Athleten-Hochburg Dresden – Tief im Medaillental der Sportakrobaten

Unter den rund 750 Soldatenathleten der Bundeswehr ist Erik Leppuhner ein echter Exot. Seine ganze Leidenschaft widmet der kräftig gebaute Sachse einer echten Orchideen-Disziplin – der Sportakrobatik. Nicht olympisch und weit weg vom völlig überdrehten Medienhype um den immer wieder skandalgebeutelten Geldfußball, ist die Randsportart zu Unrecht kein Einschaltquotenbringer, denn die als Teamsport dargebotenen Choreographien sorgen regelmäßig für regen Beifall und würdige Anerkennung, wenn die Wettkämpfe und Showdarbietungen hin und wieder ans Licht der Öffentlichkeit gelangen. Seit Herbst 2019 ist der 21-jährige „Untermann“, der im akrobatischen Figurenquartett als kraftvoller Basisathlet für entscheidende Bodenhaftung sorgt, nun Sportsoldat der Bundeswehr. Ein Glücksfall, weil der gebürtige Dresdener derzeit der einzige Sportakrobat ist, der es bislang geschafft hat, in der militärischen Spitzensportförderung Fuß zu fassen.

Die in gleißendes, blau-changierendes Kunstlicht gehüllten Choreographien faszinieren, sorgen immer wieder für raumdurchdringendes Raunen, Gänsehautatmosphäre macht sich breit, die Stimmung zum Knistern gespannt, wenn sich das vierköpfige Athleten-Team des altehrwürdigen Dresdener Sportclubs 1898 mit spürbarer Leidenschaft und kunstvoller Profession in den mitreißenden Strudel beständiger Abfolgen menschengemachter Pyramidalformen begibt. Meist sind es hoch emporsteigende Menschenobjekte, die aus kraftvoll-fleischlichen Leibern gezimmert, zur garnierenden Krönung so manch herzergreifender Schlussszene einen perfekt eingedrehten Dreifach-Salto unter das Bühnendach zaubern – die blitzsauber gestandene Landung der Obermanns inklusive. Am Ende jeder Showtime beherrscht tosendes „Bravo“ den Saal.

Stolze Mutter: Anke Leppuhner unterstützt ihren Deutschen Meister auch auf internationalem Parkett.

Sportakrobatik, die anmutig Schöne

Die gekonnt orchestrierte Kommunikation zwischen effektvoller Illumination, musikalischem Flair und turnerischem Spitzenkönnen, wie sie in ihrer künstlerischen Parallelität während der jährlich obligatorischen Dresdener Sportgala immer wieder als echte Eyecatcher zu glänzen vermag, ist ein ebenso profundes wie seltenes Aushängschild, dass die Außergewöhnlichkeit sportlicher Höchstleistung in der Orchideen-Disziplin Sportakrobatik repräsentiert. Angesichts der sportlich dargebotenen Kunstfertigkeiten geradezu unausweichlich, quittiert das Publikum seine anhaltende Verzückung stets mit lautstarkem Applaus.

Einer, der dort beständig Beifall erntet, heißt Erik Leppuhner – ein waschechter Sohn der Sachsenhauptstadt. Der sogenannte Untermann, der bei den hochschwierigen Turnfiguren für das kraftvoll-stabile Fundament seiner drei Akrobatik-Kameraden verantwortlich zeichnet, trainiert unweit des Dresdener Zentrums im landschaftsromantischen Ostragehege mit seinen weitläufigen Spitzensportanlagen und Athletik-Komplexen. Offiziell firmiert die Dresdener Kaderschmiede unter den Label Olympiastützpunkt Sachsen, das neben den ostdeutschen Trainingszentren mit Leipzig und Chemnitz auch die erzgebirgischen Schneesport-Hochburgen Altenberg, Klingenthal und Oberwiesenthal integriert.

In Dresden trainiert…

Dresdens sportartübergreifende Athletenschmiede für kommende wie international erfolgreiche Elitesportler, zu der eine exklusive Leichtathletik-Halle mit 200 Meter Rundbahn, Hochleistungskunststoffbelag und überhöhten Kurven gehört, ist quasi der Arbeitsplatz von Erik Leppuhner. Wenn der Sportakrobat über den Olympiastützpunkt Dresden mit seinen facettenreich sortierten Verbandsleistungszentren fabuliert, spricht er nahezu andächtig von „seinem Trainingszentrum“, das für die Performance des Spitzensportakrobaten mit seinen Turn-, Kraft- und Athletik-Trakten längst zum gefühlten Wohnzimmer geworden ist.

Hier kann man die Nichtolympischen seines Akrobatik-Teams beim waghalsig anmutenden Figurentraining täglich über mehrere Stunden hinweg beobachten, denn das akribische Einstudieren der komplexen Choreographien kostet definitiv viel Zeit, Schweiß und Muße. Teils nur auf ihre isometrischen Kraftwerte gestützt, treibt es den Obermann von seinen drei Sportkameraden stets handlungssicher nach oben hin abgestützt auf knapp vier Meter Höhe, um dort mit reiner Körperspannung, ausgefeilter Feinkoordination wie bei formschöner Eleganz, die virtuosesten „Stunts“ und Salto-Abgänge zu vollführen.

Schulter an Schulter mit Sachsens Spitzenturnern und Turnvater Jahn´s freistaatlichen Nachwuchskadern herrscht hier im Sportbetrieb wohlige Ordnung. Der Umgang zwischen den Turnern ist von respektvoller, gegenseitiger Freundlichkeit geprägt. Disziplin, hohes sportliches Können und künstlerische Anmut beherrschen hier im gemeinsam genutzten Turnerkomplex das vorsorglich mit Matten ausgepolsterte Parkett; ganz entgegen aller willkommenskulturellen Irrungen, hier – in  einer der schönsten Herzkammern Ostdeutschlands – dürfte die Welt noch in Ordnung sein!

…in Frankenberg geführt

Spitzensportliche Planbarkeit bei gleichzeitiger sozialer Sicherheit, das waren auch die erwünschten Ankerplätze und treibenden Motive, nach denen Erik Leppuhner noch bis in den Vorjahressommer hinein suchte. Denn an ein hochprofessionelles Training, bei dem sich der Spitzensportler mit der bei Weltklasseevents beachtlichen Erfolgsbilanz voll und ganz auf seine Profession konzentrieren konnte, war bis zum Herbst 2019 in der Tat nicht zu denken. Seit November 2018 als Freiwillig Wehrdienstleistender beim Bund verdingt, war der Panzerpionier des gleichnamigen Kampfunterstützungsbataillons 701 in Gera auch Reisesportler und auf das ständige Wohlwollen seines Ex-Kompaniechefs angewiesen. Rund 130 Kilometer musste der jetzt 21-Jährige seinerzeit zurücklegen, um am Dresdener Olympiastützpunkt unter anderem sein funktionales Krafttraining absolvieren zu können.

Was für den Kraftspender in der Pyramidenbasis dauerhaften Stress bedeutete, und was schließlich in eine echte Entscheidungsphase mündete: Höre ich mit dem brotlosen Hochleistungstraining auf oder widme ich mich der beruflichen Etablierung; so jedenfalls  stand es für den Hauptgefreiten damals auf des Messers Schneide. Mit dem „Switchen“ auf Sportsoldat legte sich der Schalter eines potentiellen Karriereendes schließlich auf Neustart um. Ein Glückstreffer, den der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) wegen Eriks WM-Perspektiven 2021 schließlich erzielte. Seit rund einem Jahr DOSB-seitig nun auf die Erfolgsspur geschoben, wird der sächsische Titelsammler jetzt personell von der renommierten sächsischen Sportfördergruppe Frankenberg mit dem waschechten Erzgebirger und Ex-Topskilangläufer Jan Fiedler an der Spitze betreut und geführt.

Gefragter Untermann: In der „Vierergruppe Herren“ ist Erik (u. li.) ein echter Stabilitätsanker.

Text: Volker Schubert

Fotos: Volker Schubert; Felix Kuntoro

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