Glanz und Schmerz der Dresdner Spiele

Deutschlands Finals im Olympiafieber

Von Volker Schubert, Korrespondent Olympischer Spitzensport

Armeesportler Karl Bebendorf mit dem unbedingten Willen zum Sieg, sein sechster Deutscher Meistertitel. Ein Plan „B“ stand für den gebürtigen Elbestädter auf „seiner Dresdner Kunststoff-Kampfbahn“ nicht zur Debatte.

So geht sächsisch! So tickt Ostdeutschland! Seit Ende Juli firmiert die friedliche Sportrevolution auf deutschen Boden unter einem neuen wie unverwechselbaren Markenzeichen: Dresdner Finals 2025! Mit einem gigantischen Sportfest nationaler Spitzenleistungen zelebrierte die sächsische Sportmetropole 133 deutsche Titelkämpfe in 20 Sportarten. Gleich, ob Erst- oder Letztplatzierter, die jubelnde Gemeinschaft der 250.000 Sportenthusiasten trug jeden Athleten begeistert ins Ziel. Im Zentrum der Dresdener Finals, die Wettbewerbe der olympischen Kernsportart Leichtathletik, die in der architektonisch neukonzipierten Kampfbahn am Ostragehege ausgetragen wurden. Im Blickpunkt der Leichtathletikgemeinde, dass mit extremer Spannung erwartete Duell der beiden deutschen Armeesportler und 3.000 Meter Hindernislauf-Titanen Karl Bebendorf und Frederik Ruppert. Der Berliner Sportjournalist und Korrespondent Olympischer Spitzensport Volker Schubert begleitete die vier Rudolf-Harbig-Städter Spitzensporttage exklusiv für das Bundeswehr Sport-Magazin .

Mit einer ostdeutschen Sportgala der Superlative präsentierte sich Sachsens pittoreske Landeshauptstadt am ersten Augustwochenende vor weltberühmten Architektur-Silhouetten im sommerlich geschmückten Blumenkostüm mit Spitzenleistungen nationaler Leistungsträger. Wäre es ein erster Olympiatest für 2036 gewesen, die barocke Sehnsuchtsmetropole hätte ihn mit Bravour bestanden. Heldenhaft, was dort junge deutsche Athleten in härtesten Duellen sowie Mannschaftswettbewerben entlang des Elbufers präsentierten. Allen voran die beiden deutschen Hindernislauf-Ikonen und Kaderathleten des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), die Militärsportler Karl Bebendorf und Frederik Ruppert.

Kein Wunder, dass die legendäre 400 Meter Kampfbahn am Ostra-Gehege parallel zum Rudolf-Harbig-Weg die Ränge mit 10.000 leichtathletikbegeisterten Dresdnern sowie zahlreichen auswärtigen Zuschauern füllte. Für die Leichtathletik-Welt ist die Elbmetropole ohnehin ein sportikonischer Ort. In den 1930er und 1940er Jahren errang der in Dresden geborene Wunderläufer und Fallschirmjäger-Oberfeldwebel Rudolf Harbig, der 1944 in schweren Abwehrkämpfen gegen die Sowjets an der Ostfront fiel, nie dagewesene Fabelweltrekorde über 400 Meter, 800 Meter und 1.000 Meter.

Duell deutscher Hindernis-Giganten mit Hochspannung erwartet

Eine sporthistorische Sogwirkung, die nicht zuletzt auch auf die Präsenz des Dresdner Vorzeigeathleten Karl Bebendorf zurückzuführen war, den bis dato fünffachen Deutschen Meister und Europameisterschafts-Bronzemedaillisten von Rom 2024, der mit seiner neuen persönlichen Bestleistung von 8:08,03 Minuten an die Startevolvente auf der Gegengeraden trat. Neben ihm, kein Geringerer als der deutsche 3.000 Meter Hindernislauf Rekordhalter Frederik Ruppert, der im Mai 2025 im zähen Ringen gegen die absolute Hindernis-Weltelite im marokkanischen Rabat zur nationalen Fabelzeit von 8:01,49 Minuten gestürmt war. Aktuell die Nummer eins und die Nummer zwei in Europa, war der Spannungsbogen dann auch dem Zerreißen nahe, als der Startschuss die Elite-Kontrahenten auf die Hochleistungskunststoff-Bahn für Ruhm und Ehre schickte. Und so entrollte ein spektakuläres Rennen seinen Verlauf, dass sich von Anfang an als rein taktisches Scharmützel gestaltete.

Sporthistorische Heldentat: „Für meine Mutter“

Die zwischenzeitlichen Führungswechsel zwischen Karl Bebendorf und Frederik Ruppert innerhalb der kleinen gegnerischen Phalanx gestalteten sich immer wieder als formtestendes Abklopfen mit gegenseitigem Belauern: und mit der beiderseitig brennenden Frage, wann würde der allesentscheidende Siegesantritt kommen? Auf der letzten Runde herrschte dann plötzlich Klarheit, als Karl Bebendorf mit seinen exzellenten 800 Meter Qualitäten gegen die anfängliche Attacke von Frederik Ruppert durch sein spitzensportliches Wohnzimmer zu stürmen begann! Hochdramatisch schließlich die Phase nach dem letzten Wassergraben, als der Lokalmatador gefährlich strauchelte, mit der akrobatischen Eleganz eines Gepards dann wieder Fuß fasste und – wie 2025 schon so oft – seinen fulminanten Endspurt mit unbedingtem Siegeswillen vor den 10.343 jubelnden König-Karl-Verehrern mit gnadenloser Härte gegen sich und den Aachener Hauptgegner durchzog.

Seinen sechsten Deutschen Hindernistitel erstritt Karl Bebendorf mit aller Kraft für seine geliebte, „schwer krebskranke Mutti“.

„Ich dachte, das ist jetzt ein Witz“, so Karl Bebendorf nassforsch über den vereitelten Angriff seines westdeutschen Bundeswehr-Sportkameraden. Die Zeit in 8:32 Minuten, für den 29-Jährigen mittlerweile Kategorie „Bummelrennen“, mit der sich der Militärleichtathlet von der einzigen sächsischen Sportfördergruppe in Frankenberg zum sechsten Mal zum Deutschen Hindernis-Meister kürte, war letztlich belanglos; seine Siegestat allerdings hochemotional. Es waren die Stadiongemeinde bewegende Worte, mit der Karl Bebendorf seinen Sieg kommentierte: „Meine Mutter liegt im Sterben und hat es leider nicht geschafft, hier dabei zu sein – weil sie jeden Tag die Augen zumachen könnte“. Nachdem er von ihrer Krebserkrankung erfuhr, habe er für zwei trainiert. Das sei im Finale auch sein Rückenwind vor seiner Heimat-Kulisse gewesen, die ihn ohnehin süchtig mache, so Karl Bebendorf, der auf deutschem Boden noch nie ein Hindernis-Rennen gegen nationale Gegner verloren hat.

Auf der erfolgsgekrönten Ostra-Kampfbahn gaben aber auch weitere Sportsoldaten ihre Visitenkarte für den im September bevorstehenden Höhepunkt – die Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Tokio ab: Allen voran der weltjahresbeste Über-90-Meter-Speerwerfer Julian Weber, der mit der Weite von 84,36 Metern seinen Deutschen Titel unangefochten verteidigte. 100 Meter Erzgebirgssprint-Ass Rebecca Hase zeigte sich als Nicht-Gegenwind-Läuferin mit 11,40 Sekunden als nationale Vierte durchaus zufrieden. Der Chemnitzer Armeeathlet Max Heß verteidigte seinen Dreisprungtitel mit 16,37 Metern. Für Aufmerksamkeit sorgte der sächsische Sportsoldat Deniz Almaz, der in 10,25 Sekunden zum Deutschen 100 Meter Vizemeister sprintete.

Im 100 Meter Hürdenwald zum Deutschen Titel. Beim Finalrennen trieb die Sportsoldatin Ricarda Lobe nur ein Gedanke: als Erst über die Ziellinie zu sprinten. „Die Seuchenjahre“ wären „nun endgültig vorbei“, so die stolze Deutschen Meisterin zu Bundeswehr Sport-Magazin, die in Dresden Bestform präsentierte und ihre vorangegangene Verletzungspechsträhne mit einer Beinvenen-Thrombose nun als beendet betrachtet.
Für das Bundeswehr Sport-Magazin gut vernetzt in der Athleten- und Trainerszene. Sportschriftleiter Volker Schubert beim Fachsimpeln mit Sven Lang, dem Leitenden DLV-Bundestrainer Wurf/Stoß, Sportwissenschaftler von der Deutschen Hochschule für Körperkultur Leipzig und waschechtes erzgebirgsches Urgestein.

Die erzgebirgsche Kugelstoßerin Katharina Maisch, mit 18,31 Metern Dritte der nationalen Titelkämpfe, zeigte sich von ihrer Weite enttäuscht, während ihre militärische Disziplinkameradin Yemisi Ogunleye mit 19,29 Meter Gold holte. Seit 2024 Deutschlands beste 800 Meter Läuferin, platzierte sich die engagierte Sportsoldatin Majtie Kolberg in Dresden mit 2:02,57 Minuten als Deutsche Vizemeisterin. Kurz nach den Finals gab der DLV- Nominierungen für die WM in Tokio bekannt. Das Dresdner WM-Sprungbrett nutzten demnach Karl Bebendorf und Frederik Ruppert, Julian Weber und Max Heß, Majtie Kolberg und Yemisi Ogunleye sowie der neue Deutsche Hammerwurf-Meister (78,17 Meter) Merlin Hummel.

Faszination Speed-Klettern: Vor der Kulisse der Frauenkirche sorgten athletische Himmelstürmerinnen für wahre Begeisterung.
Lediglich sieben Sekunden benötigen die athletischen Kletteramazonen für die 15 Meter hohe Steilwand – aufwärts wie abwärts Bergsteiger-technisch professionell gesichert.

Neben dem neuen Dresdner Edel-Oval bot die Elbmetropole olympische Spitzensportstimmung in weiteren Sportarealen, wie bei den Ruderern und dem 750 Meter Schwimmauftakt der Triathleten im Alberthafen, dem Triathlon-Finale rund um die Brühlschen Terrassen und dem Zieleinlauf vis-à-vis des famosen Architektur-Ensembles der Semperoper. Oder beim faszinierenden Speed-Klettern an der 15 Meter hohen künstlichen Steilwand vor der himmelsleitenden Silhouette der originalgetreu rekonstruierten Dresdner Frauenkirche, wo sich die Spitzenkletterinnen Mauergecko-gleich in knapp sieben Sekunden nur mit Muskelkraft in die Höhe katapultierten.

Im abschließenden Fünf-Kilometer-Rennen der Deutschen Triathlon-Meisterschaften führte die Strecke auf geschliffenem Kopfsteinpflaster temporeich über den Schloßplatz mit der barock verzierten Hofkirche, dann entlang des weltberühmten Fürstenzugs – ein weltweit einzigartiges Historienbild aus 23.000 Porzellanfliesen – der Augustusstraße, um schließlich am Theaterplatz mit der Semper-Oper im Neurenaissance-Stil in die werbeträchtige Zielgasse zu münden.
Henry Graf ist Deutscher Triathlon-Meister in der Sprintdistanz, dominierte die Konkurrenz beim finalen 5 km Rennen uneinholbar.
Härter geht’s kaum. Viele der allesamt drahtigen Triathleten benötigten weniger als eine Stunde für die für die Dresdner Meisterschaftsdistanz.

Der Dresdner Sportsoldat und Kanu-Olympiasieger Tom Liebscher-Lucz kam aus dem Schwärmen nicht heraus. „Ich bin so stolz auf meine Heimatstadt“, so der Sieger des kleinen Finales in der Kanu-Sprintkonkurrenz im Neustädter Hafen, in dem „Stadion-Atmosphäre“ geherrscht habe. Auch die Sportakrobaten überzeugten mit fabelhaften Körperformationen, während die rhythmischen Sportgymnastinnen mit atemberaubenden Küren für Gänsehautstaunen und enthusiastischen Jubel sorgten – allen voran die 18-jährige Volksdeutsche Darja Varfolomeev, die im umfunktionierten Eissportkomplex mit den Sportgeräten Ball, Band, Keulen und Reifen mit fünf deutschen Goldmedaillen und tänzerisch-leichtfüßiger Inspiration auf Weltniveau brillierte.

Mit überzeugender Schlagkraft zum Sieg. Auch wenn der prestigeträchtige Deutschland-Frauenachter als Flaggschiff gegen die reinen Vereinsboote unbezwingbar war; auf der nur 350 Meter langen Rennstrecke schoben sich die gestählten Frauenkörpern der nationalen Konkurrenzboote mit ebenso beeindruckender Zugkraft durch den Dresdner Alberthafen.
In bester deutscher Rudertradition im Parallelsprintfinale: Im Rennen um Bronze schoss der Frankfurter GERMANIA-Männerachter förmlich aus dem Startblock und siegte im Finallauf um das heiß kämpfte Edelmetall. Ebenso schlagstark präsentierte sich der Frauenachter der Kettwiger Rudergemeinschaft.
Konzentration trifft Präzision: Für Deutschlands traditionsreiche Bogenschützen bot die voll besetzte Arena ein mitfiederndes Publikum der vollen Ränge.
Zu 98 Prozent ins Schwarze. Nach dem Triathlon bot die temporär errichtete Stadiontribüne eine kontrastreiche Kulisse für die sonst eher im Verborgenen agierende deutsche Erfolgssportart, deren Bogenschützen bei Weltmeisterschaften und Olympischen immer wieder mit hervorragenden Medaillenplatzierungen aufhorchen ließen.
Finals vor glanzvoller Historienbühne mit Fragezeichen

Am Ende des ersten Dresdner Multisport-Events der kurzen Wege tauchten die 3.500 deutschen Spitzenathleten – darunter zahlreiche Sportsoldaten – vier Tage lang in eine grandiose Traumkulisse mit durchweg von sächsischer Herzlichkeit geprägten Atmosphäre ein. Die bereitgestellten Zuschauerkapazitäten der Elbestädter Sportmetropole reichten beileibe nicht aus, um den sportbegeisterten Dresdnern und ihren sportaffinen Gästen hautnahe Stimmungsbilder in den Wettkampfstätten zu ermöglichen. Für das Baukultur-schöne Dresden ein absoluter Imagegewinn, der die Stadtoberen der Elbmetropole ohne Absprache mit den politischen Medien motivierte, für 2030 die erneute Bewerbung für die Deutschen Finals ins Visier zunehmen.

Echte Wermutstropfen stellten allerdings die zahlreichen Merkel-Poller dar, die Dresdens historische Innenstadt in eine anti-islamistische Festung zum Schutz vor mörderischen Überfahranschlägen verwandelten. Für mediales Trübsal sorgte ausgerechnet der Leichtathletik-Ausrichter. Während viele deutsche Topleichtathleten mit Spitzenleistungen überzeugten, konnte die DLV-Funktionärsriege angesichts teils diskriminierender Akkreditierungspraxis gegenüber der Sportpresse wenig punkten. Ganz anders als die Sportführung sämtlicher 19 Finals-Verbände, die dem professionellen Sportjournalismus mit zügigen Akkreditierungsverfahren und medienfreundlichen Arbeitsplätzen begegneten.

„Redaktionsdisziplin Meisterschaftsspringen“: Sportjournalist Volker Schubert besuchte etliche der 20 Dresdner Finals-Stationen exklusiv für Bundeswehr Sport-Magazin.

Ebenso befremdlich erschien die Vermarktungspraxis gegenüber ARD und ZDF. Anders als beim Kommerz-Fußball, wo die ÖRR-Medien nahezu Wuchersummen für Übertragungsrechte zahlen, wurden die Finals zum Null-Tarif verhökert. Und das, trotz gemessener Einschaltspitzen von zwei Millionen Fernsehzuschauern, was einer attraktiven Quote von 17 Prozent entspricht. Hinsichtlich des Platzangebots für die sportbegeisterten Zuschauer dürfte auch noch deutlich Luft nach oben vorhanden sein. Auch hier schien der DLV nicht von Weitblick beseelt zu sein, das Multifunktionsoval am Ostra-Gehege mit Zusatztribünen auszustatten. Insgesamt Lernkurven, die für 2030 noch viel Organisationsluft für wundervolle Sportfaszination „Made in Dresden“ nach oben lassen.

Die Wechsel- und Finish-Zone der Triathleten war für den ehemals erfolgreichen Leichtathletik-Amateur Volker Schubert eine besonders spannungsgeladene Meisterschaftsadresse.
  • Text: Volker Schubert
  • Fotos: Volker Schubert; Patrick Schönknecht
Rudolf-Harbig-Städter Militärathlet schreibt deutsche Sportgeschichte
Laufkriegstüchtig durch Dresdens Karl-Kurve