Ein Spitzenrennen gegen Fehlentscheidungen

Von Volker Schubert, Hauptstadtkorrespondent Olympischer Spitzensport

Bei der 51. Auflage des stets weltrekordverdächtigen Berlin Marathons sorgte der exzellente Langstreckenspezialist und Armeesportler im Luftwaffenrock, Hendrik Pfeiffer, gegen schwarzafrikanische Weltklassekonkurrenz bei einem absoluten Hitzerennen als erster Deutscher und schnellster Europäer für einen famosen achten Rang.

Hendrik Pfeiffer heißt der 32-jährige Armeesportler, der Ende September unter Berlins Sieges-Quadriga sein bis dato erfolgreichstes läuferisches Kunststück vollbrachte: Nie zuvor gelang es einem deutschen Eliteläufer sich innerhalb der schier unerschöpflich scheinenden schwarzafrikanischen Megakonkurrenz beim rekordstatistisch schnellsten Marathon der Welt unter den Top Ten zu platzieren. Mit der bravourösen Zeit von 2:09:14 Stunden bei nahezu hochsommerlichen Temperaturen im Ziel, vollendete der Militärathlet mit den Adlerschwingen am Revers das beste Rennen seiner über zehnjährigen Karriere, wie er gegenüber Bundeswehr Sport-Magazin mit großem Stolz in der Stimme unterstrich.

Erster Deutscher und schnellster Europäer: Hendrik Pfeiffers famosen Zieleinlauf durchs traditionswürdige Brandenburger Tor mit kämpferischer Preußen-Quadriga begleitete ein heftiges Mediengewitter.

Doch trotz des international großen Erfolgs innerhalb der berühmten sieben „World Marathon Mayors“ (Anmerkung des Autors: internationale Kooperation und Vereinigung der weltweit größten Stadtmarathons Berlin, Boston, Chicago, London, New York, Tokio, Sydney), blieb der Freude über den deutschen Spitzenplatz nur eine kurze Karenzzeit. Denn wegen der unerbittlichen, durch den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zudem rückwirkend konstituierten Normanhebungen für den DLV-Marathon-Kader auf 2:07:00 Stunden, glich das Berliner Elitelauf-Engagement des 32-jährigen einem Parcours auf Messers Schneide. Den neuen Qualifizierungsregularien zufolge sollte die im Januar 2024 beim Boston-Marathon von ihm erzielte Drittplatzierung in der Spitzenzeit von 2:07:14 Stunden für die Verlängerung der Kadernominierung plötzlich nicht mehr gelten.

Zehntausendfacher Medaillensegen: Für Hendrik Pfeiffer dennoch die ganz persönliche Erinnerung an das beste Rennen in seiner Karriere.
Deutschlandweite Sympathiewelle für Hendrik Pfeiffer

Ebenso die im September beim Berlin Marathon 2024 finalisierte Topzeit von 2:08:20 Stunden, mit der der Sportsoldat nach der internen und ebenfalls rückwirkenden Bestätigungsnorm von 2:07:50 Stunden aus dem Dezember 2024 dann um 30 Sekunden „zu langsam“ durchs Brandenburger Tor gelaufen war. Mit den rückwirkenden Zusatzqualifikationen versuchte der DLV dann auch Hendrik Pfeiffers Nichtnominierung für den WM-Marathon in Tokio zu begründen.

Mit 2:09:14 h wie von Adlerschwingen getragen: Beim Berliner Hitzeweltrekord konnte Deutschlands härtester Luftwaffensoldat sein läuferisch extrem hohes Potential mit renntaktischem Geschick optimal ausschöpfen.

Und dies, obwohl das Marathon-Ass längst die internationalen Standards der Weltrangliste für eine Tokioter WM-Teilnahme erfüllte, was sportmedial schließlich für heftige Irritationen, großes Unverständnis gegenüber der DLV-Verbandsspitze und deutschlandweite Solidarität mit dem sympathischen Militärathleten sorgte, wie das Hochschnellen der Beliebtheitswerte auf der Popularitätsskala in den sozialen Plattformen nur zu plastisch widerspiegelte. Zudem stand mit der Nichtakzeptanz seines international anerkannten Leistungs- und Gesundheitsbildes auch die Verlängerung seines Jahrestickets auf einer Planstelle in der Bundeswehr Sportförderung auf dem Spiel.

Bundeswehr Sport-Magazin Exklusiv-Interview mit Sportsoldat Hendrik Pfeiffer
Bei Uniper und Germany Athletics unter gutem Stern

Kurz vor seinem spektakulären Berlin-Marathon-Resultat interviewte der Berliner Sportjournalist Volker Schubert den ausdauerzähen Armeesportler von der Bundeswehr Sportfördergruppe Warendorf, der unter der innovativen Dachmarke „Germany Athletics“ für Düsseldorf Athletics an die Startlinie tritt und vom international aufgestellten Energieriesen Uniper als Führungsläufer im „Uniper D.Running Team“ gesponsort wird.

BwSportMag: Hendrik, ich hatte es bereits bei der Pressekonferenz angesprochen. Es gab im Verlauf des Jahres erhebliche Turbulenzen um die nationale Nominierung des dritten DLV-Marathonläufers zur Leichtathletik-WM in Tokio. Trotz Deines positiven Punktekontos bei World Athletics, dass eine Nominierung statutenkonform zugelassen hätte, ließ Dich der DLV eiskalt im Regen stehen. Die DLV-Entscheidung hast Du im Sommer sportmedial massiv kritisiert; zumal Du im Januar 2024 mit herausragenden 2:07:14 Stunden beim Boston-Marathon als bester deutscher aller Zeiten mit Bronze ins Ziel stürmtest.
Der Disput, der nach der Nichtnominierung zwischen Dir und dem DLV mit presseöffentlicher Unterstützung zu Deinen Gunsten ausgetragen wurde, mündete seitens des DLV schließlich in eine Tonalität, die in DLV-Spitzensportkreisen und von der deutschen Laufsportgemeinschaft als offen aggressives Verhalten wahrgenommen wurde. Wie gestaltet sich das Verhältnis zur DLV-Verbandsspitze aktuell, welchen Stellenwert misst Du Deiner Teilnahme am Berlin-Marathon bei: vor allem unter den Aspekten, dass Du Sportsoldat der Bundeswehr bist und hinsichtlich der Erfüllung der DLV-Kadernorm jedes Jahr erheblich unter Druck stehst, um den Spitzensportförderplatz in den Streitkräften und damit deine soziale Existenz abzusichern?

Den Waffenrock der deutschen Luftstreitkräfte trägt Hendrik Pfeiffer mit sichtlichem Stolz. Wie kaum ein anderer brennt der Eliteläufer darauf, Deutschlands Farben auf internationalem Sportparkett mit Eichenlaub und Siegeslorbeer zu veredeln.

Pfeiffer: Der DLV hat mir sehr direkt signalisiert, dass, wenn ich bis Ende Oktober nicht die Norm erreiche, dann wars das mit der Bundeswehr-Förderung. Normalerweise ist es ja schon regelmäßig üblich gewesen, dass, wenn Du vor oder in der Saison eine Operation hattest, dass es in dem Jahr durchaus einen Aufschub um ein Jahr gibt, um die DLV-Norm dann später zu erreichen. Das wurde mir jetzt aber schon vorab signalisiert, dass das nicht der Fall sein wird. Deswegen ist das für mich jetzt eine enorme Drucksituation: die 2:07 Stunden zu unterbieten oder das wars letztendlich. Die Bestzeit muss jetzt raus, das ist natürlich eine mehr als klare Drucksituation! Und das ist natürlich auch ein klares Statement nachdem, was jetzt vorgefallen ist. Ich bin sehr enttäuscht darüber.

WM-Nichtnominierung: Schlag ins Gesicht

Natürlich bin ich auch hier in Berlin, um zu zeigen, dass es ein Fehler war, mir das Vertrauen zu entziehen. Ich hoffe, das gelingt mir. Und ich hoffe natürlich auch, dass mir bei den voraussichtlich sehr warmen Wetterbedingungen nicht zu viel Zeit verloren geht. Dass ich das, was ich jetzt wochenlang sehr hart trainiert habe, dann auch auf die Straße bringen kann. Aber, es ist jetzt nicht so, dass sich das Verhältnis zum DLV entspannt hätte. Es ist einfach ein Schlag ins Gesicht und nach wie vor auch ein fatales Signal an den Nachwuchs; lieber keinen zu schicken als mich. Ich weiß nicht, was man damit vorleben möchte. Das kann ich nicht verstehen, und es hat sich jetzt bei der WM gezeigt, dass für deutsche Läufer durchaus was möglich ist.

BwSportMag: Der Vorgang beinhaltet für Dich statusentsprechend natürlich nicht nur eine existenzielle Dimension als Profisportler, sondern auch eine sehr emotionale Seite. Seitens des DLV sind da essenzielle Vertrauenskonstellationen stark beschädigt worden. Gehst Du unter diesen Voraussetzungen jetzt mit einer gehörigen Portion Wut und Aggression an den Start, was du möglicherweise mit verstärktem Kampfgeist in Zielrichtung unter 2:07 Stunden kanalisieren kannst?

Pfeiffer: Ich lasse mich grundsätzlich nicht von negativen Emotionen treiben. Ich gehe positiv an meine Ziele heran. Ich bin nach wie vor sehr enttäuscht, und das ist natürlich auch eine Motivation für mich zu zeigen, dass da Fehlentscheidungen getroffen wurden. Aber letztendlich, wenn ich jetzt nicht in Berlin performen sollte, bleibt die Fehlentscheidung dennoch bestehen. Es wäre natürlich schöner, wenn es mir hier in Berlin gelingt, wieder eine weitere Topleistung zu zeigen. Ich habe ja jetzt im Aufbau auch schon drei Rennen gemacht, bei denen ich so schnell wie nie zuvor war. Und das zeigt ja auch deutlich, dass ich jetzt vernünftig gearbeitet habe und eine entsprechend hohe Form habe. Der Marathon, klar, die Wahrscheinlichkeit zur Spitzenleistung ist daher höher als sonst, aber es ist ja auch immer wieder Marathon, da gelten neben der Form halt ganz besondere Gesetzmäßigkeiten.

BwSportMag: Was die Spitzensportförderung durch den DLV und entlang der klassischen Vereinslandschaft betrifft, regnet es regelmäßig scharfe Kritik. Unter anderem durch die Leipziger 1.500 Meter Mittelstrecken-Koryphäe Robert Farken, der jetzt quasi in die USA ausgewandert ist, um unter hochprofessionellen Rahmenbedingungen und finanziell abgesichert trainieren und studieren zu können. Nach Deiner großen Enttäuschung und dem Missmanagement hinsichtlich Deiner Laufteam-Ambitionen beim TK Hannover, startest Du seit 2025 für Düsseldorf Athletics.

Außerdem wirst Du von dem Energiekonzern Uniper unter dem Label Uniper D.Running Team gesponsert. Was verbirgt sich hinter dieser laufsportaffinen Konstellation und verkörpert Dein Düsseldorfer Verein, der zur neuen, innovativen Dachmarke Germany Athletics gehört, ein Konzept, dass für die professionelle Weiterentwicklung der Leichtathletik und des Laufsports ein richtungsweisendes und zukunftsträchtiges Projekt darstellt; wohin bewegt sich da Deine Sicht und Einschätzung?

Pfeiffer: Nachdem in Hannover der zunächst zugesagte Aufbau eines Laufteams nicht funktionierte, was für mich die zentrale Enttäuschung war – sportlich habe ich mich in Hannover dennoch durch viel Eigenengagement weiterentwickelt und bin Bestzeiten gelaufen – stand der letztlich seitens des TK gescheiterte Laufteam-Aufbau wie auch weiterhin, für mich immer im Vordergrund. Diesen Neustart wage ich jetzt für mich in Düsseldorf noch einmal mit dem Uniper D.Running Team zusammen, die den Düsseldorf-Marathon zusammen mit D-Live Sports unternehmerisch tragen und unterstützen. Das ist eben mein nächster Anlauf, um so etwas erfolgreich umzusetzen. Es sieht jetzt auch sehr gut aus!

Frontläufer im Uniper D.Running Team mit professionellem Coach

Hier am Rhein haben wir jetzt den richtigen Partner an Bord und daneben noch eine sehr sinnvolle Kooperation mit Düsseldorf Athletics, wo eben auch unser Startrecht liegt. Mit Claus Dethloff, dem Initiator und Chef von Germany Athletics ist jemand mit im Spiel, der aus dem Ruder gelaufene Dinge unbedingt zum Positiven verändern will. Claus Dethloff ist ein Sportmanager, der ebenso wie ich, disruptiv denkt. Und disruptives Denken ist das, was wir brauchen, um die Leichtathletik in Deutschland wieder voranzubringen und vor allem solchen Situationen vorzubeugen, dass viele Spitzenathleten wegen der schlechten Bedingungen ins Ausland, in die USA, abwandern.

BwSportMag: Schafft es das neuartige Talentsichtungs-, Spitzensportförder- und Eventkonzept, dass hinter Germany Athletics steht, so etwas wie eine echte Aufbruchstimmung ins Land zu tragen, und ist das offensichtlich sehr schillernd gedachte Liga-Konzept aus Deiner Sicht das richtige Format, um die Straßenlaufszene und die Leichtathletik als olympische Kernsportart Nummer eins deutlich stärker und mit nachhaltiger Kohärenz an das deutsche Sportpublikum zu binden?

Pfeiffer: Das ist einer dieser disruptiven Gedanken, der hier intensiv und kreativ zu verfolgen ist. Ob es am Ende funktioniert, wird sich beweisen müssen, aber das aus meiner Sicht definitiv vorhandene Potential muss letztlich medial sehr zielgerichtet aktiviert werden. Grundsätzlich ist der Gedanke ja der, in der Leichtathletik über das Jahr hinweg wiederkehrende Ereignisse zu liefern. So wie beim Fußball, wo es eben wöchentliche Spiele gibt. Das gibt es in der Leichtathletik in dieser Form bisher eben nicht. Da gibt es immer das eine Highlight im Jahr, auf das man ewig hinarbeitet. Und der Gedanke, spannungsgeladene wiederkehrende Ereignisse zu schaffen, ist daher grundsätzlich schon sehr sinnvoll.

Germany Athletics heißt Leichtathletik disruptiv und progressiv denken

Deswegen finde ich es auch sehr wichtig, dass diese Idee jetzt konsequent verfolgt wird. Ich erachte das auch als zwingend notwendig, um der Leichtathletik ein neues Gesicht zu verschaffen, auch wenn das für mich nicht ausschlaggebend war, um zu Düsseldorf Athletics zu wechseln. Mit Düsseldorf Athletics und dem Uniper D-Running Team geht es vor allem darum, einen sinnvollen Partner gefunden und an der Seite zu haben, der ebenfalls disruptiv denkt, was ich mir ebenfalls auf die Fahnen schreibe.

BwSportMag: Hendrik, ich wünsche Dir für Deinen Berliner Marathon-Sonntag im Namen von Bundeswehr Sport-Magazin mit Esther als emotionale Rückendeckung an der Piste maximale Drehzahlen in Richtung 2:07 Stunden.

Mit Kamera, spitzer Feder und schnellen Sportlerbeinen: Der Berliner Politik- und Sportjournalist Volker Schubert, ehemals national erfolgreicher Leichtathletik-Amateur und DLV-Lizenztrainer, schreibt über Deutschlands Sportsoldaten als Korrespondent Olympischer Spitzensport exklusiv für das Bundeswehr Sport-Magazin.

Pfeiffer: Danke Dir. Ich freue mich schon auf Deine spannende Marathon-Reportage, und wir sehen uns spätestens beim Dresdner Marathon Ende Oktober wieder, diesmal mit Esther beim Rennen auf der 21 Kilometer Halbdistanz.

Esther und Hendrik Pfeiffer, sind Deutschlands Läufer-Traumpaar.
Die Fragen stellte Volker Schubert, Hauptstadtkorrespondent Olympischer Spitzensport, exklusiv für Bundeswehr Sport-Magazin.
Henrik Pfeiffer im sportredaktionellen Marathon-Nachbrenner

Wohl dem grandiosen Sportpresseecho und der medialen Intervention zahlreicher Sportkommentatoren nach seinem glanzvollen Berlin Marathon Auftritt geschuldet, verlängerte der DLV die Kadernachnominierung für Hendrik Pfeiffers schließlich bis zum Jahresende 2025. Eine „Gnadenfrist“, die für den „Germany Athletics-Läufer“ gut zwei Monate nach dem Berlin-Spektakel erneut zu einem Gang nach Canossa führte, um das sportjuristisch umstrittene Rückwirkungs-Abo für ein erneutes Jahresticket in die Bundeswehr Spitzensportförderung im Weltklasseformat einzulösen.

Hendriks Valencia-Qualen enden nach 2:06.46 Stunden!

Was dem Sportsoldaten kürzlich unter persönlich widrigsten Wettkampfbedingungen schließlich auch gelang! Anfang Dezember stellte Hendrik Pfeiffer beim Marathon im spanischen Valencia mit 2:06.46 Stunden, eine fabelhafte Bestzeit auf und sicherte sich damit den Verbleib in der Sportfördergruppe – vorerst! Es war das „härteste Rennen“ seines Lebens, wie er Bundeswehr Sport-Magazin mutig offenbarte. Mehr Hintergrund zur brutal anmutenden Dramatik seines Valencia-Rennens erfahren Sie demnächst auf unserer Homepage.

  • Text und Fotos: Volker Schubert