„Berlin fliegt!“ Kampf um die Lufthoheit am Brandenburger Tor

Überflieger. Moskau-Weltmeister Stabsunteroffizier Raphael Holzdeppe sprang bei „Berlin fliegt!“ als Bester „übers“ Brandenburger Tor.

Überflieger. Moskau-Weltmeister Stabsunteroffizier Raphael Holzdeppe sprang bei „Berlin fliegt!“ als Bester „übers“ Brandenburger Tor.

Die Airshow am Brandenburger Tor glich einem Spitzenkrimi. Zwei Mal schon siegte Deutschland beim Hauptstadtduell internationaler Weltklassespringer. Ende August, kurz nach der Leichtathletik-Weltmeisterschaft in Moskau, hieß es für drei deutsche Topathleten Kampf um den Hattrick. Erstmals griff Deutschlands 5,90 Meter-Überflieger und frisch gebackener Leichtathletik-Weltmeister, der Stabsgefreite Raphael Holzdeppe, in die faszinierenden Höhenduelle ein.  

„Berlin fliegt!“, lautete das Motto des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) Ende August direkt unter der pittoresken Säulenarchitektur des Brandenburger Tors – mittlerweile in der dritten Auflage und bei allerbestem Kaiserwetter. Den Pariser Platz hatten die DLV-Macher der sich zur Tradition mausernden Leichtathletik-Airshow quasi zur Runway für eine Topequipe internationaler Stabhochspringer und „Longjumper“ umfunktioniert. Neben Public Viewing der Spitzenklasse bot die exklusive Hauptstadtadresse jeweils zwei Startbahnen und Landeplätze, die für die Zuschauer von einer Schnellbauarena eingerahmt wurden, an.

Für die Springerphalanx deutscher Leichtathleten ging es um viel, stand doch der mögliche Hattrick ganz oben auf der DLV-Wunschliste. Schließlich hatten die sprunggewaltigen DLV- Taktiker 2011 wie 2012 jeweils vor Frankreich, Russland und den USA ganz oben auf dem Treppchen gepunktet. Die Erwartungshaltung für einen erneuten Sieg schien nicht unbegründet, denn mit dem Bundeswehrsportsoldaten, dem in Moskau frisch gekürten Stabhochsprung-Weltmeister Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken), schickte Deutschland absolute Weltklasse auf die nur 50 Meter lange Startbahn.

Wachablösung in der Reserve: „Bäumchen wechsle dich“, hieß es dieses Jahr unterm Brandenburger Tor. Dominierte letztes Jahr noch Top-DLV’er Björn Otto (links) die Konkurrenz, setzten die DLV-Strategen diesmal ganz auf die Sprungkraft des frisch gebackenen Weltmeisters Stabsgefreiter Raphael Holzdeppe.

Wachablösung in der Reserve: „Bäumchen wechsle dich“, hieß es dieses Jahr unterm Brandenburger Tor. Dominierte letztes Jahr noch Top-DLV’er Björn Otto (links) die Konkurrenz, setzten die DLV-Strategen diesmal ganz auf die Sprungkraft des frisch gebackenen Weltmeisters Stabsgefreiter Raphael Holzdeppe.

Holzdeppe kampfeslustig

Doch auch Holzdeppes DLV-Teamkameraden im Weitsprung, das schnellkräftige Mixed-Duo mit Sosthene Taroum Moguenara (TV Wattenscheid 01) und Christian Reif (LC Rehlingen), bot ebenso schwergewichtige Gegner für die wiederum in gleichen Nationaltrikots antretende Konkurrenz. Hier trafen die DLV-Besten unter anderem auf die amerikanische Weitsprung-Weltmeisterin Brittney Reese, den Stabhochspringer Jeremy Scott sowie auf die russische Topweitspringerin Darya Klishina. Frankreich präsentierte im Stabhochsprung Valentin Lavillenie – den talentierten Bruder des Olympiasiegers Renaud Lavillenie.

Holzdeppe präsentierte sich besonders kampfeslustig. „Im letzten Jahr war ich noch Ersatz. Diesmal will ich von Beginn an angreifen“, so der Moskauer Überflieger vor Hauptstadt-Airshow gegenüber Sportjournalist Volker Schubert. Die hohe Motivation brauchte der Stabsgefreite von der Sportfördergruppe der Bundeswehr auch, denn mit dem Franzosen war ein überaus streitbarer Gegner an Start. Nach mehreren Durchgängern gelang es Titelverteidiger Deutschland, dass alle drei DLV-Starter zumindest einmal die volle Punktzahl, mit vier Zählern gewertet, erzielten. Dabei setzte Holzdeppe alles auf eine Karte und ließ pro Durchgang stets die größte Höhe auflegen.

Guthabenbuchung: DLV-Weitsprung-Ass Christian Reif legte eine formidable Flugserie hin.

Guthabenbuchung: DLV-Weitsprung-Ass Christian Reif legte eine formidable Flugserie hin.

Franzosen erringen Lufthoheit am Pariser Platz

Doch die Rechnung ging nicht auf: Holzdeppe, der wie seine Konkurrenz mit böigen Winden zu kämpfen hatte, gelang letztlich – wenn auch mit bester Tageshöhe 5,53 Meter – nur ein gültiger Versuch. Offensichtlich weniger windanfällig, wuchs Topweitspringer Christian Reif wegen der „tollen Kulisse“, wie er nach dem Wettkampf sagte, über sich hinaus und landete bei allen seinen Sprüngen jeweils deutlich vor der Konkurrenz mit voller Punktzahl. Beachtenswert war sein letzter Sprung. Da gelang es dem LC Rehlinger den Franzosen Kafétien Gomis, der wegen des verkürzten Anlauf dennoch beachtliche 7,78 Meter vorgelegt hatte, mit einer Tagesbestweite von 7,83 Metern klar zu kontern.

Sosthene Taroum Moguenara gelangen vier gültige Weitsprünge. Im dritten Durchgang ihrer Disziplin erzielte die Wattenscheiderin 6,27 Meter und lieferte innerhalb der starken Konkurrentinnen ein beachtliches Sprungrepertoire ab. Dennoch, das Gesamtergebnis reichte nicht zu Hattrick. So landete das DLV-Trio mit 26 Punkten vor Russland und den USA schließlich dem zweiten Rang. Frankreichs Siegerteam katapultierte sich mit 31 Punkten nur zu deutlich an die Spitze, denn die starken Franzosen boten – wohl weniger risikofreudig agierend – eine dicht  geschlossene Mannschaftsleistung. Holzdeppe, der 23-jährige Sportsoldat kommentierte den Wettkampfverlauf im Anschluss: „Wir hätten gerne gewonnen, aber beim nächsten Mal dann wieder“.

Vabanquespiel über der Latte: Böigen Winde vereitelten so manchen aussichtsreichen Versuch.

Vabanquespiel über der Latte: Böigen Winde vereitelten so manchen aussichtsreichen Versuch.

Brandenburger Tor bot Spitzenkulisse

Mit ihrer dritten Auflage konnte die Team-Challenge „Berlin fliegt!“ wieder vollauf begeistern. Worin DLV-Präsident Clemens Prokop den erneuten Beweis für die erfolgversprechende Ausrichtung kommender Spitzenevents erblickte: „Berlin  bietet für die Leichtathletik beste Voraussetzungen. Deshalb wollen wir auch die EM 2018 nach Berlin holen.“ Zudem eine vortreffliche Werbung für die Leichtathletik, denn Hunderte Fans und zunächst noch vorbeiziehende Touristen konnten die Spitzensprünge auf der Tribüne des Pariser Platzes kostenlos und mit viel Begeisterung verfolgen. Auch das ARD schenkte dem Toppevent am Nachmittag eine halbstündige TV-Bühne. Das sommerliche Wetter tat das Übrige: Verwandelte Berlins altehrwürdiges Wahrzeichen in eine Gänsehaut versprühende Kulisse. Weltklasse-Leichtathletik im Lichte der Quadriga steht aber auch für die von SED-Diktatur, Mauer und Stacheldraht befreite Metropole, in der seit dem 09. November 1989 ausschließlich menschliche Leistungsgrenzen zählen – so wie sie klassischerweise vom olympischen Schneller-Höher-Weiter verkörpert werden.

 

Gesamtwertung:

Frankreich: 31 Punkte
Deutschland: 26
Russland:  19 Punkte
USA: 17 Punkte

 

Einzelergebnisse:

Weitsprung Frauen

Sosthene Taroum Moguenara/GER     5,78 (-1.0) 6,15 (0.6) 6,27 (-0.7) 5,60 (-0.5)
Brittney Reese/USA                                6,18 (-1.4) X (0.6) X (-2.5) 6,38 (0.0)
Darya Klishina/RUS                                 5,99 (-1.2) 6,38 (-0.1) 6,20 (-1.8) 6,29 (-0.3)
Eloyse Lesueur/FRA                                6,35 (-1.1) 6.26 (-1.3) 6,24 (-0.1) 6,44 (-2.1)

Weitsprung Männer

Christian Reif/GER                                    6,99 (-0.8) 7,56 (-1.9) 7,67(-0.6) 7,83 (-1.2)
Will Claye/USA                                          6,86 (-0.9) 7,33 (-1.7) 7,26 (-0.8) 7,42 (-0.1)
Alexandr Petrov/RUS                               7,30 (0.0) 7,44 (-2.8) 7,36 (-1.5) 7,47 (-2.5)
Kafétien Gomis/FRA                                7,51 (0.7) 7,50 (-2.0) 7,63 (-1.0) 7,78 (-1.1)

Stabhochsprung

Raphael Holzdeppe/GER                         O(5,53) X (5,55) X (5,55) X (5,55)
Jeremy Scott/USA                                    O (5,20) O (5,21) X (5,22) X (5,22)
Sergey Kucheryanu/RUS                         X (5,22) X (5,33) X (5,35) X (5,35)
Valentin Lavillenie/FRA                           X (5,32) X (5,35) O (5,35) X (5,40)

 

O = Wertung / X = keine Wertung

Text: Dipl.-Kfm. Volker Schubert

 

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