Echte Kerle sind vermutlich einige in der Moto-Cross-Szene unterwegs. In den letzten Jahren füllen sich die Starterfelder der Damenklassen. Es sind genügend Frauen, die sich untereinander, aber auch mit den Herren im Wettkampf messen wollen. Stabsunteroffizier Kerstin Wilke ist eine von den „Renn-Amazonen“, die sich ins Getümmel dieses Geländesports stürzen. Wann immer möglich ist die 24-jährige auf den Strecken in der Umgebung ihres Wohnortes Düren zu finden.
„Mein Wohnort liegt ideal. Im Umkreis finden sich gleich mehrere MX-Bahnen, die ich ohne großen Aufwand erreichen kann“, erzählt sie. Die Nähe zu Belgien und den Niederlanden, wo Moto-Cross schon fast als Volkssport betrieben wird, bereichert das Portfolio der Trainingsplätze. So ist Wilke am Wochenende mit Freund Luca im Transporter unterwegs, um gemeinsam am Fahrstil und an der Technik zu feilen. „Die verschiedenen Untergründe und Streckenbeschaffenheiten fordern jeweils ihren eigenen Fahrstil und stellen mich vor unterschiedliche Herausforderungen“, berichtet sie aus ihrer Erfahrung. Insbesondere nach längeren Regenperioden, ist der Boden die größte Schwierigkeit. „Sand ist unglaublich konditionsraubend.“ Die nötige Fitness holt sich die Feldwebelanwärterin beim Dienstsport und privat im Fitnessstudio. Die Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining machts.
Nach einigen Erfolgen in lokalen Rennen und Serien, konzentriert sich Wilke derzeit auf ihre Ausbildung zum Feldwebel. „Da muss Cross hinten anstehen. Verletzen will ich mich so kurz vor Beginn der wichtigen Lehrgänge nicht!“ Ihr größter Erfolg ist bislang der 2. Platz von 350 Teilnehmern in einem 12-Stunden-Rennen vor wenigen Jahren, in der Kategorie Quad. Ist sie zwar hauptsächlich auf dem Vierrad unterwegs, so kann sie dem Angebot auch mal auf zwei Rädern zu starten nicht widerstehen. Die Kawasaki KX 450F erinnert sie an ihre Anfänge im Sport: „Schließlich habe ich im Alter von vier Jahren mal auf einem 50 ccm Kindermotorrad begonnen.“ Seitdem fesselt sie diese Sportart. Die „Kawa“ lässt sie schwach werden, wie sie gesteht, denn das Motorrad hat zwar ähnlich viel Leistung wie ihr 450er Quad, wiegt aber deutlich weniger. Den Um- oder Einstieg macht das Fahrzeug seinem Piloten / Pilotin recht leicht, da sich die Elektronik des Einspritzsystems per Mapping verändern lässt. Ein vorprogrammierter Stecker verändert die Leistungskurve der rund 50 PS nach unten zu mehr Drehmoment oder nach oben zu mehr Spitzenleistung. „Obwohl ich schon einige Jahre ausschließlich auf vier Rädern starte, kam ich mit der KX-F erstaunlich gut zurecht“, resümiert Wilke die Testfahrt.
Dennoch sollte man die Rennmaschine nicht unterschätzen. Zwar lassen sich die Motorcharakteristik und die Federelemente individuell einstellen, gehört eine gute Portion Respekt an den Tag gelegt. Das Motorrad geht ordentlich zur Sache und dreht auch aus den engsten Kehren vehement voran. Nicht vergleichbar mit einer für den Straßenverkehr zugelassenen Maschine mit ähnlichem Hubraum. Die moderne, luftunterstützte Federung der Kawasaki nimmt selbst üble Schlaglöcher und die gefürchteten „Waschbretter“ gelassen. „Erfahrung auf MX-Maschinen sammelt man am besten in den Moto-Cross-Clubs in der Nähe“, empfiehlt Kerstin Wilke, „diese bieten oft Schnupper- oder Einsteigerkurse auf handlichen Maschinen an.“ Sie selber fungiert in ihrem Verein – dem MSC Grenzland in Eschweiler – als Trainerin für die Jugend. In dieser Funktion lässt es sich auch gut für die dienstlichen Ausbildungsinhalte üben. Denn das Erklären von Fahrzeug- und Fahrtechnik erfordert eine solide Vorbereitung und Schriftstudium. Und am liebsten erklärt sie ihren „Schülern“, was den Moto-Cross-Sport so unwiderstehlich macht.
Text & Fotos: Rainer Petzold