Die Pinke 4 im Fokus geht Dominic Jentsch noch einmal um den Tisch, während sich im Hintergrund bereits die Fotografen um die besten Plätze für einen gelungenen Schnappschuss scharen. Die Kugel weiter im Visier atmet er tief durch, bevor er ein vorletztes Mal seinen Spielrhythmus abruft: zwei Schritte nach vorne, runterbeugen, drei Mal einschwingen, kurze Ruhepause und abdrücken.
Als fünfzehn Sekunden später auch die schwarze 8 im Loch verschwindet, jubelt die Menge Jentsch reißt die Arme hoch: soeben hat er mit einem unerwartet deutlichen 8:1-Finalsieg gegen Altmeister Ralf Souquet, einen der weltweit konstantesten Billardspieler, den größten Erfolg seiner noch jungen Karriere davongetragen. Dominic Jentsch ist Europameister!
Der EM-Titel im Februar war die Krönung seiner ersten Saison beim Billardverein BSV Dachau, wo Jentsch gemeinsam mit drei anderen Jungstars im Alter von 18-23 Jahren die erste Bundesliga im Sturm eroberte. Während es dort vorerst nur zum dritten Platz in der Mannschaftswertung reichte, kann der Sportsoldat im Einzel auf ein besonders erfolgreiches Jahr zurückblicken. Schließlich ist der erst 20-jährige bereits der Vorzeigeathlet des deutschen Billardsports ñ und das nicht zuletzt auch aufgrund seiner körperlichen Fitness und Athletik, die zum professionellen Billardspiel inzwischen genauso dazugehört wie zu jeder anderen Sportart.
Begonnen hatte die Saison mit den Deutschen Meisterschaften im Oktober 2010, wo der gebürtige Zwenkauer (Leipzig) nach seinem Vereinswechsel, von Bundestrainer Andreas Huber unter seine Fittiche genommen, erstmals für den BSV Dachau an den Start ging. Nach einem Bronzerang im 14/1 und einer knappen Finalniederlage (8:9) gegen seinen ehemaligen Hannoveraner Teamkollegen John Blacklaw im 8-Ball setzte sich der damals noch 18-jährige Jentsch in der letzten verbliebenen Disziplin, dem 9-Ball, erfolgreich an die Spitze des deutschen Billardsports. Verbunden mit den drei Medaillenrängen auf Deutscher Verbandsebene war auch die Qualifikation für die Herren-Europameisterschaft, was dort geschah ist Pool-Billard Geschichte. Hinzu kommen die Erfolge bei international anerkannten Turnieren wie den äußerst hochkarätig besetzten Swiss Open in Gstaad, ebenso wie jüngst in Ungarn der Titel bei den mit 10.000 € dotierten 8-Ball World’s Top Gun Open.
Inzwischen ist Jentsch auf dem besten Weg, seinen Traum vom Billardprofi in die Tat umzusetzen. Seit Anfang 2003, also schon im Alter von 12 Jahren, greift Jentsch regelmäßig zum Billardqueue, den Rückhalt seiner Eltern hatte er dabei stets, ebenso wie den seiner Trainer Thomas Damm, seinem langzeitigen Mentor Michael Wahl und nun Bundestrainer Huber. Ich habe den Eltern von Dominic schon auf seiner ersten Deutschen Jugendmeisterschaft in Brandenburg, als er nebenbei auch noch ein aussichtsreicher Jungfußballer war, gesagt: redet ihm den Fußball aus ñ der Junge wird auf jeden Fall Profi-Billardspieler!ì, so der Dachauer Coach.
Bereits mit 16 konnte Jentsch die US Open der Amateurspieler für sich entscheiden unter den Augen seines guten Freundes Thorsten Hohmann, einem der beiden deutschen Billardspieler, die ebenfalls die Karriere in der Sportfördergruppe der Bundeswehr durchlief.
Um sich professionell auf Turniere vorzubereiten, trainiert Dominic Jentsch täglich mindestens fünf Stunden am Billardtisch: Technik, Lochspiel, Positionsspiel, Übungen für einzelne Disziplinen – hinzu kommen speziell für ihn ausgerichtete Fitness- und Ernährungspläne. Für Events in den USA verschiebt der Youngster sogar über Tage im Voraus hinweg seinen Biorhythmus, um die Auswirkungen des Jetlags auf körperliche und geistige Fitness zu minimieren.
Über das Engagement der Sportfördergruppe ist der 20-jährige sehr dankbar. Die Sportfördergruppe ist das Beste, was mir passieren konnte. Die finanzielle Unterstützung hält mir den Rücken frei, um mich in meinem Alltag voll auf die Ausübung meines Sports zu konzentrieren, so Jentsch. Am liebsten würde ich das mein ganzes Leben lang machen, fügt er in Bezug auf das Auslaufen seiner Sportförderung im Februar 2012 mit einem Schmunzeln hinzu.
In naher Zukunft möchte sich Dominic Jentsch neben einer konstanten Leistung in der Bundesliga vor allem auf nationale und internationale Einzelturniere, insbesondere Weltmeisterschaften konzentrieren. US Open-Sieger oder Weltmeister zu werden wäre für mich natürlich das Größte, das selbe gilt für eine Nominierung für den Mosconi Cup, nennt der Sportsoldat seine langfristigen Ziele.
Auf jeden Fall möchte er nach dem Verlassen der Sportfördergruppe den Aufstieg zum Fulltime-Billardprofi schaffen. In Deutschland wäre dies aus finanziellen Gründen nur in Kombination mit einem weiteren Geschäft möglich. Gerne würde Jentsch aber auch den Sprung in die USA oder nach Asien wagen, dort sind die Chancen für gute Billardspieler, sich als Profi durchzusetzen, wesentlich höher als in Europa. Ich werde mir das alles gut überlegen, und dann entscheiden, was für mich am sinnvollsten ist.
Autor: Korbinian Fritsch