Den Umweg hatten sie sich ersparen wollen. Doch sowohl die Männer- als auch die Frauen-Riege des DTB verpasste bei den Weltmeisterschaften in Glasgow einen Platz unter den besten Acht und damit die direkte Qualifikation für die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro. Mitte April bietet sich bei einem Testevent in der Stadt an der Guanabara-Bucht nun eine zweite Chance, das Ticket nach Brasilien zu lösen. „Es gibt Schlimmeres, als zweimal an die Copacabana zu fahren“, versuchte Fabian Hambüchen (TSG Wetzlar-Niedergirmes) sich und seinen Kollegen Trost zu spenden. Dennoch war niemand glücklich über diesen „mittleren Betriebsunfall“, wie DTB-Sportdirektor Wolfgang Willam das Abschneiden der deutschen Teams in der schottischen Arbeiterstadt bezeichnete.
Dabei hatte zumindest die Mannschaft von Bundestrainer Andreas Hirsch trotz zahlreicher Verletzungsprobleme im Vorfeld lange auf Kurs gelegen. Dann jedoch patzten gleich drei Turner am Pauschenpferd. „Das war Rodeo, was wir da gemacht haben“, kommentierte Hambüchen. Der Routinier und sein Team fielen damit auf den neunten Rang zurück. Das knappe Scheitern macht allerdings auch Mut, schließlich gilt es im Frühjahr in Rio unter die besten vier Mannschaften zu kommen.
Das beabsichtigen auch die Turnerinnen von Cheftrainerin Ulla Koch. Bei ihnen war in der sehr gut besuchten, 8.000 Zuschauer fassenden Hydro-Arena, in der die Wettkämpfe wie eine große Show präsentiert wurden, von Beginn an der Wurm drin. Nach mehreren Stürzen landeten sie lediglich auf Platz zwölf, sind damit aber ebenfalls beim Testevent startberechtigt. „Es war viel Druck da, und wir konnten nicht auf den Punkt liefern“, räumte Pauline Schäfer (TV Pflugscheid-Hixberg) ein.
Sie selbst darf sich der Reise nach Rio bereits sicher sein. Denn in den Gerätefinals sorgte die in Chemnitz trainierende Saarländerin für einen Paukenschlag. Am Schwebebalken gewann die 18-Jährige am Finalwochenende Bronze und damit neben dem Olympiaticket das erste Edelmetall für ihr Land an diesem Gerät seit dem WM-Gold der Berlinerin Maxi Gnauck 34 Jahre zuvor. Dabei hatte Schäfer sich überreden lassen, den nach ihr benannten Salto seitwärts mit halber Schraube aus Sicherheitsgründen nicht zu zeigen. Im Training sei die Fehlerquote zu hoch gewesen, erklärte Koch. Nur ungern scheute die Schülerin das Risiko, doch nachdem sie sich während ihrer entscheidenden Kür nur ein paar Wackler leistete, während andere das Gerät verlassen mussten, durfte sie erstmals bei einer WM gemeinsam mit der US-amerikanischen Mehrkampfsiegerin Simone Biles und der Niederländerin Sanne Wevers aufs Podest steigen. „Das ist umwerfend, ich bin überglücklich“, erklärte Schäfer später. Sie habe bewiesen, dass sie sogar ohne den „Schäfer“ gut genug sei, vorne mitzuturnen. Dennoch will sie alles daran setzen, dieses besondere Element wieder in ihr Wettkampfprogramm aufzunehmen.
Für die anderen deutschen Gerätfinalisten lief es weniger gut. Schäfers Trainingskollegin und Sportsoldatin Sophie Scheder (TuS Chemnitz) war nach einem schönen Vortrag am Stufenbarren bei ihrem Abgang nicht sauber in den Stand gekommen. So wurde sie Achte in einer Entscheidung mit kuriosen Zügen, denn die Kampfrichterinnen setzten gleich vier Turnerinnen punktgleich auf den ersten Platz. Im Reckfinale einen Tag später turnten Bundeswehrsoldat Andreas Bretschneider und Fabian Hambüchen nach ebenfalls erheblichen Landeproblemen auf die Plätze fünf und sieben. Dabei beeindruckte der Chemnitzer Bretschneider mit dem nach ihm benannten Kovacs-Salto mit Doppelschraube. Dem Wetzlarer Hambüchen fehlten derweil wohl ein paar Körner: Der frühere Weltmeister am Königsgerät hatte das Mehrkampffinale zwei Tage zuvor wegen einer starken Erkältung absagen müssen.
So sorgte Elisabeth Seitz (MTV Stuttgart) für die beste deutsche Platzierung bei den Allroundern. Trotz eines lädierten Zehs, den sich die Sportsoldatin in der Qualifikation bei einer Drehung aus- und gleich wieder eingekugelt hatte, zeigte sie einen fast fehlerfreien Wettkampf und erzielte als Zehnte ihre bislang beste Mehrkampf-Platzierung bei einer WM. Schäfer belegte nach einem Sturz vom Schwebebalken Rang 19.
Text: Katja Sturm
Fotos: Rudi Brand; FIG/Minkus; DTB