Deutsche Frauen gewinnen den Titel: 25. Kendo-Europameisterschaften in Berlin

„Weg des Schwertes“ führte in die HauptstadtKendoEM_BERLIN 04-2013 (70)

Mit faszinierenden Stockgefechten machten rund 300 Athleten aus 40 Nationen Mitte April auf die japanische Traditionssportart Kendo aufmerksam. In einer Vielzahl von Einzel- wie Team-Duellen wurden Europas beste Kendoka ermittelt. Die Kendo-EM fand nun schon zum dritten Mal an der Spree statt – am Ende mit einer beachtlichen Erfolgsbilanz für Deutschland. Kendo, in den japanischen Streitkräften als  militärsportliche Pflicht und ausgefeilte Kampfkunst ausgeübt, könnte mit seiner kampfsportlichen Fassettenfülle auch das Training deutscher Soldaten bereichern. KendoEM_BERLIN 04-2013 (115)
Die Atmosphäre des lautstarken Unterfangens in der Max-Schmeling-Halle geht unter die Haut. Von vier Wettkampfflächen tönt konzentriertes Kampfgeschrei. Die internationalen Kontrahenten liefern sich beeindruckende Gefechte mit dem traditionellen japanischen Bambus-Schwert. Mit dem „Kiai“ soll vor allem der unbedingte Wille zum bewussten Treffer hörbar zum Ausdruck kommen, so der Pressesprecher des Deutschen Kendobundes (DKenB), Claus Tanzten. In Deutschland gibt es derzeit rund 4.000 aktive Kendoka. Mit der EM in Berlin setzt der DKenB allerdings auch auf mehr Öffentlichkeitswirkung und erhofft sich davon eine Sogwirkung von der auch die Bundeswehr profitieren könnte. Eine erste freie Kendo-Gruppe von Bundeswehrangehörigen gebe es in einer mecklenburg-vorpommerschen Kaserne, hieß es dazu seitens des DKenB. Das könnte langfristig die Keimzelle für ein Stützpunktsystem innerhalb von Großstandorten sein.
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Deutsche Frauen auf dem Treppchen

Das 29-köpfige Wettkampfteam des Deutschen Kendobundes zeigte sich sehr erfolgreich. Bei den Frauen wurde die 24-.jährige Safiyah Fadai ihrer Favoritenrolle gerecht und kann sich nun Kendo-Europameisterin nennen. Ebenso siegreich präsentierten sich die deutschen Frauen in der Teamwertung, wo sie ihren EM-Titel voller Freude verteidigen konnten. Bei den Männern gewinnt der Italiener Giuseppe Giannetto, der im spannenden Einzelfinale den Franzosen Koichi Nakabayashi besiegte. Den dritten Platz teilten sich der Brite Andrew Fisher  und der Ungar Sandor Dubi.

2014 wird Frankreich die austragende EM-Nation sein.

Von Volker Schubert


Der Weg des Schwertes – Die Geschichte des Kendo

Gut gerüstet in den Kampf
In ein martialisch anmutendes Outfit gehüllt, tragen die Protagonisten eine Kampfbekleidung, die vor rund 250 Jahren entwickelt und seitdem kaum verändert wurde. Die Rüstung besteht aus einer robusten Maske („Men“), gepolsterten Handschuhen („Kote“), dem Brustpanzer („Do“) sowie aus einem dreigliedrigen Schurz, der die Hüften sowie die Geschlechtsteilregion schützt. Unter der Rüstung sind die Wettkämpfer mit einer reißfesten dunkelblauen Jacke (Keiko-gi) und mit einer stoffgleichen, sehr weiten Hose bekleidet. Besonders augenfällig ist dabei der markant gestaltete Gefechtshelm, der den gesamten Kopf umschließt und im Kehlkopfbereich über eine stabile Zunge verfügt, welche die sensible Halsregion schützt. Das Gesichtsfeld des Helms besteht aus mehreren horizontalen Metallstäben und einer Vertikalschiene und lässt somit genug Blickkontakt zu, um den Gegner ständig im Visier zu behalten.

Präzision und Formvollendung führen zum Sieg
Die schlagkompensierende Kampfausrüstung ist auch zwingend notwendig, denn die Schläge mit dem Shinai – dem rund 500 Gramm schweren, aus vier Bambusstäben gefertigten Schwertersatz, der vor den Händen über ein schützendes Stichblatt (Tsuba) und an der Spitze über einen Lederprotektor (Sakiga-wa) verfügt – werden mit vollem Körpereinsatz ausgeführt. Ziel ist es, den Gegner binnen drei bis fünf Minuten mit zwei treffgenauen „Ippon“ auszuschalten. Sieger wird auch derjenige, der am Ende der Gesamtkampfzeit mit einem Punkt führt. Gültige Treffer sind ausschließlich präzise Schläge auf die komplette Schutzausrüstung bei der neben aufrechter Körperhaltung auch der vordere Fuß fest auf dem Boden stehen muss. Im Einzelnen zählen also zentrale wie seitliche Kopftreffer, Stiche zur  Kehle und Schläge auf den Rumpf, die Unterarme und die seitliche wie vordere Beckenregion zu den Wertungstreffern. Einen Ippon gibt es aber nur, wenn die Wettkämpfer – die Kendoka – neben taktischem Geschick auch mit formvollendeter Technik brillieren. Über Sieg oder Niederlage wachen drei Kampfrichter, die die gültigen Wertungen jeweils mit kleinen Fähnchen anzeigen.

Ohne Abstriche der japanischen Samurai-Tradition verpflichtet
Ursprünglich ist Kendo eine Sportart, die sich aus der blutigen Realität der zahlreichen auf der japanischen Halbinsel stattgefundenen Provinzkriege entwickelte. Seit Jahrhunderten trainierte Japans kämpfende Elite, die Kriegerkaste der Samurai, den Gebrauch des Schwertes (Katana) in Form des Kenjutsu – einer rein militärisch-technischen Trainingsform. Im 16. Jahrhundert kämpften verschiedene Fürsten in einem Bürgerkrieg um die Vorherrschaft in Japan. Einer von ihnen, der Feldherr Tokugawa Ieyasu, machte es sich zum Ziel, die vom Krieg zerrissenen Provinzen zu befrieden und das Land zu einen. Tokugawa Ieyasu wuchs in der strengen Tradition der Samurai auf.

Diese berittenen adligen Krieger mussten Politik, Philosophie und Taktik ebenso meistern wie die Kampfkunst. Ihr Handeln war einem strengen Ehrenkodex unterstellt. Die Perfektion ihrer Reitkünste, die Rüstungen, die leicht genug waren, um sie im Kampf beweglich zu halten, und nicht zuletzt die legendären Schwerter machten die Samurai zu tödlichen Gegnern. Das Samuraischwert, das Katana, galt als Seele des Kriegers, rasiermesserscharf und unzerbrechlich. Wer es verlor, war für immer entehrt. Es musste mit höchster Sorgfalt gefertigt werden. Nur ein bestimmter Stahl, nur die angesehensten Schmiedemeister kamen für seine Herstellung infrage, die bis zu sechs Wochen dauern konnte und eine Vielzahl aufwendiger Arbeitsschritte umfasste.

Das Schwertschmieden – Kunst und Meisterschaft
Noch heute wird das Erz zunächst im Schmelzofen aus dem Gestein gelöst und zum Rohbarren geformt. Dann werden alle Unreinheiten aus dem Barren herausgeschlagen, um ihn flach zu schmieden. Immer wieder erhitzt der Schmied das Eisen sorgsam in glühender Holzkohle. Schließlich schlägt er das flache Eisen viele Male um, sodass bis zu 30.000 hauchdünne Lagen entstehen. Unter ungezählten Wechseln zwischen Ofen, Amboss und Wasserbecken wird der Stahl gehärtet. Die Klinge besteht zuletzt aus einem weicheren Metallkern, den ein Mantel aus geschichtetem Stahl umhüllt. Besondere Aufmerksamkeit gilt dann der Schneide und der Spitze. Sie lassen sich messerscharf schleifen. Immer wieder werden sie poliert, bis sie zuletzt in feiner Maserung glänzen. Oft setzt am Ende der Schmied sein Zeichen auf die Klinge, doch erst der Samurai, dem er das Schwert angefertigt hat, gibt ihm einen Namen.

Machthöhepunkt und Kulturblüte: Japan im 16. Jahrhundert

Militärführer Ieyasu galt nicht nur als hervorragender Schwertmeister, er zeichnete sich auch durch politisches Geschick und die genaue Kenntnis seiner Gegner aus. Im Jahr 1600 versammelte er in Sekigahra das größte Samuraiheer der Geschichte zu einer Schlacht. Durch kluges Taktieren zog er einen Gegner auf seine Seite. Am Ende triumphierte Tokugawa Ieyasu und vereinte Japan unter seiner alleinigen Herrschaft: Als er sich 1603 vom Tenno den Titel Shogun verleihen ließ, endete die „Zeit der streitenden Reiche“, und es begann eine 250 Jahre dauernde Epoche innerer wie äußerer Stabilität. Zum Regierungssitz wählte der Shogun ein kleines Fischerdorf mit einer Festung: Edo. Heute heißt die Stadt Tokio. Um das Jahr 1700 war sie mit einer Million von Einwohnern die größte Stadt der Erde. Ein unbekanntes Weltwunder. Denn um die Machtverhältnisse zu erhalten, schottete sich Japan unter seinen Nachfolgern vollständig ab.

Der langjährige Friede sorgte für eine Blüte der Kultur und Wissenschaft, die von den Samurai getragen wurde. Eine strenge Gesellschaftsordnung schweißte die verschiedenen Fürstentümer zusammen. Die Samurai genossen im feudalen Japan fast uneingeschränkte Rechte. Befand ein Angehöriger der Kriegerkaste einen Bürger etwa als respektlos, hatte er das Recht, ihn auf der Stelle zu exekutieren. In den Zeiten des Friedens wurden die Samurai Teil der neu geordneten Verwaltungsbeamtenschaft. Ihre Kampftechniken blieben erhalten und wurden zur Kampfkunst verfeinert. 1853 schließlich endet die selbst gewählte Isolation des Landes, als amerikanische Kriegsschiffe die Öffnung japanischer Häfen erzwingen. Im Kendo, dem modernen Schwertkampf, lebt der Kampfgeist der Samurai als Sportart bis heute fort.

Der Weg des Schwertes lebt in Japans Polizei und Militär weiter
Bereits um 1573, nach dem Ende der Muromachi-Zeit, die wurden die einheitlichen Grundlagen für das moderne Kendo gelegt, wie sie noch heute existieren. So führte das 16. Jahrhundert neben einer politischen Konsolidierung auch zu einer alljapanischen Kendo-Philosophie, in der sämtliche ethischen und religiösen Einflussfaktoren zu einem einheitlichen Kampfkunstsystem verschmolzen. Seither gilt der Weg des Schwertes als eine Charakter, Geist, Körper und Seele formende Weltanschauung. Das Schwert wir dabei als Mittel zum Zweck betrachtet.

Wie die All Japan Kendo Federation 1975 konstituierte, soll der Kendoka über den Weg des Schwertes fähig werden „sein Land zu lieben, zur Entwicklung der Kultur beitragen sowie Frieden und Wohlergehen unter allen Völkern fördern“. Rund zwei Millionen Aktive zählt die japanische Kendo-Bewegung.

In der japanischen Polizei und in den japanischen Selbstverteidigungsstreitkräften gehört Kendo zum dienstlichen Pflichtprogramm. Der Wert des Kendo ist mittlerweile aber auch regelmäßiger Bestandteil des Schulsports und wird ab der dritten Klasse unterrichtet.

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