44. Berliner Halbmarathon

Esther Pfeiffer und das Operationsziel Eisernes Kreuz

Von Volker Schubert, Korrespondent Olympischer Spitzensport

Mit über 40.000 Laufenthusiasten feierte der traditionsreiche Berliner Halbmarathon am ersten Aprilsonntag seine 44. Auflage. Vor allem wegen der neu konzipierten Hochgeschwindigkeitsstrecke ein rekordverdächtiges Vorhaben für die internationale wie deutsche Profilaufszene, bei der die Phalanx der Spitzenathleten allerdings immer wieder gegen eisige Sturmböen ankämpfen musste. Darunter die beiden deutschen Spitzenathletinnen Gesa Felicitas Krause und Esther Pfeiffer, die sich mit neuen Bestzeiten ins Ziel tragen wollten. Der Berliner Sportjournalist Volker Schubert verfolgte die zwei Vorzeigeläuferinnen des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) bei ihrem Hauptstadtrennen hautnah an der Strecke; informiert für das Bundeswehr Sport-Magazin über Fakten, Streckenprofil und hautnahe Duelle.  

Hochfokussiert und tempostark: Im 3.16 min Km-Schnitt eilte Esther Pfeiffer ihrem Operationsziel Eisernes Kreuz entgegen.

Sporthauptstadt Berlin. Temperaturen um fünf bis neun Grad Celsius wären ideal für Bestzeiten im menschlichen Grenzbereich leichtathletischer Langdistanzläufe, so die neuesten empirischen Erkennt- nisse sportmedizinischer Forschung. Der daraus abzuleitenden Evidenz folgend, dürfte dies unter anderem auch einer der wesentlichen Gründe sein, warum sich die in Zentral- europa grundsätzlich kühleren Frühlings- und Herbstmonate gerade bei der afrikanischen Langstreckenlauf-Elite großer Beliebt- heit erfreuen. Insbesondere, wenn es um die Jagd auf Marathon- oder Straßenlauf-Reko­rde über die Halbdistanz oder über die Klassiker bei den 10.000 Meter Asphaltrennen geht.

Ein weiterer, nicht unwesentlicher Grund für eine spitzensportliche Berlin-Visite spielt dabei auch der Streckenverlauf: flach, unvergesslich und megaschnell sollte er sein! So, wie bei der 44. Auflage des Berliner Halbmarathons, der mittlerweile zur Europa-Serie von sechs „Super Halfs“ gehört und die internationale Laufgemeinschaft mit einer Extramedaille zur Teilnahme an allen kontinentalen Halbdistanzrennen lockt.

Härtester Kampf gegen Sturmböen und Uhr: Esther mit sichtbaren Strapazen im Zielkorridor.
Duell der deutschen Amazonen

In Berlin zu starten, das war folglich nicht nur für die internationale Spitzenequipe Anlass genug, um sich dem zähen Kampf um Bestzeiten zu stellen. Und so meldeten auch nationale Leichtathletik-Heldinnen ihre Bestzeitambitionen an; darunter die im Profifeld startende 32-jährige Sportsoldatin, die deutsche 3000 Meter Hindernis-Rekordhalterin, Olympionikin und zweifache Europameis­terin Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier). Und ihre härteste Konkurrentin, die 27-jährige, leistungsstark aufstrebende DLV-Athle- tin, deutsche Marathon-Meisterin von 2023, Esther Pfeiffer (Düsseldorf Athletics), Ehefrau des Sportsoldaten und 2:07-Stunden-Marathon-Läufers Hendrik Pfeiffer, die als jüngste DLV-Athletin bei der EM 2024 in Rom im Halbmarathon zu Mannschaftssilber stürmte. Aus deutscher Sicht folglich das mit Spannung erwartete Frauenduell, denn Esther Pfeiffer und Gesa Krause beabsichtigten beide die 1:09 Stundenmarke mit persönlicher Topzeit zu knacken. 

Halbmarathon entschärft: Megaflach und superschnell 

Insofern ein den Profiathleten vergleichbarer Spannungsbogen, der sich ebenso bei den exakt 40.721 Läufern aus 135 Nationen aufgebaut haben dürfte, die nach dem Hauptlauf um 10:05 Uhr zeitversetzt aus mehreren Boxen starteten. Grund genug für den Berliner Halbmarathon im Faktencheck, denn der „Berliner Halbe“ überzeugt mit vielschichtigem internationalem Flair: so versprühen die Tausenden enthusiastisch mitfiebernden Zu­schauer eine einzigartige Atmosphäre.

Esther Pfeiffer: Die letzten Meter unangefochten und mit 48 Sekunden vor Sportsoldatin Gesa Krause zum nationalen Sieg.
Esthers Kampf ums Eiserne Kreuz

Zurück zur nationalen Frauenkonkurrenz: Gesa Krause, die mit Promi-Bonus an die Startlinie trat, äußerte hinsichtlich ihrer Straßenlaufambitionen die Option nach ihrer Hinderniskarriere in Richtung Marathonlauf zu wechseln, denn sie sehe für sich „großes Potenzial, auch über die volle Distanz“. Und in der Tat, Anfang März bestritt sie den Halbmarathon in Den Haag in 69:46 Minuten mit Bestzeit. Mit dem Hauch von drei Sekunden darüber stand mit Esther Pfeiffer, der Halbmarathon-Siegerin von Köln 2024 in 69:49 Minuten, eine absolut ebenbürtige Konkurrentin gegenüber, die beabsichtigt, ihr großes läuferisches Potential so schnell wie möglich als Sportsoldatin auszuschöpfen. Ihre persönliche Operation Eisernes Kreuz meisterte die Düsseldorferin am Ende mit Bravour: Mit couragiertem Tempolauf stürmte die außer- gewöhnlich elegant und leichtfüßig laufende Amazone unter tobendem Applaus auf hervorragendem Rang sieben als schnellste Deutsche ins Ziel.

Mit ihrer Bestzeit von 69:15 Minuten dürfte die Bachelor-studierte Psychologin, die sich nun ihrem Master widmet, erneut eine Visitenkarte für den baldigen Wechsel ins Sportförderprogramm mit Waffenrock abgeliefert haben. „Der Kampf gegen die eisigen Windpassagen war sehr hart“, gestand Deutschlands schnellste Athletin sichtlich erschöpft. In Anbetracht der extrem schwierigen Wetterlage ein herausragendes Ergeb- nis, das eigentlich einer 68-er Zeit entspricht, attestierte auch Marathon-Profi Hendrik Pfeiffer, der sich für die Bundeswehr-Ambitionen seiner Ehefrau stark macht. Sichtlich enttäuscht lief Gesa Krause ins Ziel: mit 70:03 Minuten auf Rang elf.  Ab Kilometer 16 hätte sie der extrem konstant laufenden Esther nicht mehr folgen können, so die Europameisterin von 2016 und 2018, die sich im Sommer auf die Hindernis-WM im September in Tokio konzentrieren will.  

Stolz und angriffslustig: Esther mit nächster Bestzeit und Straßenlauf-EM/Brüssels im Visier.
Amanal Petros durchstößt Ein-Stunden-Schallmauer

Auch die nordafrikanische Elite litt unter den Berliner Eiseswinden: „Das war eine starke Behinderung für mich“, gestand der äthiopische Halbmarathon-Sieger Gemechu Dida, der gleich von Anfang an auf ein einsames Rennen setzte. Trotzdem der 25-jährige nach Durchquerung des Brandenburger Tors zu einem fulminanten Zielsprint ansetzte, verpasste er den alten Streckenrekord von 58:43 Minuten um den Wimpernschlag einer Se- kunde. In der Frauenkonkurrenz dominierte seine Landsfrau Fotyen Tesfay mit bravourösem Streckenrekord in 63:35 Minuten – trotzdem ihr Wind und Kälte stark zugesetzt hätten, wie sie auf der Pressekonferenz gestand. Überglücklich präsentierte sich auch der deutsche Sportsoldat und eritreische Ex-Migrant Amanal Petros, der in Rekordzeit von 59:31 Minuten als Dritter finishte. Gut eine Minute danach gelang auch dem deutschen Marathon-Europameister von 2022, Richard Ringer, eine persönliche Bestzeit von 60:51 Minuten.

Esther & Hendrik Pfeiffer: Das deutsche Leichtathletik-Traumpaar will zukünftig gemeinsam unter Bundeswehr-Schirmherrschaft trainieren.
Esther bei Straßenlauf-EM/Brüssel auf Mission Sub 1:09 h

Mit ihrer Topleistung belegt Esther Pfeiffer aktuell Rang sieben in der ewigen deutschen Bestenliste. Doch bereits eine Woche nach ihrer Glanzleistung wird die aufstrebende Akademikerin erneut die deutschen Farben auf internationalem Parkett repräsentieren; liebäugelt damit in der belgischen Metropole ihre Berliner Bestzeit pulverisieren zu können. Beim Debüt der Europameisterschaften im Straßenlauf, deren Neuformat vom 12. bis 13. April 2025 im belgischen Brüssel/Leuven ausgetragen wird, setzt der kontinentale Dach- verband „European Athletics“ auf große Publikumsresonanz. Auf dem attraktiven Wett­- kampfprogramm der „European Running Championships“, das über die Prachtboulevards der belgischen Metropole führt, stehen den Elitefeldern bei Männern wie Frauen sowohl die Marathondistanz über 42.195 Meter, der Halbmarathon und ein Rennen über 10.000 Asphalt-Meter zur Auswahl.

Dann hoffentlich frei von aggressiven wie eiskalten Fallwinden will die aufstrebende Lang- strecklerin erneut über den „Halben“ starten. Esther Pfeiffers Missionsziel: ihr Potenzial erneut ausschöpfen, in den Grenzbereich von 1:08 Stunde vorstoßen und damit dem Kampf ums Eiserne Kreuz erneut einen gehörigen Schritt näherkommen. Natürlich unterstützt ihr Ehemann die erneute Bestzeitattacke der willensstarken DLV-Athletin. „Das Potential für eine tiefe 1:08 Stunden war nach dem extrem harten Trainingslager in Kenia schon in Berlin erkennbar. Im Brüssel trifft Esther hoffentlich auf optimaleres Wetter“, so Hendrik Pfeiffers Rückenstärkung gegenüber Bundeswehr Sport-Magazin.

  • Text: Fotos: Volker Schubert
  • Fotos: Fotos: Volker Schubert, Felix Will