Am 24. Dezember 1914 stellten französische, britische und deutsche Soldaten in der Nähe des kleinen französischen Städtchens Armentieres das Feuer ein, nachdem ein deutscher Soldat am Weihnachtsabend gerufen hatte “we not shoot – you not shoot”. Tausende waren in den letzten vier Monaten zuvor bereits gefallen. Hunderte trafen sich nun zwischen den Gräben, ein schottischer Soldat brachte einen Fußball mit. Auf dem blutgetränkten Boden spielten sie friedlich im sportlichen Wettstreit – um nach ein paar Stunden das Abschlachten fortzusetzen.
Die Idee, durch militärische Sportwettkämpfe Nationalismen in Streitkräften zu überwinden und dadurch den Frieden zu fördern, ist nicht neu. Schon kurz nach dem 1. Weltkrieg ließ US-General Pershing die 1. Interalliierten Spiele unter Beteiligung von 18 Nationen von fünf Kontinenten organisieren. So wetteiferten bereits 1919 über 1500 Athleten in 24 Sportarten in Joinville, einem der Vororte von Paris.
Ein zweiter Versuch nach Ende des 2. Weltkrieges. Nachdem bereits 1946 die zweiten Inter-Allied Games in Berlin veranstaltet werden konnten, hoben Colonel Debrus und Major Mollet im Mai 1946 den Allied Forces Sports Council aus der Taufe. Am 18. Februar 1948 wurde er dann in Nizza von Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden als CISM – Conseil International du Sport Militaire – offiziell gegründet. Obwohl nur europäische Nationen zu den Gründern zählten, verfolgt CISM von Anfang an unter seinem Motto „Friendship through Sports“ einen globalen Ansatz.
Gut aufgestellt
Mit der Aufnahme Myanmars am 29.04.2016 umfasst CISM heute 135 Mitgliedstaaten und zählt damit zu den größten globalen Organisationen, wenngleich sie im Unterschied zu den anderen samt ihrer weltweiten sportlichen Aktivitäten nahezu unbekannt ist. Durch Welt- und Regionalmeisterschaften in 24 Sportarten in vier Kontinenten und vielfältige andere Vorhaben (Sport & Peace Projects, Solidarity & Technical Assistance-Programme) setzt CISM sein Motto um. Abseits der im Mittelpunkt stehenden Sportwettkämpfe trägt CISM durch Sonderprojekte maßgeblich zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung der globalen Rolle von Militär wie zur Umsetzung seines Mottos „Friendship through Peace“ bei.
CISM verfolgt weiter sein Ziel, gleichzeitig Spitzensport und Militärsport zu fördern. Die derzeit 24 Sportarten werden ständig überprüft, ob sie weltweit in den Streitkräften ausgeübt und wie sie attraktiver und aufwandsärmer organisiert werden können. Als mögliche neue Disziplinen wurden benannt: Für die Sportart „Schießen“ archery – welches sich als weitere Parasport-Veranstaltung anbietet – bei Boxen/Ringen jeweils Wettkämpfe für Frauen, bei Schwimmen lifesaving und Tauchen sowie Indoor climbing als Wettkampf bei Winterweltmeisterschaften.
Gerade auch für den Bundeswehr-Anteil an der DEU Spitzensportförderung ist hervorzuheben, dass sich im Zuge der CISM World Games in Korea 162 Militärsportler für die Olympischen Spiele 2016 qualifizieren konnten. Mit weiterer enger Kooperation zwischen CISM und den Internationalen, teilweise auch regionalen Sportverbänden wird die Kompatibilität beider Bereiche, die Teilnahmemöglichkeit von Sportlern in Uniform an internationalen Wettbewerben, sichergestellt – eine auch für den Spitzensport in der Bundeswehr wichtige Funktion. Auch für die Bundeswehr könnte eine verstärkte Zusammenarbeit mit der zivilen Sportwelt (gemeinsame Wettkämpfe) Vorteile mit sich bringen.
Europa stellt mit der Organisation und der Teilnahme an Wettkämpfen in den anderen Staaten die Umsetzung des CISM-Ziels sicher. Allein in 2015 wetteiferten insgesamt 298 europäische Delegationen bei 28 Militärweltmeisterschaften mit anderen. Es fanden in Europa 33 Kontinental-, zwei Weltmeisterschaften und ein Euro-Cup statt. Bei der CISM-Weltmeisterschaft in Korea errangen europäische Militärsportler aus 39 (von 42) Mitgliedstaaten 382 Medaillen. Drei deutsche Schützinnen stellten in Korea einen Militärweltrekord auf! 2016 richtet CISM-Europa bislang 31 Kontinental-, neun Weltmeisterschaften und vier Euro-Cups aus.
Beitrag der Bundeswehr
Mit dem Vizepräsidenten für Europa und dem CISM-Europabüro, zwei Mitgliedern unter den sportlichen Direktoren, den Präsidenten im Fußball, Schwimmen und im Moderner Fünfkampf besetzt Deutschland wichtige Positionen in der CISM-Organisation. Ebenso in der Verwaltung ist die Bundeswehr mit den Vorsitzenden zweier Kommissionen sowie einer Auditorin zur Überprüfung des CISM- Haushalts einer der wichtigsten und höchstgeachteten Leistungsträger. Nahezu noch bedeutender sind die Wettkämpfe, welche die Bundeswehr veranstaltet bzw. an denen sie teilnimmt. Als Veranstalter von Weltmeisterschaften (fünf) liegt Deutschland zusammen mit den USA an zweiter, als Teilnehmer an Weltmeisterschaften (WMC, 22) an dritter Stelle. Naturgemäß steht die Sportschule der Bundeswehr als nationaler Ausrichter im Mittelpunkt deutscher Bemühungen: für 2016 ist eine Weltmeisterschaft Moderner Fünfkampf, 2017 jeweils die für Parachuting und Triathlon vorgesehen. Eine gewaltige Herausforderung wird jedoch das Ausrichten der CISM Winter Weltmeisterschaften 2021 sein – die organisatorischen Vorbereitungen dazu haben schon begonnen!
Handlungsfelder
Wie in allen internationalen Großorganisationen sind Gleichberechtigung, kulturelle Unterschiede, Finanzierung, Sponsorship und Marketing, nicht jedoch Korruption Themen. Wie in allen internationalen Sportorganisationen ist Doping ein Thema, wenngleich kein bedeutendes. CISM beachtet bei allen Wettkämpfen die Regeln der WADA. Jede der 262 Dopingproben allein bei den letztjährigen CISM-Weltmeisterschaften in Korea war negativ!
Auch wenn CISM sich als „a-politische“ Organisation versteht und im Kern beeindruckend danach handelt, spielen dennoch ab und zu politisch-kulturelle Vorbehalte eine Rolle, da das Verständnis von Demokratie und Gleichberechtigung nicht in allen Mitgliedstaaten dasselbe ist. Die Dualität von Militär- und Spitzensport bedingt ein ständiges Austarieren der CISM-Ausrichtung bzgl. weltweiter versus geringer Visibilität wie dem „Großen Geld“ versus geringem Budget. Im absehbaren Zeitraum wird CISM allerdings bei seinen Militärsport-Wurzeln bleiben und die Nachteile anderer globaler Sportverbände vermeiden können. Das Beibehalten gerade einer angemessenen Beteiligung der Bundeswehr an der Organisation CISM, wie an seinem Kern, den Militärsportveranstaltungen wird jedoch sicherstellen, dass weiterhin das CISM-Motto global mit Leben erfüllt wird: „Friendship through Peace“!
CISM Sonderprojekte
Cadet Games: Offizieranwärtern soll in ihrer Sozialisierungsphase mittels internationaler Sportwettkämpfe die multinationale und interkulturelle Seite ihres Berufes verdeutlicht und dabei Nationalismen/Vorurteile abgebaut werden.
Sport-(Militär)Wissenschaft: Mit der Wiederbelebung der virtuellen CISM-Academy sollen sport- und militärwissenschaftliche Erkenntnisse zwischen den Mitgliedern so ausgetauscht werden, dass Trainingsmethoden verbessert werden können. Ein in der Sport-/Militärwissenschaft an Bedeutung stark zunehmendes Feld ist die „Soldatische Fitness“, die weit über den sportlichen Kern von CISM hinaus Einsatzrelevanz erreichen könnte.
Parasport: Seit 2013 strebt CISM danach, bundeswehrseitig wesentlich gefördert, behinderte oder geschädigte Soldaten durch sportliche Aktivitäten zu unterstützen.
Women in Military Sports: CISM versucht, auch Militärsportlerinnen verstärkt in die Wettkämpfe einzubinden – bei Mitgliedern aus anderen Kulturkreisen keine geringe Herausforderung, welche jedoch das Umsetzen global gültiger Werte befördert. Mit einem Anteil von über 26% in 2015 dürfte CISM bezüglich der weiblichen Repräsentanz weltweit einen Spitzenwert erreicht haben.
Solidarity & Technical Assistance: Da naturgemäß Organisationsgrad und verfügbare Ressourcen vieler Mitgliedstaaten eine weltweite Teilhabe an CISM-Vorhaben erschweren, unternimmt es die Organisation, regionale Ausbildungsstätten und Teilnahmen an Veranstaltungen zu fördern.
Sport & Peace Projects: Nachdem der seit 2000 laufende „Futsal Cup“ zwischen den ehemaligen jugoslawischen (und kriegführenden) Staaten zur Vertrauensbildung beitrug und -trägt, sucht CISM nach weiteren Projekten, um durch Abbau von Vorbehalten und Aufbau von Vertrauen den Frieden zu fördern. Zurzeit bemüht sich CISM, Nordkorea mehr in die Wettkämpfe einzubinden und durch ein „Far East Sport Tournament“ (Nord-/Südkorea, Mongolei, China und das Nicht-Mitglied Japan) noch bestehende Spannungen zwischen den Militärs abzubauen.
Die Bundeswehr könnte abseits der beiden Felder Spitzen- und Militärsportförderung aus diesen Feldern durchaus größeren Nutzen ziehen.
Text: Oberst i.G. Dieter Weigold
Fotos: Bundeswehr/ Michael Mandt; Thomas Ströter; Andrea Bienert; Sebastian Wilke