Pyeongchang-Fazit: „Nico Ihle hat im Weltcup bewiesen, dass er ganz vorne mitlaufen kann“

Der Freistaat Sachsen präsentiert sich offiziell in stolzer Tradition. In den historischen Zeitlinien erscheint das größte Bundesland Mitteldeutschlands bis heute stets fest verwurzelt entlang seiner jahrhundertelangen so reichhaltigen wie gestaltungsmächtigen Geschichte – trotz phasenweiser Brüche. Parallel dieses Kontinuität verkörpernden wie Leitbild stiftenden Identifikationskompasses herrscht in Sachsen seit jeher auch ein fortschrittsaffines Innovationsklima. Dieser freistaatliche Neuerergeist entfaltet sich besonders im sächsischen Erzgebirge, das sich längst als exzellente Kompetenzdrehscheibe etabliert hat, wenn es um den olympischen Wintersport insgesamt geht. Das dokumentiert unter anderem die unnachahmliche olympische Medaillenbilanz des erzgebirgischen Militärathleten und Nordischen Kombinierers Eric Frenzel nur zu eindrucksvoll, aber auch die teils ebenso grandiosen Erfolge von deutschen Topathleten im Eiskanal, bei den Sprungschanzenadlern, auf den Skijägerloipen oder im eisglatten 500-Meter-Hallenrund, die allesamt die spitzensportliche Visitenkarte Sachsens mit absolutem Weltniveau verkörpern.

Am geografischen Rande dieser so kulturverbundenen wie pittoresken Mittelgebirgsszenerie, deren wintersportliches Athleten-Mekka der Olympiastützpunkt Chemnitz/Dresden mit den Trainingszentren Oberwiesenthal, Klingenthal und Altenberg symbolisiert, liegt die Kleinstadt Frankenberg als eine von 15 Sportfördergruppen der Bundeswehr. Der Berliner Sportjournalist Volker Schubert, interviewte den Leiter der militärischen Spitzensporteinrichtung, Oberstabsfeldwebel Jan Fiedler, zur Olympiabilanz 2018, zur Weiterentwicklung der bundeswehrseitigen Unterstützungsmöglichkeiten im Spitzensport, zu neuen Laufbahn- wie Studienperspektiven sowie zur Verbesserung medizinischen Servicesupports und zur Wahrnehmungserhöhung der Bundeswehr-Spitzensportförderung in der medialen Präsenz. Jan Fiedler, der engagierte Berufssoldat rangierte bis in die 1990er Jahre hinein selbst als nationaler Leistungsträger im Skilanglauf und ist zudem waschechter Erzgebirger.

BwSpMag: Herr Oberstabsfeldwebel Jan Fiedler, die deutschen Wintersportler kehrten als globale Weltwintersportequipe Nummer zwei aus Pyeongchang auf deutschen Boden zurück, ein Erfolg der Superlative. Das macht auch Sie als ehemaliger nationaler Leistungsträger im Skilanglauf und Leiter der Sportfördergruppe gewiss sehr stolz. Und dennoch, schielen wir als Massenpublikum wie als staatliche oder als politische Akteure zu sehr auf die Medaillenausbeute und vergessen dabei die unglaublich hohe Leistungsdichte im olympischen Wintersport – schließlich glänzten unsere Eis- und Schneeelitesportler bei der Winterolympiade auch oftmals mit Top-Ten-Platzierungen, wie sehen Sie das?

Fiedler: Mein nacholympisches Resümee fällt absolut positiv aus, Herr Schubert. Sowohl für meine Sportfördergruppe hier im sächsischen Frankenberg, aber auch für die Spitzensportförderung der Bundeswehr insgesamt. Trotz der hohen Medaillendichte muss man die Leistung eines jeden einzelnen Sportsoldaten sehr genau betrachten, um die in Südkorea erzielten Leistungen jeweils richtig einzustufen. Dazu gehört auch der Blick in jenes Vorfeld, der die Bedingungen derer beleuchtet, die ohne Edelmetall nach Deutschland zurückgekehrt sind. Ich spreche da aus meiner Sportfördergruppe von Nico Ihle, den Sie ja in einer Ihrer Sportreportagen so ausdrucksvoll als Deutschlands Sachsenblitz auf dem Eis bezeichnet haben. In Pyeongchang hat der Eisschnellläufer von der Eissportgemeinschaft Chemnitz zwei Mal den achten Rang belegt, einmal auf der 500 Meter Sprintdistanz und ein weiteres Mal über die doppelt so lange Strecke, also die 1.000 Meter.
Für mich gehört Nico zu den ganz großen in der Welt des Eisschnelllaufs. Hauptfeldwebel Nico Ihle hat im Weltcup bewiesen, dass er ganz vorne um Gold mitlaufen kann. Das hat bei den diesjährigen Winterspielen an den beiden Tagen aber nicht funktioniert. Die Leistungsdichte ist im Eisschnelllauf so extrem hoch, dass zwischen Platz eins bis 15 bildlich gesprochen oftmals nur ein Blatt Papier passt. Und da ist ein Rang acht mit absoluter Hochachtung zu bewerten. Ich spreche hier aber auch von unserem Schanzenadler Unteroffizier Richard Freitag, der hervorragend in die Saison gestartet war, bei der Vierschanzentournee aber leider schwer stürzte, sich trotzdem wieder aufrappelte, sich auf gut Deutsch gesagt die Arschbacken zusammenriss und in Pyeongchang am Ende mit einer Teammedaille glänzte. Aber auch unsere Bob-Anschieber, die neben dem Piloten viel zu oft im Hintergrund stehen, erzielten Spitzenleistungen, wie die Frankenberger Bobanschieber Oberfeldwebel Candy Bauer mit Gold und Hauptgefreiter Eric Franke mit Silber.

BwSpMag: Wie sieht es mit dem Sportfachpersonal im Hintergrund aus – ich denke da an Physiotherapeuten, Trainer oder technische Supporter -, sind das auch Soldaten oder zivile Beschäftigte, die zur personellen Sollorganisation der Frankenberger Athletenschmiede gehören?

Fiedler: Ja, definitiv! Beispielsweise verfügt Hauptfeldwebel Eric Simon als Cheftechniker Skisprung über sehr hohes Knowhow, informiert sich ganzjährig über aktuelle Materialentwicklungen und Sportgeräteerprobungen oder neueste Skiwachszusammensetzungen, die ebenfalls intensiv getestet werden müssen, damit unsere Topathleten zu den Spitzenevents mit bestmöglich präparierten Skiern vom Schanzenturm durchstarten können. Die Anlaufgeschwindigkeit ist dabei der absolute Gradmesser und die Erfolge zeigen ja: die Kombination von innovativem Skimaterial und bestens trainiertem Wintersportsoldaten funktioniert oftmals überaus medaillengekrönt. Die vielfältigen Jobs, die die Techniker, die Physiotherapeuten und die Trainer, sei es etwa als Fechter- oder Skilanglauf-Instruktoren in Chemnitz, Dresden und Oberwiesenthal ebenfalls quasi im Verborgenen für die Wintersportdisziplinen wie die Sommersportarten leisten, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Einschließlich der Sportfördergruppe hier vor Ort in Frankenberg, die bei der Personalführung inklusive der finanziellen Absicherung der Militärsportler federführend ist, sind wir allesamt Rädchen einer gut geschmierten Gesamtorganisation, und da verschafft die einmalige 2018er Erfolgsbilanz natürlich ein hohes Maß an Berufszufriedenheit und Genugtuung.

BwSpMag: Beim Empfang im Bendlerblock wurde ja offiziell verlautbart, dass die Spitzensportförderung durch das Wehrressort konzeptionell auf neue Füße gestellt werden soll. Es gibt fundierte sozialwissenschaftliche Analysen, die sich in der Vergangenheit recht kritisch mit dem Untersuchungskomplex Sportsoldat beschäftigt haben und am Ende konstatierten, dass eine jahrelange, monothematische Ausrichtung auf den Hochleitungssport nach dem Ende der Sportlerkarriere tendenziell in die Perspektivlosigkeit führen könne. Dass scheint man auch im Bendlerblock erkannt zu haben. Um diesem Phänomen gegenzusteuern ist unter anderem vorgesehen, dass Ihren Athleten zukünftig ein an die individuellen Trainingsbedingungen angepasstes Sportwissenschaftsstudium angeboten werden soll. Wieweit sind diese Pläne vorangeschritten, öffnet sich dann endlich auch die Offizierslaufbahn für Militärsportler und was tut sich bei der sportmedizinischen Betreuung durch die Truppe?

Fiedler: Ja, diese Gesamtproblematik wurde aber bereits zu meiner aktiven Zeit, das ist schon eine ganze Weile her, erkannt. Damals stützte man sich im Wesentlichen auf den allgemeinen Berufsförderungsdienst. Mittlerweile haben die Spitzenathleten eine Vielzahl an Angeboten zur Aus-, Fort- und Weiterbildung im Rahmen der dualen Ausbildung zur Verfügung. Ich denke hierbei nur an die Möglichkeit des Präsenzphasenstudiums, welches es bereits seit 2010 gibt und vom Großteil der Sportsoldaten intensiv genutzt wird. Mit der im Juli 2016 zwischen Bundeswehr, DOSB und Deutsche Sporthilfe geschlossenen Kooperationsvereinbarung „Duale Karriere“ im Verbund mit den Möglichkeiten der Sportsoldatinnen und Sportsoldaten im Rahmen erworbener Berufsförderungsansprüche sowie der Gewährung von dienstzeitbegleitender Ausbildung/Studium mit individuellen Präsenzphasen sind wichtige Weichenstellungen bereits eingeleitet.

Hier gibt es für Olympia- und (Olympia-)-Perspektivkader bei der Bundeswehr schon ein geschlossenes System der „Dualen Karriereplanung“ mit den vielfältigsten Umsetzungsmöglichkeiten. Bereits jetzt studiert etwa die Hälfte der geförderten Athleten außerhalb der Bundeswehr an den diversen Hochschulen die vielfältigsten universitären Disziplinen, wie etwa Kommunikationswissenschaften, Informatik, Pädagogik oder auch Sportwissenschaft. Und das geschieht dann im Rahmen von sogenannten Präsenzphasen zwischen Training und Wettkampf. Die Idee für Bundeswehrathleten ein abgestimmtes Sportstudium einzuführen und mit sportspezifisch individueller Steuerung innerhalb der Bundeswehr anzubieten, die existiert schon seit geraumer Zeit. Dieses Sportstudium, soll innerhalb eines mehrere Punkte umspannenden Aktionsprogramms die dienstlichen Attraktivitätskriterien für unsere Bundeswehrsportler signifikant erhöhen.

Dazu gehört neben der angestrebten universitären Ausbildung nämlich auch die Zentralisierung der ärztlichen Betreuung einschließlich der engen Vernetzung von Sportverbandsärzten und Physiotherapeuten. Es wird in der Bundeswehr eine zentrale medizinische Ansprechstelle geben, die dann im Rahmen der freien Heilfürsorge für Soldaten und in Ansprache mit den Verbandsärzten das individuell optimalste Versorgungspaket zusammenstellen wird. Hinzu kommt aber auch die Schaffung von Möglichkeiten zu Verpflichtungsverlängerungen in der Mannschaftslaufbahn oder in der Feldwebellaufbahn im Spitzensportbereich, also insgesamt dienstliche Verpflichtungsperspektiven zusätzlich zu der geplanten Offizierslaufbahn mit dem Studium.

BwSpMag: Aber hier besteht doch grundsätzlich die Gefahr von erheblichen Friktionen, denn die Weiterverpflichtungen finden ja – anders als bei den Topathleten des Zolls oder den Polizeien von Bund und Ländern, die ja als Vollzugsbeamte grundsätzlich eine lebenslange Beschäftigungsperspektive vor Augen haben -, in jährlichen Bindungszyklen statt, für die die Spitzensportgremien des deutschen Fachsportverbände die Sportler-Dienstpostenbelegungen innerhalb der Bundeswehr immer wieder neu bestimmen. Was passiert, wenn sich der Bundeswehrathlet dann im mehrjährig geplanten Sportstudium befindet, sich aber erheblich verletzt und über Monate ausfällt, seitens des Verbands deswegen aus der Förderung fällt oder aber wegen fehlender Entwicklungsperspektiven vom federführenden zivilverbandlichen Fachsportgremiums nicht mehr für den Bundeswehrförderplatz nominiert wird?

Fiedler: Ja, das ist in der Tat problematisch und überaus regelungsbedürftig. Jedoch ist heute jedem Spitzenathleten bereits vor Diensteintritt in den Streitkräften bekannt, dass die Förderung durch die Bundeswehr zeitlich befristet ist und sich nach an dem sportfachlichen Leistungsprinzip orientiert. Seit vielen Jahren bietet daher die Spitzensportförderung innerhalb der Bundeswehr die bereits oben genannten Fort-, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Rahmen der dualen Kariere und unter Einbindung des Berufsförderungsdienstest an, um im späteren Berufsleben Fuß zu fassen. Diese Angebote und Unterstützungen werden von den Spitzenathleten konsequent wahrgenommen und genutzt. Entsprechende Bilanzen und Auswertungen belegen dies.
Wie die dienstlichen Sicherheitsgarantien für die genannten Fälle oder andere mitzudenkende Eventualitäten in Hinblick auf das Sportstudiums für die Athleten dienstrechtlich aussehen sollen, das ist momentan noch in der juristischen Prüfschleife. Da geht es auch um Vergütungsregelungen, aber auch rein ablauftechnischen Steuerungsbedarf, der sehr detailreich ausfallen kann. Und natürlich sind hier auch eine Vielzahl laufbahnrechtlicher Fragen vorsorglich abzustimmen, die die Rechtsabteilung im Ministerium momentan nun zu klären und zu regeln hat. Das große Ziel aber bleibt spurgetreu bestehen, Nämlich dem Spitzensportler der Bundeswehr die Möglichkeit zu eröffnen, sich am Ende der Hochleitungssportkarriere innerhalb der Streitkräfte mit seiner sportlichen Kompetenz und seiner fachlichen Erfahrung beruflich langfristig zu beiderseitigem Nutzen einbringen zu können.
An der jährlich zu entscheidenden Weiterverpflichtung in der Spitzensportförderung auf den rund 750 Sportlerdienstposten der Bundeswehr wird bis auf weiteres aber grundsätzlich festgehalten. Der generelle Plan ist indes wohl, dass, wenn der Athlet zum Sportstudium immatrikuliert ist und sein Sportförderplatz durch Verletzung oder Nichtnominierung entfällt, er in die Regelverpflichtung (stufenweise Festsetzung) als Zeitsoldat übernommen werden soll, um sein begonnenes Sportstudium und letztendlich auch die Offizierslaubahn erfolgreich abschließen zu können. Natürlich mit der übergeordneten Absicht, dass der ehemalige Spitzensportler dann seine gesamte Erfahrung als Hochleistungsathlet mit seiner wissenschaftlich fundierten Ausbildung letztlich nach dem disziplinspezifischen Karriereende mit hohem Wirkungsgrad in das System Bundeswehr ganz persönlich überführen kann.
Der Kern der Idee einer sportberufsbezogenen Beschäftigung fokussiert dabei auf den Regeldienst der Bundeswehr, also klarerweise auf das truppendienstliche Sportprogramm oder aber auch auf das neu eingeführte Betriebliche Gesundheitsmanagement. Hier soll der ehemalige Bundeswehrspitzenathlet mit seiner fachlich zertifizierten Expertise dann einen nachhaltigen wie qualitativ hochwertigen gesundheitsförderlichen und fitnessrelevanten Output erzeugen. Insgesamt eine Win-Win-Situation für beide Seiten, denn das geballte Können und Wissen des Bundeswehrsportlers geht – wie es früher der Fall war – nun nicht verloren, sondern etabliert sich später da, wo es dringend gebraucht wird: direkt bei der Truppe und exakt am Menschen, dem Soldaten, der Soldatin.

BwSpMag: Auch die Sportwissenschaft entwickelt sich ja universitär immer weiter und verästelt sich. Der klassische Diplom-Sportlehrer früherer Jahrzehnte ist längst passé. Sportwissenschaft insgesamt rückt in der Spezialisierung wie in der Generalisierung immer mehr in den Vordergrund und auch die Gesundheitsförderung mit allen ihren arbeitsplatzrelevanten- und ernährungsbezogenen Facetten sowie die Rehabilitation von Schwerverletzten oder Kriegsversehrten durch zielgruppenaffine Sportmaßnahmen ist Teil universitärer Aspekte und vielschichtiger Forschungsausrich­tungen. Was ist das für ein Studiengang, den die Bundeswehr da zukünftig für Bundeswehrathleten anbietet?

Fiedler: Ja, Ihre Wahrnehmung auf dem Feld der modernen Sportwissenschaft ist tatsächlich völlig richtig. Das Studium soll die Themenfelder Sportwissenschaft, Gesundheit, Prävention und Rehabilitation umfassen, so die Planungen aktuell. Es besteht nach meinem derzeitigen Wissenstand die Absicht, nach einem Probelauf, stufenweise, bis etwa zu 150 Studienplätze, genaue Zahlen gibt es derzeit nicht, einzurichten. Es ist aber auch ein neuer beruflicher Ausbildungsgang Trainer Körperliche Leistungsfähigkeit, kurz Trainer KLF, im Gespräch, der dann zukünftig von Feldwebeldienstgraden ausgefüllt wird und ebenso in das Gesamtpaket des in der Bundeswehr noch recht neuen Betrieblichen Gesundheitsmanagements integriert werden soll. Entscheidend für diese zweigleisig geplante Sportausbildung ist der jeweilige Bildungsabschluss, den der Bundeswehrsportler als Einstiegsvoraussetzung mitbringt. Ich könne mir vorstellen, dass hier, analog zum zivilen Bereich, das Abitur, der Hochschulabschluss, quasi die Eintrittskarte für das Studium ist und die bereits abgeschlossene Laufbahnausbildung als Feldwebel Spitzensport die Basis für die spätere Verwendungsschiene Trainer KLF bildet.

BwSpMag: Wie steht es unter diesen Aspekten eigentlich um die Weiterverpflichtung des Athleten für das militärspitzensportliche Engagement der Truppe innerhalb der bundeswehreigenen CISM-Struktur, also dem Conseil International du Sport Militaire, einer der weltweit größten Spitzensportorganisationen, die eng mit dem Internationalen Olympischen Komitee, den Vereinten Nationen und der Europäischen Union zusammenarbeitet. Konkret gefragt, wenn der Bundeswehrathlet zwar durch den Fachverband nicht mehr gefördert werden würde, innerhalb des multinational organisierten Weltmilitärsports aber durchaus noch adäquate Perspektiven aufzeigen könnte, beispielsweise als Skilangläufer oder Biathlet in der CISM-Nationalmannschaft der Bundeswehr?

Fiedler: Das ist in der Tat eine laufbahnrechtliche Perspektive, die dem aus der verbandsbezogenen Spitzensportförderung ausscheidenden Sportler dann durchaus offen steht. CISM und das ist in der breiten Öffentlichkeit ja viel zu wenig bekannt, wird innerhalb der Bundeswehr organisatorisch zu einem Großteil auch durch die Sportfördergruppen mit abgedeckt und dabei auch entsprechend personell abgesichert – sprich, in Funktionen als Teammanager, Teamkapitän oder auch als Teambetreuer. Das sind dann Kameraden, die in Truppenteilen, militärischen Dienststellen oder den Ausbildungszentren der Streitkräfte aus dem Dienstposten heraus an den Ort des jeweiligen sportorganisatorischen Bedarfs delegiert werden, um dort als CISM-Trainier oder CISM-Funktionäre zu wirken. Mit fortgeschrittenem Sportstudium, dann aber nicht mehr als aktiver Sportsoldat in einer Sportfördergruppe, bestünde phasenweise und damit studienbegleitend die Möglichkeit, disziplinspezifisch zum Beispiel als Teamkoordinator Wintersport zu arbeiten – durchaus mit der perspektivischen Absicht, diese Position nach dem Studium dann in Festbesetzung auszufüllen.
Die neuen Sportwissenschaftler, die aus dieser Studienschiene kommen werden, sollten dann in die Personalstruktur der Truppenteile integriert werden. Gewissermaßen in zentraler Aufhängung platziert, um letztlich aber in der Fläche vor Ort wirksam tätig zu werden. Das ist aber alles noch in einer gedanklich wie planerisch nicht sehr tief verdichten Vorstufe. Dass beispielsweise die Panzergrenadierbrigade 37 in Frankenberg etwa einen strukturfest eingeplanten Sportfeldwebel KLF oder Sportoffizier – beide zukünftig mit berufsfachlich fundierter oder universitärer Qualifikation – zugeteilt bekommt, das existiert hier definitiv noch nicht. Dieser Wunsch würde hier aber gewiss auf hohen Bedarf treffen, da bin ich mir aus meiner langjährigen Erfahrung als Leistungssportler, Trainer und Sportfördergruppenleiter wirklich sicher.

BwSpMag: Schauen wir zuletzt noch auf mediale Aspekte. Frau von der Leyen setzt ja sehr auf Bill-Boards mit grünkarierten Großplakaten und verstärkte YouTube-Präsenz. Das bundeswehrintern kreierte Label, Danke für 52 Prozent aller deutschen Medaillen, für die olympisch so grandios platzierten Bundeswehr-Wintersportler sucht man dort aber vergebens. Und auch die Karriere Center scheinen die Perspektive Sportsoldat beim Recruting nicht wirklich auf dem Schirm zu haben. Ist das Imagedefizit überhaupt erkannt worden und wenn ja, wie soll die mediale Lücke künftig geschlossen werden, um den Sportsoldaten mehr öffentliche Aufmerksamkeit und Anteilnahme zu verschaffen – zumal die Athleten hier auch eine Ankerfunktion besetzen könnten, nämlich für ein Mehr an Kohärenz zwischen den Streitkräften und der Gesellschaft?

Fiedler: Ja, völlig richtig erkannt, Herr Schubert! Und das ist auch ein Punkt auf der Agenda Attraktivität des Spitzensports. Die Frage lautet logischerweise: wie kann die Truppe die Erfolgsbilanz ihrer Topathleten besser vermarkten und damit eine kommunikative Brücke in die Bevölkerung hinein bauen? Das Kommando Streitkräftebasis beabsichtigt hier einen Maßnahmenplan auf den Weg zu bringen. Parallel dazu soll erstmals eine sozialwissenschaftliche Studie die Situation von Bundeswehr-Spitzensportlern genauer analysieren. Neben dieser akademischen Untersuchung müssen natürlich auch die Karriere Center stärker sensibilisiert werden, um die Besonderheiten des Spitzensports im Militär jungen Bewerbern aus den Sportkadern der Verbände darzulegen.
Neben den angesprochenen Verbesserungen im sportmedizinischen Servicebereich und den neuen Studienmöglichkeiten mit der Laufbahnöffnung zum Offizier, soll auch eine stärkere Identifizierung der Athleten mit dem Dienstherren Bundeswehr erzielt werden, Medientraining ist dabei eines der Stichworte. Aber dessen unbenommen, es gibt im Rahmen der drei großen Trendwenden Personal, Finanzen und Material hier noch viele Baustellen zu bearbeiten. Aber auch die Quasi-Trendwende Spitzensport ist eingeleitet und die Schaffung von nachhaltigen Attraktivitätskriterien wird im Sinne unseres nationalen Spitzensportförderprogramms sicherlich neue leistungssportliche wie beruflich interessante Perspektiven schaffen.

Bundeswehr Sport-Magazin: Sportlichen Dank für das informative Gespräch Herr Fiedler und maximale Erfolge Ihren engagierten Schützlingen.

Jan Fiedler: War mir eine Freude!

Die Fragen stellte der Berliner Sportjournalist und Hauptstadt-Korrespondent für Politik und Wirtschaft, Dipl. – Kfm. Volker Schubert für das Bundeswehr Sport-Magazin. Der Journalist ist lizensierter Trainer des Deutschen Leichtathletik- Verbands und ehemals national erfolgreicher Mittel- und Langstreckenläufer.

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