicht an einer Teamkollegin im Kampf um den Finaleinzug gescheitert wäre“, lobte Gschwandtner den vorbildlichen Oberfeldwebel aus Neubiberg.

Die Sportgewehr-Weltmeisterin trug als dritte Deutsche entscheidend mit zum Mannschaftstitel bei, die Hauptarbeit dafür mit dem besten Vorkampfergebnis des Trio hatte die Coburger Bundesligameisterin Nina-Laura Kreutzer als Vorkampfbeste mit 417,7 Ringen geleistet. Beide, Engleder wie Kreutzer, schossen nach alter Wertung 399 Ringe, also nur einmal in die Neun, Kreutzer traf die höheren Zehner, zog ins Finale ein und schnappte sich Bronze.

An diese Glanzleistung der Damen konnten die Herren im letzten Wettbewerb in keiner Form anknüpfen und kamen nicht einmal in die Nähe des Finales. „Da fehlte schon ein Haufen Zeugs“, meinte Bundestrainer Roth angesichts des Abstandes von fast vier Ringen zu den Endkampfplätzen. Julian Justus war mit 619,9 Ringen auf Platz 30 noch bester deutscher Starter. Michael Janker folgte mit 618,7 Zählern auf Rang 38, und EM-Debütant Helmut Kächele komplettierte das Ergebnis mit 617,0 Ringen und dem 51. Platz. Als Team belegten die Deutschen den zehnten Platz.

Trainer-Trio und starke „Viererbande“

Der heimliche Vater des Erfolges saß daheim in Niederbayern und freute sich über die Ergebnisse. Vier Schützen aus der beim Bundesligafinale siegreichen Mannschaft des SV Kelheim-Gmünd von Coach Sebastian Rosner standen im Finale der Europameisterschaften, zwei von ihnen holten Gold und Silber. „Natürlich besteht da ein Zusammenhang zwischen Bundesliga und diesem Ergebnis“, sagte Bundestrainer Jan-Erik Aeply. „Wir Drei – neben Sebastian und mir auch der bayerische Landestrainer Thomas Karsch – sind als Trainer zusammen groß geworden.“ Sie schauen die erfolgreichen Maßnahmen voneinander ab.

In Arnheim war es Philipp Grimm, der am Ende ganz oben aus dem deutschen Team stand, während Manuel Heilgemeier auch ins Finale kam und Sechster wurde. Eine Neun im letzten Schuss kostete Routinier Florian Schmidt mit 378 Ringen die Endkampfteilnahme, doch es reichte, um trotz gleicher Ringzahl wie Russland von 1736 dieses historische Gold mit dem Team zu gewinnen. „Ein weiterer wichtiger Aspekt war, dass Philipp und Manuel durch die Bundesliga einige der Weltstars kannten, darunter den Serben Damir Mikec und den Spanier Pablo Carrera aus der eigenen Kelheimer Mannschaft. Da ist die Stimmung eine andere“, erklärt Aeply den Unterschied.

Heilgemeier übernimmt Verantwortung

Heilgemeier, der sich über die Förderung in der Sportförderkompanie Neubiberg in den Nationalkader geschossen hat, lag sogar nach sechs Schüssen in Front, doch mit den folgenden beiden Treffern in die Acht kam er aus dem Tritt und fand diesen nicht mehr. Als dritter Finalist musste er ausscheiden und wurde Sechster.

Philipp Grimm setzte sich erst mit dem zwölften Schuss erstmals – und damit endgültig – an die Spitze des Feldes. Diese Position, einmal eingenommen, ließ sich der 22-Jährige bis zum Schluss nicht mehr nehmen, ganz im Gegenteil, er baute seinen Vorsprung mit 199,8 auf fast fünf Ringe aus – und verwies Damir Mikec, den Spitzenschützen aus dem Kelheimer Team, auf Rang zwei.

Grimm holt sich Bestätigung

„Ich bin überglücklich, es ist mal so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt habe“, sagte Grimm. „Wir wussten in der Vorbereitung, wir sind stark drauf, und deshalb sind wir die EM auch positiv angegangen. Vor allem das schon feststehende Team-Gold war ihm wichtig. „Das war ein Riesenvorteil, man hatte schon eine Medaille sicher, alles andere war Bonus.“

Die Frauen lieferten, gemessen an dem riesigen Erfolg des Vorjahres mit Gold und Silber im Einzel durch Stefanie Thurmann und Monika Karsch sowie Gold im Team, schwache Resultate ab. Munkhbayar Dorjsuren, in Moskau auch Mitglied des Teams, zeigte einmal wieder, dass sie sich auch mit 45 Jahren noch auf den Punkt konzentrieren und vorbereiten kann. Auf einen Hinweis von Sonja Pfeilschifter hin, Berufssoldatin und Gewehrschützin, organisierte der DSB für Dorjsuren wieder einen Platz in der Sportförderkompanie der Bundeswehr, der sie schon bis London 2012 angehörte, jetzt im Rahmen einer Wehrübung. „Damit ist sie bis Rio wirtschaftlich abgesichert“, freute sich Aeply. „Munkh“ zahlte dies gleich mit dem Finaleinzug zurück. Allerdings fand sie sich in dem für sie immer noch ungewohnten neuen Finalmodus einmal mehr nicht zurecht und musste als Erste ausscheiden.

Ihre beiden Kolleginnen blieben jedoch hinter den Erwartungen zurück, so dass mit dem Team nur Rang fünf heraussprang, mit vier Ringen Abstand auf die durchaus mögliche und eingeplante Medaille. Antje Noeske aus Neubrandenburg kam mit 374 Ringen nicht über den 26. Platz hinaus, Weltcup-Finalsiegerin Monika Karsch aus Regensburg musste sich nach nur 370 Zählern mit dem 38. Rang begnügen.

Text und Fotos: Harald Strier

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