Lauffloh „Mocki“ im Aufwind – 2017 tickt das Siegerländer Laufuhrwerk wieder mit schnellen Beinen

Sie scheint unkaputtbar, Deutschlands filigrane Laufamazone aus dem Siegerland. Dem verheerenden Verletzungspech des Vorjahres zu Trotze, stürmte Sportsoldatin Sabrina Mockenhaupt nun zu ihren 43. und 44. Deutschen Meistertiteln. In den leichtathletischen Hardcoredisziplinen des Langstreckenlaufs gewann die 36-jährige dabei erneut die deutschen 10.000 Meter Bahnwettkämpfe als auch den nationalen Halbmarathon-Titel über die gut 21 Kilometer. Mit der unbändigen Lust am Rennen peilt die Meistertiteljägerin des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) die kommenden Olympischen Spiele an, die 2020 im fernen Land der aufgehenden Sonne gefeiert werden. Als Option allerdings, wie die Militärleichtathletin mit funkelnden Augen preisgibt, denn in Nippons Hauptstadt Tokyo könnte es der dann 40-jährigen gelingen, sich bei ihrer vierten Olympiateilnahme als sportliches Glanzfinale ihre Karrierekrone aufzusetzen. Über spannende Rückblicke wie aktuelle Stationen einer unverwüstlichen Leichtathletik-Ikone, die in der Höher-Schneller-Weiter-Community schon Ende 2005 als Deutschlands größtes Lauftalent gehandelt wurde, berichtet der Berliner Sportjournalist Volker Schubert.

Sie ist die Deutsche-Meistertitel-Jägerin schlechthin, die filigrane Laufamazone „Mocki“, wie sie ihre Leichtathletik-Fangemeinde liebevoll nennt, aber auch sie, mit sich selbst vor den Fernsehkameras gern kokettierend, ebenfalls zu bezeichnen pflegt. Eine feste Größe in der deutschen Frauenleichtathletik ist die nun 36-jährige Topathletin schon seit 2005, als das nationale Langstreckenlauftalent bei damaligem Dezemberwetter den Vize-Europameistertitel bei den alt-kontinentalen Crosslauf-Meisterschaften erstritt. Viele Dutzend internationale Spitzenrennen danach und knapp zehn Jahre später, sollte 2016 ihr Schicksalsjahr werden – zudem ein richtungsweisender Lebensabschnitt. Ermüdungsbruch im Becken, so lautete im Juni vorigen Jahres die sportmedizinisch verheerende Diagnose, die allerdings gerade noch rechtzeitig gestellt wurde und so ohne großen Verzug schließlich fachmedizinisch behandelt werden konnte. Natürlich mit höchst unerwünschten sportlichen Nebenwirkungen, denn Mocki‘s Verletzung bedeutete für das leichtathletisch so bedeutsamen 2016 das kategorische wie bittere Aus.

„Niederschmetternde Diagnose“: Mocki-Aus für Rio 2016

Konkret also keine Teilnahme an den Leichtathletik-Europameisterschaften in Amsterdam inklusive Ticketverlust für die Olympischen Spiele im brasilianischen Rio de Janeiro, wo Mocki beide Male über 10.000 Meter für Deutschland an den Start gehen wollte. Inmitten des Schmerzes von einer Sinnkrise gedrängt, bohrten sich zudem Fragen, die nach Lösungen und Antworten suchten. Sportlich auf Wochen massiv ausgebremst, schoben sich Nachdenkprozesse in den Vordergrund, die nach Neuorientierung verlangten. „Ich habe mich hinterfragt, was noch kommen kann und was ich eigentlich will“, so die Sportsoldatin, die diese Lebensphase im Abstand ihrer Nachbetrachtung jetzt gleichwohl als schonungslose wie heilsame Analyse begreift. Ebenso kritisch verläuft dann auch ihre Sicht auf die der Riesenverletzung vorangegangenen zwei bis drei Jahre, wo sie sich in eine Art Laufsucht gesteigert habe. „Das war schon fast krankhaft“, so Mockenhaupt, die im Nachhinein von der Erkenntnis zehrt, dass der Langstreckenlauf noch immer „ihr Lebenselixier“ sei.

Neuorientierung in Hamburg

Zwar wolle sie nun rigoros Schluss mit ihrer Laufsucht machen, doch zum gewissen Biss, der zum Langstreckenlauf nun definitiv einmal dazugehört, will Sabrina Mockenhaupt zukünftig eine gesunde Portion Lockerheit dazugesellen. Das Laufen sei für sie auch weiterhin eine echte Herzensfreude, bei der sie die Natur genießen könne, „auch wenn es windig ist, seinen Körper spüren, Freiheit, Erholung, Entspannung“ genießen, so Mockenhaupt dies wohl tagtäglich in Geist wie Seele fühlend. Und so scheint Mocki‘s Lust am Läuferleben weiterhin ungebrochen, wie ihr Start ins Leichtathletik-Jahr 2017 mittlerweile aussagekräftig unter Beweis gestellt haben dürfte. Hier ist die DLV-Athletin nun auch räumlich auf neuen Pfaden unterwegs. So hinterlässt Mocki ihre Fußspuren jetzt auf hanseatischem Boden, denn seit Jahreswechsel ist die Welthafenstadt Hamburg Mocki’s sportives Pflaster.
Und das, obwohl die aus Siegen stammende Topläuferin eigentlich ein Landei ist, liebe sie das Wasser und könne sich auch vorstellen, später in der Hansestadt mit dem berühmten HH-Kennzeichen zu leben. Über zwei Jahre läuft der neue Vertrag mit dem LT Haspa Marathon Hamburg, wo Mocki – vormals LG Sieg – nun als Teamplayer mit ihren neuen Laufkameradinnen Agata Strausa und Jana Sussmann, einer beinharten 3.000 Meter Hindernisspezialistin, für Furore sorgen will und sich damit auch von ihrer Zeit als Siegerländer Einzelkämpferin verabschiedet hat.

„Laufen ist echt Freude“

Und weil Mocki sich ein Leben ohne Laufen überhaupt nicht vorstellen kann, ging dem 155 Zentimeter zählenden und 46 Kilogramm wiegenden Lauffloh, bei dem pure Lauflust in jeder Faser ihres Körpers zu pulsieren scheint, mit Frühlingsbeginn 2017 wieder auf nationale Titeljagd. Nicht verkrampft, denn wenn sie sie laufen ließ, die „Lust am Wettkampf“, passierten einfach „tolle Dinge“. Etwa wie 2008, bei den Olympischen Spielen im Pekinger Vogelnest, wo sie die 10.000 Meter in persönlicher Bestzeit mit 31:14,21 Minuten finalisierte. Und so rannte „Mocki“ mit dem wiedererlangt ungezähmten „Bock auf Laufen“ Ende März, zum Saisonauftakt beim 37. Berliner Halbmarathon, als beste Deutsche mit nationaler Jahresbestzeit in 72:11 Minuten zum starken Comeback, wurde international Achte und verwies ihre deutsche Konkurrentin, die Polizeibeamtin Katharina Heinig, mit weit über einer Minute Vorsprung auf den zweiten Rang.

Titel 43 und 44 und Spitzenplatz beim Europa-Cup

Anfang April folgte der nächste Paukenschlag, als die DLV-Vorzeigeläuferin in einem spannenden Duell mit Anja Scherl ihren 43. Deutschen Meistertitel kassieren konnte. Mit einer enormen Steigerung auf 1:10:54 Stunden trieb Sabrina Mockenhaupt die Regensburger Olympiastarterin Scherl bei den Halbmarathon-Meisterschaften in Hannover dann zur Bestzeit von 1:11:09 Stunden. Wegen des sonnenreichen Wetters sei das Rennen „sauanstrengend“ und der innerstädtische Zick-Zack-Parcours gewiss keine Ponyhofstrecke gewesen, so Mockenhaupt zu den angeblich so strahlend schönen Rennbedingungen an Niedersachsens Leine. Das nächste Husaren­- stück bot Mocki dann im Mai auf dem Bautzener 25 Runden-Hochleistungsbelag, als die Spikes-beschuhte Wahl-Hamburgerin bei den 10.000 Meter Bahnmeisterschaften mit 33:08,42 Minuten souverän zum Deutschen Titel rannte.

2018 will Mocki bei der EM an der Spree starten

Zudem mit über einer Minute Vorsprung zur Konkurrenz, denn ihre ärgste Widersacherin, die aufstrebende Alina Reh aus Ulm, musste zwei Kilometer vor dem Ziel wegen Muskelproblemen passen. Zwischenzeitlich ließ die ungebrochene Laufenthusiastin auch europaweit wieder aufhorchen: In Weißrussland zeigte sich die 36-jährige fast so schnell wie in besten Zeiten und präsentierte das deutsche DLV-Label beim 10.000 Meter Europacup mit der Saison-Bestzeit über 32:46,37 Minuten, als sie sich Mitte Juni in Minsk als Vierte platzierte.
Insgesamt also Stationen und Wegmarken, die in eine erfolgreiche Zukunft deuten dürften, denn 2018 will die deutsche Langstreckenlaufrepräsentantin die Nationalfarben bei den Europameisterschaften in der Bundeshauptstadt Berlin vertreten. Seit 2005 kann die Olympionikin und deutsche WM- wie EM-Topathletin nun auf bereits eine breit bilanzierte Karriere zurückblicken: So lief die Hallen-EM-Dritte von Madrid 2005 beim Berliner Halbmarathon 2009 die Siegerzeit von 1:08:45 Stunden, ist mit ihren 14:59,88 Minuten über 5.000 Meter erst die vierte Deutsche die jemals die 15-Minuten-Schallmauer durchbrach und kann auf eine Marathon-Bestzeit über 2:26:21 Stunden zurückblicken als sie 2010 in Berlin auf Rang vier finalisierte.

Text und Fotos: Volker Schubert

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