„Die Soldaten setzen sich ein Zwölfmonatsziel mit „Event“-Charakter“

HK1_5068_SnapseedHauptmann Julian Tatje ist Trainer und Therapeut in der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf. Seit März 2012 arbeitet der 29-jährige Sportwissenschaftler in der Gruppe „Sporttherapie nach Einsatzschädigung“ und betreut dort behinderte Sportler. Menschen, die hierher kommen, sind Einsatzversehrte oder Soldaten, die durch Krankheit oder Unfall mit Behinderungen kämpfen müssen. Hauptmann Tatje unterstützt die Athletinnen und Athleten bei der systematischen Bewegungstherapie und begleitet sie auf ihrem Weg zu den CISM Leichtathletik-Europameisterschaften.

Wie sieht so ein Trainingsplan für die Kriegsversehrten aus?

Wir führen hier verschiedene Lehrgänge für einsatzgeschädigte Soldaten durch, dabei unterscheiden wir nicht, ob eine Verletzung der Seele oder des Körpers vorliegt. Den Trainingsplan stimmen wir auf die Verletzung des einzelnen Soldaten ab. Wir haben Lehrgänge für maximal vier Teilnehmer, da können wir sehr individuell mit dem Einzelnen arbeiten. So hat zum Beispiel jemand, der frisch operiert ist, hier die Möglichkeit, zugleich physio- und sporttherapeutisch betreut zu werden. Bei den größeren Lehrgängen liegt der Schwerpunkt vor allem beim körperlichen Training, unter anderem beim Aqua-Jogging, in der Kräftigungsgymnastik, beim Bogenschießen, Klettern oder Radfahren.

Gibt es Soldaten, die immer wieder hierher kommen?

Das Konzept ist ein Langzeitkonzept, der Lehrgang ist im Prinzip nur der Beginn. Das Ziel ist, den Kameraden letztlich langfristig zu betreuen, das heißt, der Soldat kommt in regelmäßigen Abständen wieder. So überprüfen wir die Entwicklung der körperlichen Leistungsfähigkeit und arbeiten daran, diese zu verbessern. Dazu gehören das Körpergewicht, der Blutdruck und Kraftdaten. Wir betreuen immer noch Soldaten, die schon beim ersten Pilotlehrgang im September 2011 hier teilgenommen haben. Aber wir bekommen auch jeden Monat neue Soldaten – sowohl Menschen, die aufgrund ihrer Einsätze an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) oder einer Traumafolgestörung leiden – als auch körperlichversehrte, verletzte, verunfallte Kameraden. Bislang haben wir mit etwa 70 Soldaten trainiert.

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Betreuen Sie die Soldaten auch an ihren Heimatorten?

Im Kern betreuen wir die Soldaten in Warendorf, weil wir hier die optimale Infrastruktur der Sportschule nutzen können. Wir haben eine hervorragende medizinische Versorgung durch das Sportmedizinische-Institut und entsprechende Untersuchungsmöglichkeiten wie ein eigenes Labor mit Leistungsdiagnostik, Herzecho und Röntgenapparat. Wir arbeiten fachübergreifend mit den Patienten. Wir betreuen, aber auch über die Lehrgänge hinaus per Telefon oder E-Mail. So schicken die Soldaten uns unter anderem Trainingstagebücher, durch die wir einen Einblick in ihre Fitness gewinnen. Wir haben auch schon einzelne Einheiten besucht, zum Beispiel Fallschirmjäger oder Panzergrenadiere, wo es besonders viele versehrte Soldaten gibt.

Wie haben Sie Ihr Trainingskonzept auf die CISM Leichtathletik-EM abgestimmt?

Die Soldaten setzen sich zum Ende unserer Lehrgänge Ziele, die wir mit ihnen besprechen. Das sind Drei-, Sechs- und Zwölfmonatsziele, damit sie langfristig ein messbares Ziel haben, auf welches sie hinarbeiten – von Gewichtsreduktion über die Steigerung der Leistungsfähigkeit. Das kontrollieren wir regelmäßig. Oft setzen sich die Soldaten ein Zwölfmonatsziel mit „Event“-Charakter, beispielsweise die Teilnahme an der CISM Leichtathletik-EM, dem Pilot-Event im Bereich Para-Sport. Das Einzige, was wir speziell abgestimmt haben war, dass wir in den Lehrgängen mit maximal vier Teilnehmern nur Soldaten hatten, die für die CISM Leichtathletik-EM für Deutschland an den Start gehen. Da haben wir auch gezielt einzelne Disziplinen vorbereitet. Das heißt, wir haben nicht Aqua-Joggen gemacht oder sind Rad gefahren, sondern haben speziell Kugelstoßen und Sprinttraining gemacht.

HK1_7587Wie haben Sie die Auswahl der Sportler, die bei den integrativen CISM Europameisterschaften teilnehmen, getroffen?

Für den Bereich Para-Sport werden die Disziplinen 100-Meter, 200-Meter, 1500-Meter und Kugelstoßen in den Kategorien stehend und sitzend angeboten. Wir haben vor allem Kugelstoßen trainiert. Vier von den sechs Para-Athleten nehmen aber an allen Disziplinen teil. Im Dezember gab es eine Meeting-Working-Group, die festgelegt hat, wie die einzelnen Startgruppen bzw. die Klassifizierungsgruppen sind. Das hat die Auswahl eingeschränkt. Wir kennen etwa 70 Soldaten, die schon an Lehrgängen bei uns teilgenommen haben, und kennen ihr Verletzungsmuster. So mussten wir schon einen Großteil ausschließen. Wir haben gezielt diejenigen gefragt, die überhaupt anhand der Startgruppen zugelassen sind.

Text: Brigitte Pendlebury
Fotos: SportSBw/Kemper

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