24h durch die Grüne Hölle sind kein Zuckerschlecken…

Seit 2015 nimmt das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr am legendären 24h-Rennradrennen auf dem Nürburgring mit wachsendem Engagement teil. Nachdem es im letzten Jahr bereits ein Mixed-Team gab, wurde in diesem Jahr erstmalig ein Vierer-Damenteam für das Rennen gemeldet.

Mit dabei waren im „Team 1 Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr“ waren: Oberfeldarzt Dr. Ronel Kranz (SanAktBw München), Stabsunteroffizier Patricia (Patty) Sanchez-Sanchez (7./SanRgt 2) sowie die Gastfahrerinnen Verena Jonetzek und Nadine Süß.

Was führte die Frauen mit welcher Motivation dazu, sich dieser mental wie physisch extremen Belastung eines 24h-Radrennens zu unterwerfen? Wie erfolgte die Vorbereitung und wie waren die Erfahrungen? Eindrücke und Meinungen aus „erster Hand“.

Wie lange seid ihr schon auf dem Rennrad aktiv?

Nadine: Ich fahre seit 5 oder 6 Jahren Rennrad.

Verena: Ich fahre seit 2015 Rennrad und habe 2016 ein paar kleinere Triathlons absolviert. Ich fahre aber derzeit nur als Ausgleich bzw. Ergänzung zum Laufen Rad.

Ronel: Seit 2006.

Patty: Ich bin seit Anfang August 2015 aktiv auf dem Rennrad. Leider hatte ich Anfang des Jahres 2016 einen Rennradunfall im Trainingslager. Aufgrund der Verletzung musste ich immer wieder mit dem Rennrad fahren pausieren. Ich war schon eine Woche vor Veranstaltungsbeginn sehr aufgeregt und konnte es kaum erwarten, nach langer Genesungspause wieder auf das Rad zu steigen.

Komplettes Team mit Betreuern und Besuchern kurz vor dem Zieleinlauf.

Wie kommt ihr darauf, bei einer solchen Veranstaltung mitzumachen: 24 Stunden sind doch sicherlich kein Zuckerschlecken?

Nadine: Ich war schon im letzten Jahr dabei und hatte wieder „richtig Bock“ auf ein schnelles Rennen. Ein Zuckerschlecken ist das definitiv nicht, wenn Du jede Runde am Anschlag fährst, spätestens in Runde 4 fragst Du Dich, warum Du Dir das eigentlich „wieder“ antust (lacht). Das ist halt keine „Pille-Palle-Veranstaltung“ – sondern es geht richtig zur Sache.

Verena: Da mein Freund im letzten Jahr bereits bei Rad am Ring dabei war, ergab es sich, dass ich auch Interesse hatte, dort einmal mitzufahren. Als dann feststand, dass es ein Damenteam geben würde, war ich dann auch dabei.

Ronel: Ich mache alles, was abenteuerlustig ist. Als Soldatin soll man Leistungsfähigkeit und Gesundheit vorleben.

Patty: Wie man darauf kommt  … Da fragt ihr gerade die Richtige (lacht). Ich liebe solch „extreme Veranstaltungen“. Es ist für mich wie „Urlaub“ machen, nur mit spezieller Anstrengung; zudem liebe ich die Gemeinschaft, die bei solchen Veranstaltungen herrscht. Jeder einzelne Athlet, sei es als Einzelstarter oder wie wir, als 4er-Team, kämpft, flucht und leidet zusammen, um am Ende gemeinsam ein Ziel zu erreichen, nämlich das „Finishen“ als Team oder als Einzelstarter. Bis Anfang August 2016 wusste ich noch gar nicht, wie es sich überhaupt anfühlt, Rennrad zu fahren bzw.  ein Rennrad zu besitzen. Durch meine „beste Freundin“ (Dr. Ronel Kranz), hat mich quasi auf den Geschmack gebracht, mir doch ein Rennrad zuzulegen. Seit Anfang August 2015 bestreiten wir gemeinsam solche „Zuckerschlecken“, wie ihr so schön gesagt habt und brachten daher bereits persönliche Erfahrungen mit.

Die vier Startfahrer vor dem Rennen.

Patricia, Du bist als Startfahrerin los, wie war der Start? Ist es nicht komisch mit so vielen Radfahrern (ca 5000) in einem Pulk los zu fahren?

Der Start war ein purer Genuss. Ich fuhr mit 3 weiteren männlichen Athleten der anderen drei Teams des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr an den Start und konnte es kaum erwarten, dass es in wenigen Minuten losgehen würde. Wir alle strahlten und uns konnte man förmlich ansehen, dass wir für das sportliche Event brannten. Alle im gleichen Team-Outfit, was das Auftreten der Bundeswehr in der Öffentlichkeit noch mal stärkte. Natürlich musste ich in diesen Moment noch schnell in einem Bild festhalten. Doch dann ging es auch schon los. Der Kommentator zählte den Countdown 10…9…8…7…START: „Auf geht’s in die Grüne Hölle“

Ein wenig ist es schon komisch, in einem so großen Starterfeld zu starten. Da muss man schon sehr konzentriert sein, da jeder Athlet  unterschiedlich stark ist, wodurch man sein eigenes Leistungsfeld am Anfang finden muss.

Eine Runde auf dem Ring hat ca. 26 km – allerdings mit über 580 Höhenmetern – wusstest Du was da auf Dich zukommt?

Nadine: Ja, aus dem Vorjahr wusste ich das nur zu gut, man verdrängt bzw. man erinnert sich erst mit der Zeit an die Strapazen aus dem letzten Jahr, wenn die Beine so langsam müde werden.

Verena: Nein, man kann sich auch nicht vorstellen, was WIRKLICH auf einen zukommt, auch wenn man sich vorher die Daten und das Höhenprofil des Kurses anschaut. 26km hört sich zunächst nicht viel an und die Höhenmeter verteilen sich ja auch nur auf wenige Passagen des Kurses.

Ronel: Ja, ich kenne den Ring in-und-auswendig von vielen Notarzt-Einsätzen. Schmerzfreier ist es sicherlich, mit dem Hubschrauber drüber zu fliegen, aber mit dem Rad geht es auch. Es tut nur ganz ordentlich weh…(lacht)

Patty: Ich wusste überhaupt nicht, was auf mich zukommt, zumal ich auch noch größten Respekt davor hatte, endlich ein wenig schneller auf dem Rad unterwegs zu sein. Der Radsturz Mitte März 2016 hatte tiefe Spuren hinterlassen, der kam überraschend bei der Abfahrt (platter Reifen). Zu Startbeginn sagte ich mir: Alles kommt überraschend und so ließ ich mich dann Runde für Runde überraschen, was auf mich zukommt. Für mich ein persönlich sportlicher aber auch geistiger Erfolg, endlich den Sturz aus dem Kopf zu kriegen. Von Runde zu Runde merkte man jedoch auch, dass die über 500 Höhenmeter nicht ohne sind. In der vierten Runde merkte ich, dass die Beine schon recht schwer wurden.

Patty Sanchez-Sanchez im Team Lkw (im Hintergrund Dr. Ronel Kranz).

Nicht umsonst heißt es die „Grüne Hölle“… was fällt Dir spontan zum Anstieg an der hohen Acht mit 18% ein ? (z.B. drei Worte..)

Nadine: Steil – steiler – hohe Acht.

Verena: Der Anstieg wird mit jeder Runde härter.

Ronel: Zäh…lang….es brennt

Patty: „Angriff“ auf den Vordermann – Ziel setzen, Nächsten überholen. Für mich war es mein persönlicher Ansporn und setzte in mir noch mehr Energie frei, die Leute beim Anstieg an der Hohen Acht überholen zu können.

Nadine Süß startet in die Nacht, im Hintergrund Verena Jonetzek (li.) und Patty Sanchez-Sanchez.

Wie sahen die Pausen aus, sofern man hier von Pause reden kann, schließlich musstet ihr alle paar Stunden wieder raus auf die Strecke?

Nadine: Im Prinzip verlaufen die Pausen immer gleich, Du kommst von Deiner Runde rein, ich trinke und esse dann schnell etwas, dann raus aus den nassen Klamotten, was Trockenes anziehen, Füße hochlegen. Nachts legst Du Dich eine Stunde oder zwei hin und dann musst Du Dich auch schon wieder fertig machen für die nächste Runde. Die Pause verfliegt so schnell, da kannst Du froh sein, wenn Du zwischendurch mal zum Duschen kommst.

Verena: In der Pause versucht man, so gut es geht zu regenerieren. Essen, um die Energiespeicher wieder aufzufüllen und gerade in der Nacht etwas zu schlafen. Dazwischen mal duschen tat auch sehr gut.

Ronel: Essen, trinken, duschen, trockene Kleidung anziehen, die Beine etwas hochlegen…

Patty: Alles war vor dem Start in der „Wettkampfbesprechung“ abgesprochen worden. Jeder wusste genau, wann er sich vorzubereiten hatte. So konnte man gewährleisten, dass keiner den Wechsel von der Pause auf dem Rad verpassen konnte. Die Pausen gestaltet jeder individuell. Bei mir sah es so aus, dass ich meine leeren Speicher, nach dem ich vom Rad kam, so schnell wie möglich wieder auffüllte. Hierzu hatten wir die „besten Feldköche“ die für das gesamt Wohl der Athleten in den 24 Stunden sorgten. 5-Sterne-Essen Deluxe, angefangen von den Nussecken, usw.- ein Traum!

„Mobile Home“ des Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr.

Und ihr seid auch in der Nacht durchgefahren? Die Strecke ist bis auf ein oder zwei Stellen nicht beleuchtet, fühlt man sich mit eigenem Licht denn überhaupt sicher, sieht man genug?

Nadine: Sicher, man muss sich erst mal an die Dunkelheit gewöhnen, aber das geht schnell. Der Asphalt auf der Strecke ist super und wenn Du Deinem Material vertraust und Du einigermaßen gutes Licht am Rad hast, kannst Du nachts genauso schnell fahren wie bei Tageslicht. Außerdem ist es nachts auch richtig schön, das hat wirklich  was, im Dunkeln über die Strecke zu „fliegen“, Du hörst nichts, alles ist still, vor Dir siehst Du lediglich die Rücklichter der anderen Fahrer – das macht echt Spaß!

Verena: Ja, man fährt zwar grundsätzlich etwas vorsichtiger als tagsüber, aber man fühlt sich auch nachts auf der Strecke sicher, zumal ja ständig andere Fahrer vor oder hinter einem fahren, die ebenfalls die Strecke ausleuchten.

Ronel: Nein, sicher fühlt man sich nicht, man sieht wenig, aber dadurch habe ich halt meine Geschwindigkeit angepasst.

Patty: Ja, wir sind in der Nacht durchgefahren, gut ausgerüstet mit Licht am Fahrrad ging es dann in die Dämmerung/Nacht. In der 4. Runde kurz vor Sonnenuntergang, erreichte ich sogar bei der Abfahrt „Fuchsröhre“ meine Höchstgeschwindigkeit von gemessenen 85 km/h. Sicherer fühlte ich mich von Runde zu Runde. Nachts ist es natürlich noch mal eine andere Herausforderung, aber auch ein klasse Gefühl, nachts auf dem Ring zu fahren.

Wie war die Stimmung in der gesamten Gruppe, es waren ja insgesamt 4 Teams des Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr am Start?

Nadine: Die Stimmung war wie im Vorjahr auch super! Wir hatten viel Spaß und waren wirklich bestens verpflegt.

Verena: Die Stimmung in der gesamten Truppe war von der ersten bis zur letzten Minute super. Nicht nur unter den einzelnen Teams, wo jeder mit dem anderen mitgefiebert und sich gegenseitig unterstützt hat, sondern auch von den Supportern, die dabei waren um uns Fahrer zu unterstützen. Allen voran das Team in der „Küche“, die permanent Mahlzeiten gezaubert und Snacks bereitgestellt haben, wie auch diejenigen, die die Rundenzeiten im Blick hatten und alle anderen, die da waren. Jeder hat seinen Teil zum Gelingen des Wochenendes beigetragen.

Ronel: Kameradschaft, Hilfsbereitschaft und Teamspirit war das, was es schön gemacht hat!

Patty: Die Stimmung in der gesamten Gruppe/Truppe war spitze!!! Als Sportler konnte ich viel von den anderen Athleten/Kameraden dazu lernen und das Beste war, dass alle mir Mut zugesprochen hatten, weil ich vor der Veranstaltung noch größte Angst hatte, mit dem Rennrad erneut zu stürzen. Danke Dafür!

Stärkung während des Einfahrens.

Mit etwas Abstand betrachtet, würdest Du nächstes Jahr wieder starten?

Nadine: Ähm, ja – auch wenn ich mich nächstes Jahr in Runde 4 wieder fragen werde, warum…

Verena: Ich denke schon, da es sowohl von der Veranstaltung selbst, aber auch vom gesamten Team ein großartiges sportliches Ereignis ist, was man mit wenigen Veranstaltungen vergleichen kann. Die Atmosphäre und der Teamgeist waren einzigartig.

Ronel: Jip!

Patty: Na klar! Vielleicht können wir andere Mädels auch noch davon überzeugen, so dass wir im nächsten Jahr eine weitere Damenmannschaft zusammen kriegen.

Unser aller Fazit, es war eine gelungene und geniale Veranstaltung. Wir Ladies haben uns sehr wohl und perfekt versorgt gefühlt. Vom kurzfristigen Kettenwechsel, Tausch von Radklamotten bis hin zu den ersehnten Pfannkuchen am Sonntagmorgen und dem Besuch des Kommandeurs des Sanitätsregiments 2 Führungbereich Koblenz, Obefeldarzt Matthias Marth, war wirklich alles dabei, außer einem Masseur – der hat gefehlt, Bewerbungen für das nächste Jahr nehmen wir gerne entgegen (ein bisschen Spaß muss sein). Aber das war uns auch wichtig, wir wollten Spaß haben, dabei sein, unabhängig davon, welche Platzierung wir belegt haben.

Unser Dank gilt vor allem dem Organisationsteam und der gesamten Verpflegungsgruppe der unterstützenden 6. Kompanie des Sanitätsregiments 2 (ohne die das nämlich alles nicht so einfach gehen würde!). Die Resonanz der anderen Teilnehmer und Gäste an der Strecke als auch an unserem Standort haben wir sehr positiv aufgenommen!

Das Interview führte Nadine Süß. Vielen Dank dafür!

Fotos: Uwe Sigmund

 

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