Der Jubel war so ganz typisch für die emotionsgeladene Barbara Engleder, so hatte sie schon gejubelt. Noch mit ihrem Gewehr in der Hand drehte sie sich zum Publikum in der Finalhalle, fiel auf die Knie, riss beide Arme hoch, ballte die Faust, schrie ihre Freude heraus. „So etwas kann man nicht planen, da musste alles raus. Die ganze Arbeit, die vielen Male, wo ich meinen Sohn nicht ins Bett bringen konnte, die vielen Familienfeste, die ich versäumt habe“, sagte sie später, als sie sich schon wieder gefasst hatte, dafür jetzt mit der Goldmedaille um den Hals. Denn auf all die vermissten Dinge kann sie sich jetzt freuen. „Jetzt kann ich aufhören, ich habe jetzt alles gewonnen, was man gewinnen kann. Es ist ein Wahnsinn, ein krönender Abschluss.“
In Rio ist der 33-jährigen noch einmal Großes gelungen. Der Olympiasieg ist der größte Erfolg ihrer glanzvollen Karriere, die zuvor mit dem Sportgewehr-WM-Titel 2010 ihren Höhepunkt hatte. Außerdem bescherte die Sportsoldatin im Range eines Oberfeldwebels dem Deutschen Schützenbund und speziell auch Bundestrainer Claus-Dieter Roth nach vielen Enttäuschungen bei den letzten Spielen die erste Frauen-Gewehrmedaille bei den Spielen seit dem Silber von Petra Horneber 1996. „Das bedeutet mir viel. Jetzt stehe ich in einer Reihe mit den großen Namen der Petra und der Sperber Silvia.“
An diesen Sommer wird Henri Junghänel sein Leben lang lächelnd zurückdenken. Mit Gold um den Hals beginnt er eine neue Etappe. Im Juli gab er seine Masterarbeit ab, geschrieben auch in den freien Stunden bei vielen Lehrgängen und den Pausen zwischen dem Training. Mit 1,0 schloss er ab. „Ich bin jetzt Master of Engineering“, sagte er stolz in der Mixed Zone. Den zweiten Teil der Doppelbelastung schloss der 26-jährige ebenfalls mit Auszeichnung ab. Bei seinen ersten Olympischen Spielen gewann er auf Anhieb Gold im Liegendkampf und trat damit in die Fußstapfen von Christian Klees, dem in Atlanta das gleiche Kunststück gelang. Es war die erste Männer-Gewehrmedaille seit Christian Lusch‘ Silber 2004, ebenfalls im Liegendkampf.
Er reagierte auf den größten Erfolg seiner Laufbahn so cool, wie er die ganze Zeit über geschossen hatte. Einmal ballte er kurz die Faust, dann ging Christian Reitz erstmal in aller Ruhe zu seinem letzten Finalgegner Jean Quiquampoix aus Frankreich zum Handshake, nahm die Glückwünsche seiner Kollegen und der Trainer entgegen, um in aller Ruhe seine Waffe einzupacken. Von Siegereuphorie keine Spur. Auch später in den Mediengesprächen zeigte er ständig sein breites Grinsen und äußerte sich freundlich nüchtern. „Der Olympiasieg ist das i-Tüpfelchen auf meine bisherige Karriere“, sein emotionalstes Zitat.
Im Finale legte er beinahe einen perfekten Start-Ziel-Sieg hin. Nur einmal nach seinem Traumstart mit fünf Treffern lag er kurzfristig auf Rang zwei, doch der Sachse lieferte große Beständigkeit auf hohem Niveau. Sechs Serien mit jeweils vier Treffern folgten, zum Schluss setzte er noch eine perfekte Fünferserie dazu, damit war dem Polizeiobermeister Gold nach Bronze in Peking sicher.
Eigentlich hätte diese Medaille nicht gewonnen werden können. Die Pistolendamen hatten keinen Startplatz für Olympia gewonnen, erst durch den Quotenplatztausch mit den Gewehrschützen kam Monika Karsch an ihr Olympiaticket – das entpuppte sich als Glücksfall.
Aus Oberfeldwebel Monika Karsch sprudelte es heraus. „Es ist schon ein Traum, seit ich hier bin, ich habe weiter geträumt, und jetzt geht dieser Traum weiter. Es ist unfassbar.“ Nach acht Jahren bitterer Wartezeit hatte sie mit der Sportpistole den Bann durchbrochen und endlich wieder mit Silber eine Olympiamedaille für den Deutschen Schützenbund gewonnen. „Ich kann gar nicht sagen, wie sich das anfühlt. Es ist alles so emotional, es ist der Wahnsinn.“ Monika Karsch war an diesem Tag sogar die „Quoten-Queen“ im Fernsehen, mit 6,43 Millionen Zuschauern und einem Marktanteil des ZDF zu dieser Übertragung von 21 Prozent.
Der ganz große Wurf ist Andreas Löw zwar nicht gelungen, aber er hat dennoch ein hervorragendes Olympiadebüt geliefert. „Ins Finale zu kommen war mein erstes Ziel, und das gibt mir jetzt Motivation für die nächsten vier Jahre“, sagte der Hauptfeldwebel nach seinem sechsten Platz im olympischen Doppeltrapwettbewerb. „Ich habe mir wohl im Semifinale zu viel vorgenommen, das Abschneiden ist eine kleine Enttäuschung.“
Ausgelassene Euphorie ist in der Familie Unruh nicht angesagt. Als das Finale vorbei war, als Lisa mit Silber einen historischen Erfolg für das deutsche Bogenschießen erreicht hatte, huschte ein Lächeln über ihr Gesicht, sie winkte Richtung der kleinen Schar deutscher Zuschauer und umarmte Bundestrainer Oliver Haidn – das war es. Auch beim Telefonat mit ihrer Mutter fiel die Freude kompakt aus. „Wir freuen uns kurz und dann ist gut. Ich muss mich ja nicht 30.000 Jahre freuen.“ Spontan war es jedoch aus ihr begeistert herausgebrochen. „Das ist der schönste Tag in meinem Leben.“ 7,5 Millionen Menschen verfolgten vor den TV-Schirmen Unruhs Kampf um Gold, eine Quote von 25,6 Prozent. Zusätzlich betrieb sie Werbung in eigener Sache durch ihr Interview mit Katrin Müller-Hohenstein im Olympiastudio des ZDF hoch über dem Olympiapark.
Erst gegen den schier übermächtigen Südkoreaner Bonchan Ku kam das Aus, doch auch Ku musste nach dem Match schwer durchatmen, so sehr hatte ihn Floto gefordert. Unbeeindruckt lieferte er hervorragendes Schießen, verlor zunächst knapp mit 28:29, holte mit 26:26 seinen ersten Punkt, gewann 28:27, es stand 3:3-Remis. Doch Ku behielt die Nerven, gewann mit 30:26 und zeigte auch beim abschließenden 29:29-Unentschieden seine Klasse, wie Floto auch. Der Braunschweiger war damit Neunter – eine hervorragende Platzierung.
Text und Fotos: Harald Strier