Verpasste Gelegenheit – Luftdruck-Europameisterschaft im ungarischen Györ

Zahlreich waren die Chancen gewesen, doch am Ende stand die Null. Scheinbar zu Stein gewordene Gesichter überall im deutschen Lager. Keine Wut, keine Tränen, nur leere Blicke. Enttäuschung.

Sechs Gelegenheiten boten sich mit der Sportpistole, deren sieben sogar mit der Luftpistole, einen Olympia-Quotenplatz zu gewinnen, für Männer wie Frauen. Alle Chancen ließen die deutschen Pistolenschützen – bis auf die Disziplin Schnellfeuerpistole – ungenutzt. Beide Dreier-Teams verpassten zuletzt auch bei der Luftdruck-Europameisterschaft im ungarischen Györ die letztmögliche Fahrkarte nach Rio.

Es war knapp!

380 Ringe hätten in Györ zur Finalteilnahme und eben zum Quotenplatzgewinn gereicht. „Das war wie ein Angebot“, gab Oberfeldwebel Monika Karsch zu, und der DSB-Disziplin-Verantwortliche Jan-Erik Aeply ergänzte: „380, das ist fast nichts.“ Doch alle Frauen verfehlten diese Marke, knapp wie Karsch und die langjährige Sportsoldatin Munkhbayar Dorjsuren um zwei und drei Ringe.

Dorjsuren treffend: „Das ist bitter und total ärgerlich. Ich schieße jetzt seit 14 Jahren für unser Land, aber noch nie waren wir auf die letzte Chance zur Olympiaqualifikation angewiesen.“ Die zweifache Weltmeisterin und zweimalige Olympia-Dritte sagte auch, der Weg zu den Spielen sei fast schwieriger, als dort eine Medaille zu gewinnen. Schade, dass das Györ-Fiasko zum Ende der Karriere der gebürtigen Mongolin passierte. Wie ihre beiden Kolleginnen, hatte sie ihr Bestes gegeben. Hauptgefreiter Sandra Hornung, die lediglich 373 Ringe traf, wurde ihrer großen Nervosität nicht Herr.

Stress bei den Männern

Die deutschen Männer ließen auch die letzte Chance verstreichen. Das Trio scheiterte, wobei es nach den Resultaten hätte ins Finale kommen müssen. Routinier Florian Schmidt verfehlte die Ziele zu häufig und kam mit enttäuschenden 570 Ringen nur abgeschlagen auf Platz 42. Er hatte in der ersten Gruppe seinen Vorkampf geschossen, jetzt ruhten die Hoffnungen ausgerechnet auf den Jungen. Philipp Grimm ging in den Wettkampf mit der zusätzlichen Bürde, als Titelverteidiger zu starten. Spätestens nach den ersten Fehlern stieg der Druck enorm. Der 23-Jährige kam letztlich nur auf 572 Ringe und Platz 31.

Alexander Kindig, vor anderthalb Jahren Weltmeister bei den Junioren, hatte bis zum Schluss noch alle Möglichkeiten – doch dann kam eine Acht. 579 Ringe waren notwendig für den Finaleinzug, der Burgauer kam auf 574 Ringe und blieb damit hinter seinen Möglichkeiten. Jan-Erik Aeply vom Deutschen Schützenbund, richtete den Blick über Rio hinaus. „Wir haben ein tolles Männerteam mit Blick auf die Spiele 2020.“ Die Heise-Zwillinge, Hauptgefreiter Andreas und Unteroffizier Michael oder Philipp Käfer stehen noch im Hintergrund.

Julian Justus hat es geschafft – und nichts davon mitbekommen. Der beständigste deutsche Luftgewehrschütze der letzten Jahre hatte seinen Wettkampf schon lange mit 624,6 Ringen beendet – und war enttäuscht. Denn zu diesem Zeitpunkt lag der Hesse aus Homberg/Ohm außerhalb der Finalplätze, er hatte zudem die magische Grenze von 625,0 Ringen, die er zur persönlichen Top-Team-Qualifikation zu knacken hatte, um gerade vier Zehntel verfehlt, und der Gewinn des letzten zu vergebenen Quotenplatzes war mehr als fraglich. Justus, der im letzten Jahr bei den Weltcups fast immer zwischen den Rängen neun bis 15 rangierte, schien das Pech treu zu bleiben.

Dem Olympiateilnehmer von London war bewusst, dass er seine für diesen Tag gesteckten Ziele um Haaresbreite verpasst hatte. Doch die Konkurrenten waren noch nicht fertig, insbesondere der Spanier Jorge Diaz nicht, der laut Hochrechnung die ganze Zeit vor Justus auf dem achten und letzten Finalplatz gelegen hatte. Diaz gab seinen letzten Schuss wenige Sekunden vor Schluss ab und brauchte eine 10,6, um mit Justus gleichzuziehen, doch es wurde nur eine 10,1. Mit einem Mal war der Deutsche Achter. „Das habe ich gar nicht verfolgt, ich dachte, der Käse wäre gegessen“, sagte Justus. Jetzt sah die Welt wieder rosig aus: Der Quotenplatz war da, mit dem Erreichen des Finales auch seine persönliche Top-Team-Qualifikation. „Ich stand mit dem Rücken zur Wand“, schilderte Justus. „Aber irgendwann musste ich ja auch einmal Glück haben.“ Seine beiden Mitstreiter Michael Janker und Nicolas Schallenberger verloren nach guten Serien vor allem gegen Ende den roten Faden. Im Finale erreichte Justus schließlich Platz fünf.

„Natürlich habe ich mich geärgert, dafür bin ich zu sehr Leistungssportlerin“, sagte Barbara Engleder, die beste deutsche Gewehrschützin der letzten Jahre. Ein Ruf, den der Oberfeldwebel auch in Györ untermauerte und den Luftgewehr-Vorkampf mit 417,5 Ringen als Zweite des illustren Feldes und klar beste Deutsche abschloss. „Doch im Finale habe ich schon in der ersten Dreierserie eine 9,6 geschossen“, sagt sie. Doch der letztlich entscheidende Moment kam mit Schuss 18. Die Sportsoldatin hatte sich mühsam hochgearbeitet und Platz 3 erkämpft. Mit diesem Schuss auch den Rang behauptet und es wäre ihr eine Medaille sicher gewesen. Doch genau darum wusste sie, ebenso wie um den denkbar knappen Vorsprung von nur einem Zehntel auf die Schweizerin Petra Lustenberger. „Da war ich ziemlich aufgeregt.“ Und dann nur eine 9,7. So schied sie als Vierte aus. „Wir gehen aber alle nicht leer aus, denn wir haben mit der Mannschaft Bronze gewonnen.“ Die „Küken hatten sich gut geschlagen und Bronze gewonnen. Doch die letzte Gelegenheit, ins Top Team Rio vorzurücken und sich damit die Chance auf eine Olympiateilnahme zu erhalten, vergaben in Györ Isabella Straub und die Bruchsaler Sportsoldatin Jolyn Beer. Straub landete letztlich mit 409,9 Ringen auf Rang 52. Jolyn Beer kämpfte bis zum letzten Schuss und hatte mit 415,2 Ringen am Ende Pech. Platz 11.

Der dreigeteilte Qualifikationsweg endet beim Weltcup in München

Damit haben die Gewehrfrauen ihre nationale Vorqualifikation im Kampf um ein Rio-Ticket abgeschlossen. Mit dem Luftgewehr werden Barbara Engleder, Stabsgefreiter Lisa Müller, Selina Gschwandtner und Nina-Laura Kreutzer, mit dem Sportgewehr neben Engleder und Gschwandtner, Hauptfeldwebel Beate Gauß und Oberfeldwebel Eva Rösken in der internen Qualifikation die jeweils zwei Rio-Startplätze ausschießen.

Text und Fotos: Harald Strier

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