Der Tauchgang, der in der Luft begann

Die Sonne ist gerade untergegangen. Es ist gerade noch hell genug, um alles ohne Hilfsmittel erkennen zu können. Die Landerampe der C-160 Transall öffnet sich wie das Tor zu einer anderen Welt. Die Maschine bebt. Der Lärm der Motoren übertönt alles. Kerosin liegt in der Luft. Oben in der Ecke des Flugzeuges leuchtet eine kleine rote Lampe. Sie erlischt und springt zum Startschuss auf grün. Ein lautes Summen ertönt. Es ist so weit.

Sie sind zu acht. Männer mit Fallschirmen auf dem Rücken und Tauchflossen an den Beinen. Es sind Soldaten, Spezial Soldaten. Es sind Kampfschwimmer.

Nacheinander springen sie lautlos aus dem Luftfahrzeug, öffnen ihre Fallschirme, gleiten durch die zunehmende Dunkelheit und steuern auf die Wasseroberfläche zu. Sobald ihre Füße nass werden, trennen sie sich von ihrer Fallschirmkappe. Es wird Zeit die Tauchausrüstung anzulegen. Das Wasser ist schwarz wie die Nacht. Vor ihnen liegt ein langer Weg. Die Kampfschwimmer müssen mehrere Stunden tauchen, um ihren eigentlichen Einsatzort zu erreichen. Erst dann beginnt der eigentliche Auftrag. Sie sollen ein mutmaßliches Piratencamp aufklären und wichtige Informationen sammeln. Das Ziel befindet sich in zwölf Kilometern Entfernung. Ein anderer Kontinent. Als sie die Küstenlinie erreichen, geht es weiter in Richtung des Landesinneren.

Die Männer haben eine anstrengende dreijährige Ausbildung hinter sich. Jetzt gehören sie zur weltweit angesehenen Spezialeinheit des Kommando Spezialkräfte der Marine. Sie sind Kampfschwimmer. Dafür sind sie Tag für Tag an ihre Grenzen gegangen. Sie wurden ausgebildet im Landkampf, Fallschirmspringen, Tauchen, taktisches Vorgehen an Land und an Board von Schiffen und vieles mehr.

Zusätzlich hat jeder Kampfschwimmer nach der Ausbildung eine Spezialisierung durchlaufen. Dort wurden sie zu Medics (spezielle Sanitäter), Funkern, Scharfschützen, OSA (optronische Spezialaufklärung mit Kameras und Optiken), Breachern (Öffnen von Türen und Kampfmittelbeseitigung mit Hilfe von Spreng- und Zündmitteln) oder FAC /SOTAC (Anforderung und Koordinierung von Luftunterstützung) ausgebildet.

Der Weg ans Ziel war lang und hart. Viele ihrer Kameraden haben aufgegeben. Gesundheitliche Gründe oder die hohen Anforderungen haben sie scheitern lassen. Jedes Jahr schaffen es ungefähr eine Hand voll Soldaten Kampfschwimmer zu werden. Jetzt gehören sie zur Elite. Sie werden weltweit geschätzt, trainieren regelmäßig mit anderen Spezialkräften (national und international), wie z.B. den US Navy Seals.

Die Kampfschwimmerkompanie in Eckernförde braucht dringend leistungsstarken Nachwuchs. Eigenschaften wie Willensstärke, körperliche und psychische Belastbarkeit, Lernwilligkeit und Verschwiegenheit müssen Bewerber mitbringen um zu der legendären maritimen Spezialeinheit der Bundeswehr zu kommen.

Seit 1964 gibt es die Kampfschwimmerkompanie. Weniger als 500 Männer haben es seither geschafft die aufwendige Ausbildung erfolgreich zu bestehen.

Der Weg beginnt mit einer Bewerbung über einen Karriereberater der Bundeswehr.

Voraussetzungen:

  • Alter: Mindestens 17 Jahre alt (mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten)
  • Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft
  • Bewerbung für die Laufbahn der Feldwebel (Truppendienst) oder Truppenoffiziere
  • Computertest
  • Gesundheitstest mit psychologischem Gespräch
  • Sporttest

Körperliche Mindesanforderungen bei dem Sporttest:

  • 5.000 m Lauf in max. 22 Minuten
  • 1.000 m Schwimmen in max. 24 Minuten
  • 60 sec. Zeittauchen
  • 30 m Streckentauchen
  • 8 Klimmzüge im Ristgriff
  • 15 Wiederholungen im Bankdrücken mit 50 Kg.

Nach einer allgemeinen militärischen Grundausbildung und einem acht Wochen dauerndem Schwimmtaucherlehrgang, beginnt die eigentliche Kampfschwimmer-Ausbildung.

Viele denken, dass Kampfschwimmer nur im oder unter Wasser eingesetzt werden. Das ist so nicht richtig. Sie müssen selbstverständlich gut schwimmen und tauchen können. Eigentlich sind sie allerdings Infanteristen, welche zusätzlich im maritimen Umfeld eingesetzt werden. Das Wasser ist häufig das Verbringungsmittel, um den eigentlichen Einsatzort zu erreichen. Zu diesem gelangen die Kampfschwimmer, je nach Auftragslage, allerdings auch mit Schneemobilen, Quads, geschützten Radfahrzeugen, Kajaks, Booten, Fallschirmen oder zu Fuß. Je nach Gelände und Witterung.

Kampfschwimmer sind in allen Klimazonen weltweit einsetzbar. Zu den Einsätzen der Vergangenheit zählen z.B. Missionen auf dem Balkan, am Hindukusch-Gebirge und am Horn von Afrika. Zum eigentlichen Auftrag deutscher Spezialkräfte gehört unter anderem das Gewinnen von Schlüsselinformationen, Maßnahmen zur Abwehr terroristischer Bedrohung, der Kampfeinsatz gegen strategische Einrichtungen, und die Ausbildungsunterstützung von Partnerstaaten.

Doch bevor es so weit ist und die Soldaten eingesetzt werden können, müssen sie immer wieder beweisen, dass sie zur Leistungsspitze gehören.
In den ersten Wochen und Monaten der Kampfschwimmer- Ausbildung scheiden die meisten Anwärter wieder aus. Ausbildungsabschnitte wie Hallenausbildung oder Einsatzausbildung im Freiwasser sind eine große Hürde. Wer darüber hinaus den ersten Teil der Landkampfausbildung besteht, hat gute Chancen die gesamte dreijährige Ausbildung erfolgreich zu bestehen. Die letzten eineinhalb Jahre der Ausbildung sind geprägt durch fachliche Qualifizierung, wie z.B. Funkausbildung oder die erweiterte Handwaffenausbildung.

Trotz all der Strapazen schließen einige wenige Anwärter die nervenaufreibende Ausbildung erfolgreich ab. Diese Soldaten suchten die Herausforderung, schafften es ihre Grenzen zu überwinden und wuchsen über sich hinaus. Durchhaltevermögen und eiserne Willensstärke waren dafür die Voraussetzung.

Die Vorteile der verkürzten Beförderungszeiten oder die finanziellen Zulagen sind für die Wenigsten der Ansporn, um in die Kampfschwimmer-Ausbildung zu gehen. Das ständige Austauschprogramm mit den US Navy Seals ist da schon interessanter. Regelmäßig leistet ein deutscher Kampfschwimmerunteroffizier zwei Jahre Dienst in den Vereinigten Staaten und umgekehrt. Dies fördert die internationale Zusammenarbeit und beide Seiten profitieren voneinander.
Die 8 Kampfschwimmer haben ihren Auftrag erfüllt. Sie sind unbemerkt zu dem Piratencamp vorgedrungen und haben die nötigen Informationen eingeholt. Wie Schatten in der Nacht haben sie sich bewegt, gut getarnt und unauffällig. Noch bevor die Sonne aufging waren sie wieder auf ihrem Rückweg.

Infobox Kampfschwimmerausbildung

(Die Reihenfolge der Lehrgänge variiert)

  • Kampfschwimmervorausbildung 5 Wochen
  • Kampfschwimmereinsatzausbildung 12 Wochen
  • Einzelkämpfervorausbildung 2 Wochen
  • Kampfschwimmertaktik 9 Wochen
  • Kraftbootführerschein 3 Wochen
  • Einzelkämpferlehrgang Teil I 4 Wochen
  • Fallschirmspringerlehrgang automatik 4 Wochen
  • Kampftruppführer Teil I – (Fernmeldeausbildung) 2 Wochen
  • Kampftruppführer Teil II – (erw. Handwaffenausbildung) 6 Wochen
  • Kampftruppführer Teil III – (Spezialaufklärung) 4 Wochen
  • Kampftruppführer Teil lV – (Direkter Einsatz) 3 Wochen
  • Militärische Freifallausbildung 6 Wochen
  • Sprengleiter 3 Wochen
  • Sanitätslehrgang SpezKräfte (Pfullendorf) 3 Wochen
  • Überlebenslehrgang SpezKräfte (Pfullendorf) 3 Wochen
  • conduct after capture (Pfullendorf) 1 Woche
  • UL I (Plön) 3 Monat
  • UL II (Plön) 5 Monate
  • Englisch (SLP 1110) 3 Monate
  • Führerschein (BCE) 6 Wochen

Materielle Weiterentwicklung der Spezialkräfte der Marine

Zur Wahrnehmung aller Einsatzaufgaben der Spezialkräfte der Marine (SpezKrM) ist es unabdingbar, dass bei eine ständige Überprüfung und Anpassung der Einsatzverfahren der Spezialkräfte der Marine, ebenfalls die materielle und konzeptionelle Weiterentwicklung der Kampfschwimmer standhalten kann.

Um die verschiedenen Einsatzarten der SpezKrM zu beherrschen, sind Kampfschwimmer triphibisch ausgebildet. Ihr Einsatzraum bezieht also die See, die Luft und das Land mit ein. Sie sind ausgebildet, sich Über- und Unterwasser (mit Booten, schwimmend oder tauchend), durch die Luft (mit Luftfahrzeugen oder Fallschirm)oder an Land (mit Fahrzeugen oder zu Fuß) in ihren Einsatzraum zu bewegen. Aufgrund dieses  breiten Fähigkeits- und Einsatzspektrum trainieren die Kampfschwimmer ständig im In- und Ausland. Dies ist notwendig, um die spezifischen Einsatzarten und Einsatzverfahren zu verinnerlichen und jederzeit, innerhalb weniger Stunden, für die Einsätze der Bundeswehr bereitzustehen.

Der Einsatz eines Kampfschwimmereinsatzteams (KSET) als Notzugriffskräfte zur Befreiung der HANSA STAVANGER in 2009, zeigt ganz deutlich diese Komplexität auf.

Durch den engen Kontakt zwischen den Einsatzkräften der Kampfschwimmerkompanie und dem Bereich Weiterentwicklung des Kommando Spezialkräfte der Marine (KSM) erfolgt eine zielstrebige Auswertung und Aufarbeitung der gemachten Erfahrungen nach Einsätzen und  Weiterbildungsabschnitten der Kampfschwimmer (KpfSchw). Hierzu ist es von großer Bedeutung, dass das „Lessons Identified“ klar benannt wird um somit alle wichtigen Faktoren sehr schnell zu analysieren. Aus den gemachten Erfahrungen und des daraus entstehenden Handlungsbedarf ist es die Aufgabe des Bereich Weiterentwicklung, dass „ Lessons Learned“ umzusetzen um somit den Einsatzkräften neue Handlungsoptionen zu ermöglichen.

Ein Schwerpunkt stellt im Moment, vor dem Hintergrund des großen Einsatzspektrums der Spezialkräfte der Marine, die besonderen Fertigkeiten im taktischen Tauchen unter allen klimatischen Bedingungen sowie die taktische Verbringung auf See dar. Dieses umfasst den kompletten Bereich der Amphibischen Verbringungsmittel.

Beginnend beim elementaren Einsatz der Flossen der KpfSchw über die Nutzung von „Jetboots“ für den direkten Einsatz im Nah- und Nächstbereich an den Zielobjekten, über den Einsatz von Unterwasserscootern mit mittlerer Einsatzreichweite bis hin zur Nutzung von Schlauchbooten für größere Entfernungen. Diese sind geeignet aus druckfesten Behältern der U-Bootklasse 212 im Rahmen der  taktischen Verbringung betrieben zu werden.

Die Planung der Zukunft sieht im Moment eine Erweiterung der amphibischen Verbringungsmittel mit AMPHIBIOUS ALLTERRAIN VEHICLE (AATV),DIVER PROPULSION DEVICE (DPD) und MULTI-ROLE COMBATAND CRAFT (MRCC) vor.

Unter diesen Schwerpunkten werden verschiedenen Ausrüstungskombinationen für entsprechende Einsatzverfahren eines Einsatzes der Kampfschwimmer verwendet.  Deshalb ist es unabdingbar, dass nicht einzelne Projekte im Rahmen der Weiterentwicklung betrachtet werden, sondern der Ansatz des „Systemgedanken“ berücksichtigt wird. Jede Veränderung und Anpassung in der materiellen und konzeptionellen Weiterentwicklung der Spezialkräfte der Marine zieht eine Überprüfung und Anpassung der Schnittmengen (andere Ausrüstungsgegenstände) nach sich.

Vor diesem Hintergrund und der sehr hohen körperlichen Belastung beim Tauchen unter dem tropischen/subtropischen Klima, mit einer Wassertemperatur von 22 Grad bis 25 Grad, sowie bei Strömungstauchgängen in Kombination mit der kampfschwimmerspezifischen Ausrüstung, muss dieser „Systemgedanke“ berücksichtigt werden.

Aus diesem daraus resultierenden Systemgedanken ist z.B. eine Anpassung der Tauchausrüstung der Kampfschwimmer, und hier im Besonderen die Tauchanzügen für den Einsatz in unterschiedlichen Einsatzgebiete und klimatischen Zonen notwendig.

Um auf eine kurze Vorwarnzeit zu reagieren, verfügen die Kampfschwimmer über ein eigenes Führungs- und Unterstützungselement sowie Kräfte der direkten taktischen Unterstützung. Diese direkte taktische Unterstützung besteht aus einer eigenen Bootseinheit, dem Special Boot Team (SBT). Ihre Boote sind u.a. Jet- angetriebene Festrumpf- Schlauchboote Rigid Hull Inflatable Boats (RIHB), die sich durch ihren geringen Tiefgang, hohe Geschwindigkeit, Feuerkraft und Manövrierbarkeit auszeichnen. Trotzdem ist die Fähigkeit zur taktischen Beweglichkeit der SpezKrM von seegehenden Einheiten mit den RIHB nur eingeschränkt vorhanden. Um den zukünftigen Anforderungen und Aufträgen gerecht zu werden soll zukünftig das  System RIHB SpezKrM (Arbeitsbegriff) die vorhandenen Fähigkeitslücken geschlossen werden.

Text: Kapitänleutnant Kirschke, Oberleutnant zur See Wolf, Oberbootsmann Tesche

Fotos: Bundeswehr / Sandra Herholt, Bundeswehr / Andrea Bienert, Bundeswehr / Gerrit Burow, Bundeswehr / Björn Wilke

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