WM-Generalprobe mit Gold, Silber und Bronze

Die deutschen Fechter haben bei den Europameisterschaften in Tiflis gezeigt, was mit Courage und einem gesunden Selbstbewusstsein erreichen kann. Es sind nicht nur Gold, Silber und Bronze bei der  WM-Generalprobe, die die Zuversicht für die Leipziger Heim-Welttitelkämpfe schürt.

Neben Arrivierten wie Stabsunteroffizier (FA) Peter Joppich, Hauptgefreiter Max Hartung oder Stabsgefreiter Alexandra Ndolo standen acht Debütanten erstmals bei einer EM auf der Planche und zeigten, dass es in Deutschland neue Kräfte mit Perspektive gibt.

„Jeden Tag einen Finalrunden-Platz“ hatte sich DFB-Präsidentin Claudia Bokel zu Beginn der EM gewünscht. Fünf von sechs Waffen setzten diesen Wunsch der einstigen Weltklasse-Fechterin in den Einzeln. Einige der Athleten überzeugten besonders.

Max Hartung: Erster Einzeltitel im Säbel

„Ich habe sie heute alle rasiert“, meinte Sportsoldat Max Hartung. „Ich habe schon nach dem ersten Gefecht im K.O. gemerkt, das was geht. Wenn man vorher andere Topleute wegputzen kann, weiß man, da ist alles drin.“. Und Olympiasieger Aron Szilagyi hatte gegen den bärenstarken Dormagener im Finale keine wirkliche Chance (7:15). Für ihn hat die Goldmedaille einen besonderen Stellenwert: „Immerhin ist es mein erster Einzeltitel.“

Seit Januar bereitet er sich der 27-jährige im Bundesstützpunkt Dormagen mit seinen Clubkameraden auf die WM in Leipzig vor. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums Anfang des Jahres kann er sich nun wieder dem Fechtsport widmen, entfällt für ihn doch das Pendeln zwischen Friedrichshafen und Dormagen. Einige Fragen geisterten nach den Olympischen Spielen allerdings auch in seinem Kopf herum. „Wie geht es weiter? Wie bist Du aufgestellt? Wie werde ich gefordert? Diese Fragen habe ich mir schon gestellt“, sagte er. „Da bringt ein solcher Titel natürlich viel Selbstvertrauen und Sicherheit – und beantwortet die eine oder andere Frage.“ Bis zu den Sommerspielen in Tokio 2020 habe er sich schon festgelegt. „Ich muss mir jetzt die Bedingungen schaffen, dass ich das auch durchhalten kann und nach der Heim-WM schauen, wie es weitergeht“, sagte Hartung. Thema: Beruf und Spitzensport.

Die Aufgabe als Athletensprecher des DOSB, will Hartung fortführen. „Ich will bei der nächsten Wahl nochmals kandidieren und danach einen guten Nachfolger finden. Durch die anstehende Strukturreform im DOSB ist das Aufgabenfeld noch vielfältiger geworden. Das muss ich mit Training und Wettkämpfen gut koordinieren“, erklärte er.

Eine große Pause zwischen EM und der Heim-WM hat er nicht eingelegt, sondern zügig die WM-Vorbereitung unter anderem bei einem Trainingslager in Hennef aufgenommen. „Bis Leipzig werde ich im Training noch mal richtig Gas geben“, sagte Hartung. Sein WM-Ziel ist klar: „Man kann nur antreten, um gewinnen zu wollen, man kann nicht hingehen und sagen, ich will Dritter werden“.

Alexandra Ndolo: Leipzig im Fokus

Um einiges erleichtert dürfte Sportdirektor Sven Ressel nach dem Gewinn der Silbermedaille von Alexandra Ndolo gewesen sein. Immerhin sechs Jahre ist es her, seit eine deutsche Degenfechterin auf dem Podium bei einer EM stand. Britta Heidemann gewann 2011 in Sheffield ebenfalls Silber.

„Das ist ein geiles Gefühl“, sagte die Leverkusenerin rundum glücklich. Ein Blick auf die aktuelle Weltrangliste zeigt, dass die Medaille kaum als Zufall bezeichnet werden kann. Nicht zuletzt mit Platz zwei beim Weltcup im Mai in Rio bewies sie, in der Weltspitze mitfechten zu können.

In Tiflis hinterließ Alexandra Ndolo hinterließ starken Eindruck, focht souverän und selbstbewusst. Nacheinander schaltete sie mit Tatjana Logounova (Russland), Ewa Nelip (Polen) und Julia Beljajeva (Estland) aus, keine Konkurrentinnen, die man einfach im Vorbeigehen schlägt. Nur die Russin Violetta Kolobova war stärker und setzte sich im Finale mit 15:10 durch. „Ich denke schon die ganze Saison an die WM in Leipzig, das ist ja der Höhepunkt. Ich bin glücklich, dass es bei der EM so gut gelaufen ist“, sagte Ndolo.

Damenflorett: Als Team Bronze gewonnen

Nach dem letzten Treffer gegen Ungarn lagen sich die Tauberbischofsheimerin Feldwebel Carolin Golubytskyi, Hauptgefreiter Anne Sauer, Leonie Ebert und Eva Hampel noch auf der Finalbahn in den Armen, tanzten vor Freude. Fast wie selbstverständlich umarmten sie auch ihren neuen Coach Giovanni Bortolaso. Vergessen scheint die für die Fechterinnen unschöne Trennung von Vorgänger Andrea Magro.

Die Ungarinnen hatten in Bronze-Kampf zu keiner Zeit eine Chance und wurden von den vier Tauberbischofsheimerinnen förmlich mit 18:45 überrannt. „Ich bin sehr glücklich. Wir haben einen Schritt nach vorn gemacht. “

Jeder aus dem Quartett, dessen harmonisches Miteinander positiv auffiel, hatten einen gleichermaßen großen Anteil an der Medaille. Ob Carolin Golubytskyi als Erfahrenste oder „Küken“ Leonie Ebert. Sicher hat Bortolaso, der nach Außen oft zurückhaltend wirkt, einen mit seiner ruhigen und sachlichen Art auch einen Anteil an Erfolg. Aber er musste sie nicht wirklich antreiben. Das übernahmen die Vier auf und neben der Bahn in Eigenregie selbst.

„Das war ein herausragendes Bronzegefecht gegen die Ungarinnen und zeigt, was die Mannschaft für ein riesiges Potential hat“, meinte Ressel. Unverkennbar sei aber auch, „dass wir noch weiter arbeiten müssen, um den Abstand zu Russland und Italien zu verkürzen“.

Junge Generation meldet sich zu Wort

Akzente und Zeichen setzen auch die jungen Fechter im deutschen Team. So überzeugte die erst 17-jährige Leonie Ebert mit einem sechsten Platz im Einzel und unterstrich, dass sie zurecht als eines der großen deutschen Florett-Talente gilt. Dabei stand sie in dieser Saison vor besonderen Herausforderungen.

Neben dem Fechtsport musste sie das Abitur machen. „Ich hatte mir vorgenommen, kein Turnier auszulassen, aber auch ein gutes Abi abzuliefern“, erklärte Ebert. Zum Glück lagen ihre Abitur-Prüfungen so, dass sie diese zwischen den Turnieren absolvieren konnte: „Ich musste gut organisiert sein. Aber ich habe auch gelernt: Ohne gute Zeitplanung hätte das nicht funktioniert.“

Beachtlich war in Tiflis auch der Auftritt der deutschen Degenfechter. Nach dem Karriereende von Jörg Fiedler, Christoph Kneip und Constantin Böhm musste Bundestrainer Mario Böttcher eine komplett neue Mannschaft aufbauen. Am Ende der Suche nach neuen Fechtern entschied er sich für die jungen Lukas Bellmann (Leverkusen) und Richard Schmidt (Offenbach) sowie die zumikndest fechterisch erfahreneren Fabian Herzberg und Raphael Steinberger. Wie sich mit dem Erreichen von Platz vier zeigte: Eine vielversprechende Mischung.

Israel wurde von ihnen im Auftaktmatch mit 45:40 besiegt. Und  gegen Olympiasieger Frankreich gelang im Viertelfinale mit 45:43 ein Überraschungscoup. Danach war Russland im Halbfinale eine Nummer zu groß (30:41). Im „kleinen Finale“ fehlte ein Treffer gegen Tschechien zur großen Überraschung und Bronze. „Wir haben die Außenseiterchance genutzt. Die Jungs haben supergeil gefochten“, lobte Bundestrainer Mario Böttcher das neue Team und fügte selbstbewusst hinzu: „Wir werden in Zukunft eine Mannschaft sein, die um die Medaillen mitkämpft.“

Deutlich besser als im Vorjahr haben sich die deutschen Säbeldamen präsentiert. Nur knapp verpasste Hauptgefreiter Anna Limbach im Einzel als Fünfte anvisiertes Edelmetall. Auch vereint und trotz eines Handicaps ließen die Säbeldamen auch im Team-Wettbewerb einen deutlichen Leistungstrend nach oben erkennen.

Mit dem Trio der 21-jährigen Youngstern Judith Kusian, Lea Krüger und Ann-Sophie Kindler schaffte Limbach den Einzug in die Finalrunde. Bedauerlich war der Ausfall von Kusian, die sich im ersten Kampf gegen Weißrussland am Sprunggelenk verletzte und auch für die WM ausfällt. Mit dem achten Platz im Gesamtklassement dürfte das Quartett mit ihrem neuen Trainer Pierre Guichot zufrieden sein.

„Wir haben einen Schritt nach vorne gemacht. In jeder Disziplin gab es eine deutlich Steigerung, nicht allein durch bessere Platzierung, sondern auch in der fechterischen Darbietung“, bilanziert Ressen. Insgesamt ist ein deutlicher Aufwärtstrend zu spüren.“

Text: Olaf Wolf (Erschienen im fechtsport-Magazin)

Fotos: Augusto Bizzi

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