EM der Rekorde: Wasserball in neuer Dimension – Deutsche Teams auf Formsuche

Es waren Titelkämpfe der Superlative, doch Deutschlands Teams rangen bei den 32. Wasserball-Europameisterschaften im serbischen Belgrad um den internationalen Anschluss. Bei den größten kontinentalen Titelkämpfen aller Zeiten landeten die deutschen Männer zwar nur auf Rang elf, haben aber dennoch weiterhin gute Olympiachancen. Deutschlands Frauen beendeten nach vierjähriger Abstinenz ihr EM-Comeback wie den vorherigen Auftritt 2012 im niederländischen Eindhoven als Achter, mussten das Rennen um einen Olympiastartplatz an der Save allerdings vorzeitig aufgeben.

Jenseits aller erzielten Treffer sorgte das Ambiente von Belgrad nicht nur für Gesprächsstoff, sondern setzte auch Maßstäbe: Gespielt wurde bei dieser zweiten „Winter-EM“ nach 2012 mit der Kombank-Arena diesmal in Serbiens größter Veranstaltungshalle, die nicht nur bereits Handball-Weltmeisterschaften, sondern auch bereits den Eurovision Song Contest und andere Konzerte beherbergt hatte. Für die zweite Wasserball-EM ohne Schwimmbad wurde ein temporäres Becken mit den perfekten Wasserballmaßen von 34 x 21 Meter sowie ein zusätzlicher Warm-Up-Pool hinter Anzeigetafel und Vorhang installiert. 11.000 Zuschauer fanden auf den weitläufigen Rängen der modernen Anlage Platz und erlebten ein regelrechtes Popcorn-Ambiente wie bei Basketballspielen der nordamerikanischen Profiliga NBA.

War neun Jahre zuvor im Tasmajdan-Schwimmkomplex einzig das Finalspiel ausverkauft gewesen, produzierte diesmal bereits der Auftakttag mit dem Duell zwischen Weltmeister Serbien gegen Olympiasieger Kroatien ein volles Haus und die größte Zuschauerkulisse seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney mit damals 17.000 Anwesenden bei Partien im großen Schwimmstadion. Schon vor dem Finaltag waren fünf der sechs Auftritte des Gastgebers komplett ausverkauft und auch das zweite Halbfinale zwischen Montenegro und Ungarn lockte ohne serbische Beteiligung ebenfalls 8.000 Fans auf die moderne Anlage, die westlichen Gegenstücken in nichts nachsteht. Parallel zu den Rängen für den gemeinen Fan gab es analog zum Spitzenfußball sogar VIP-Logen hinter Glas, sodass deutschen Aktiven und Zuschauern nur ein Staunen blieb: „Es fühlte sich an, als befinde man sich in einer anderen Welt“, sagte EM-Debütantin Anika Ebell, die bisher vor weit übersichtlicheren Kulissen in Weltliga und EM-Qualifikation zum Einsatz gekommen war. „Die Stimmung ist vergleichbar mit der der Fanmeile in Berlin“, blieb der Chemnitzerin nur der Hinweis auf andere großen Sportarten.

DSV-Männer bleiben hinter den Erwartungen

Bei aller Begeisterung und Staunen über eine in dieser Form nie dagewesene Veranstaltung blieben die deutschen Teams spielerisch und ergebnistechnisch dagegen hinter den eigenen Erwartungen: Dieses galt insbesondere für die Männer, die zu keiner Phase der Veranstaltung an die Form der Vorbereitung anknüpfen und nie richtig ins Turnier fanden, obwohl sechs Tage vor dem ersten EM-Auftritt ein Sieg gegen Olympiasieger Kroatien bei dem Vorbereitungsturnier in Dubrovnik Hoffnungen auf eine gute EM-Vorstellung geweckt hatte.

Die deprimierende 5:16-Auftaktniederlage gegen den in der Vorrundengruppe C favorisierten und topgesetzten Olympiazweiten Italien mochte sich noch verschmerzen lassen, doch auch der 11:9-Erfolg gegen den späteren EM-Vierzehnten Georgien fiel nach einem zwischenzeitlichen 2:5-Rückstand äußerst mühsam aus und konnte erst in der Schlussphase sichergestellt werden. Das „Endspiel“ um Rang zwei ging gegen Rumänien nach zwischenzeitlicher 13:12-Führung (29. Minute) mit 13:14 verloren, so dass der Sieben des neuen Männer-Bundestrainers Patrick Weissinger (Esslingen) nur Rang drei blieb. 27 Tore und 19 Persönliche Fehler plus weitere spektakuläre Aktionen beider Teams bescherten passend zum Arena-Ambiente eine Begegnung in Handball-Manier.

Im Achtelfinale ging es in den Überkreuzduellen für die Deutschen aber dennoch wie erhofft gegen Russland. Nach anfänglicher deutscher Führung ging Russland mit einen 5:3-Vorsprung in die Halbzeitpause und konnte gegen im Angriff wenig durchschlagskräftige Deutsche am Ende mit einen 9:6-Sieg aus dem Becken zu steigen.

Im ersten von drei Platzierungsduellen um die Ränge neun bis 16 siegte die DSV-Auswahl im Fünfmeterwerfen mit 16:15 gegen die wiedererstarkte Slowakei. Nach lediglich 13 Stunden der Erholung hatte die deutsche Mannschaft bereits mit 1:4 (10.) und in der Schlussphase erneut mit 6:8 (29.) zurückgelegen, doch mit zwei Treffern des angehenden Sportsoldaten Marin Restovic zum 8:8-Gleichstand rettete sich die Weissinger-Sieben in das sofortige Fünfmeterwerfen. Hier versenkte Erik Bukowski im neunten (!) Durchgang den entscheidenden Wurf, nachdem die DSV-Auswahl zuvor stets hatte nachlegen müssen. Die Hoffnungen auf Platz neun und eine letzte kleine Chance zur Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2017 zerplatzten dann aber beim Wiedersehen mit Rumänien: Deutschlands Männer retteten sich nach einem 2:6-Rückstand und zwischenzeitlicher 8:6-Führung mit einem 9:9-Unentschieden am Ende zwar abermals in ein Fünfmeterwerfen, doch gab es hier nach zwei Fehlwürfen von Julian Real und Maurice Jüngling diesmal eine 13:14-Niederlage. „Wir schaffen es einfach nicht, vier konstante Viertel hinzulegen“, haderte Patrick Weissinger beim sechsten Auftritt in der Kombank-Arena mit den Schwankungen seines Teams.

Im Spiel um Platz elf siegte die DSV-Auswahl nach zweitägiger Pause mit 9:7 gegen die international zuletzt nur zweitklassigen Niederlande und kam zum dritten Sieg beim siebten EM-Auftritt. Damit sicherte man sich schließlich doch noch die Teilnahme am Olympiaqualifikationsturnier in Triest (Italien/3. bis 10. April). „Das war noch einmal ein wichtiges Spiel für uns. Wir haben uns etwas steigern können im Vergleich zu den vorherigen Partien“, zog Patrick Weissinger als Fazit. „Beim Qualifikationsturnier müssen wir aber deutlich besser als hier in Belgrad spielen, um eine Chance auf Rio zu haben.“

Alter und neuer Europameister wurde vor über 18.000 Zuschauern durch einen 10:8-Finalerfolg gegen Montenegro wie erwartet Gastgeber Serbien, das nur nicht den Titel verteidigen, sondern auch seinen siebten EM-Erfolg seit 1991 holen konnte. Der unterlegene Finalist von der Adria gewann zum zweiten Mal nach 2012 Silber und ist damit bereits jetzt direkt für das zahlenmäßig dünne Zwölferfeld der Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro (Brasilien/5. bis 21. August) qualifiziert. Die Spieler des 2008 sogar einmal siegreichen Kleinstaates waren im siebten Turnierspiel die erste Mannschaft des 16-Nationen-Wettbewerbs, die gegen die bis dahin übermächtig erscheinenden Serbien die Partie offenhalten konnten und nach einer 6:5-Führung beinahe sogar mit einem knappen Vorsprung in den Schlussabschnitt gegangen waren.

Frauen beim EM-Comeback auf Rang acht

Deutschlands Wasserballerinnen haben nach verpasster EM-Qualifikation 2012 die Rückkehr auf die internationale Bühne jenseits der Weltliga mit Rang acht abgeschlossen, müssen allerdings Olympia vorzeitig abschreiben. Nach den Titelkämpfen des Jahres 2012, die im niederländische Eindhoven ebenfalls Platz acht gebracht hatten, war Bundestrainer Milos Sekulic (Krefeld) mit einem weitgehend neu formierten Team und auch gleich sechs EM-Neulingen ins Rennen gegangen, wobei die Mehrzahl der Aktiven für längerfristige Aufgaben über 2016 hinaus aufgebaut werden soll.

In der Auftaktpartie gegen den aufstrebenden, aber international unerfahrenen Gastgeber Serbien schwamm die deutsche Auswahl vor über 1.000 Zuschauern einem 1:5-Rückstand hinterher. Zwar gelang beim 8:7 (20.) erstmals eine Führung, doch erst ein Kontertor von Claudia Blomenkamp 21 Sekunden vor dem Ende zum 14:13-Endstand stellte den knappen Sieg sicher. Es folgten beim 3:22 gegen den WM-Dritten Italien, dem 3:12 gegen die international aufstrebende Auswahl Frankreichs und dem 3:26 gegen Titelverteidiger Spanien dann allerdings drei Lehrstunden für das junge Team. Im Spanien-Spiel büßte die DSV-Auswahl gleich sechs Spielerinnen vorzeitig ein und musste die letzten 51 Sekunden der Partie mangels personellem Ersatz sogar in Unterzahl absolviert werden. Enttäuschender war allerdings das Duell mit Frankreich, nachdem die Deutschen im September bei der EM-Qualifikation in Krefeld gegen den Kontrahenten noch mit 11:9 siegreich gewesen waren. Durch einen 20:9-Erfolg gegen Kroatien im letzten der fünf Gruppenspiele konnte Platz vier in der Vorrundengruppe B eingefahren werden. Routinier Claudia Blomenkamp traf achtmal und sorgte für ihren persönlichen EM-Rekord.

Die KO-Spiele bestätigten allerdings, dass Deutschlands Frauen von der internationalen Spitze derzeit weit entfernt sind. Im Viertelfinale unterlag das Team gegen WM-Finalist Niederlande erwartet deutlich mit 2:19, und bei den Duellen um die Plätze fünf bis acht folgte tags darauf eine 2:22-Niederlage gegen die ebenfalls im Viertelfinale unterlegenen Russinnen. Im abschließenden Platzierungsspiel um Platz sieben verlor die DSV-Auswahl nach hartem Kampf mit 9:13 gegen den letztjährigen WM-Teilnehmer Frankreich. Nach der klaren 3:12-Niederlage im Gruppenduell beider Teams sieben Tage zuvor hatte die Sekulic-Sieben diesmal nach einem starken Auftakt und einem 4:1-Vorsprung (8.) bis zur Mitte des Schlussviertels und dem dortigen Stand von 9:11 (29.) noch Siegchancen, doch zwei Gegentreffer machten alle Hoffnungen zunichte. Mit der Niederlage wurde auch die bis dahin noch möglich Teilnahme am Olympiaqualifikationsturnier in Gouda (Niederlande/21. bis 28. März) verpasst.

Den Europameistertitel holten sich zum dritten Mal nach 1991 und 2001 überraschend Ungarns Frauen: Einen Tag nach dem überraschenden 10:5-Halbfinalerfolg gegen Italien setzte sich der Olympiavierte von 2012 auch im Endspiel mit 9:7 gegen die im Vorfeld favorisierten Niederlande durch, womit sich das Team um die frühere deutsche Nationalspielerin Barbara Bujka auch den Olympiastartplatz des Europavertreters sicherte. Vizeweltmeister Niederlande verpasste dagegen die Chance auf den ersten EM-Titel seit 1993 und muss nun den unsicheren Weg über das Olympiaqualifikationsturnier gehen.

Text und Fotos: DSV

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