Luftwaffensoldat Hendrik Pfeiffer: Mit silbernen Adlerschwingen über postimperiale Achsen

Im globalen Spitzensportjahr 2024 ruft Europas „Grande Nation“ die Jugend der Welt. Zum Kräftemessen international renommierter Eliteathleten in die Seine-Metropole Paris. Das sportive wie mediale Zentrum der XXXIII. Sommerspiele der Neuzeit wird mit Sicherheit die klassische olympische Kernsportart Leichtathletik repräsentieren. Vor allem während der im Stade de France ausgetragenen Wettkampfvorrunden, deren spektakuläre Einzel- und Teamqualifikationen schließlich in die disziplinspezifische Finaldramaturgie medaillengekrönter Höhepunkte münden dürften. Schon jetzt erscheint es als gewiss, dass Paris `24 auch zum Gipfeltreffen der weltweiten Marathon-Elite arrivieren wird.

2:01:09 Stunden oder die Neuvermessung des Homosapiens

Die Avantgarde dieser absoluten Ausnahmeathleten, deren aktuelle Weltbestzeit der Kenianer Eliot Kipchoge beim Berlin Marathon 2022 mit einer Fabelzeit von 2:01,09 Stunden aus seinen Beinen zauberte, absolviert den möglichst flach auszuwählenden 42,195 Kilometer langen Asphaltparcours mittlerweile mit Topzeiten um die 2:05 bis 2:06 Stunden – so jedenfalls die internationale Statistik des Leichtathletik-Weltverbands „World Athletics“ (WA) auf das Jahr 2022 zurückblickend. Geht es um die Attraktivität der Pariser Marathonstrecke, dürften die Olympiaplaner nichts an Spektakulärem ausgelassen haben. Bleibt es beim olympischen Kurs des Langstreckenklassikers, steht schon jetzt fest, dass die Streckenführung auf historischem Terrain stattfinden wird. Der Start erfolgt am mondänen Pariser Rathaus, führt um den Kilometer 23 – dem Wendepunkt zurück in Richtung Westen – am Prachtschloss von Versailles vorbei, um am Invalidendom im Zielaufbau zu münden.

Paris 2024 wirbt mit faszinierendem Marathonparcours

Eine Medaillenjagd auf geschichtsträchtigen Spuren, mit der sich die Republique Francaise während der Sommerspiele auf der kompletten Strecke gänzlich von ihrer kulturellen Seite präsentieren wird. Superlative, die dabei auch an Olympiahistorisches erinnern werden, denn Goubertin‘s Sommerspiele der Neuzeit wurden bereits zwei Mal in der Macht- und Kulturmetropole der nunmehr Fünften Republik ausgetragen – 1900 mit der II. Olympiade und 1924 mit der VIII. Olympiade! Paris `24, das ist schon jetzt ein echter Sehnsuchtsort für Hendrik Pfeiffer, der bereits mehrfach für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) im Adler-Trikot der Nationalmannschaft erfolgreich an den Start gehen konnte. In der nationalen Marathonszene ist der Militärathlet mit den Luftwaffenschwingen auf den Dienstgradschlaufen längst eine konkurrenzstarke Größe – nicht zuletzt durch seine topsportlichen Auftritte bei den Deutschen Leichtathletik-Meisterschaften 2022 in Hannover, wo sich Hendrik Pfeiffer im letzten April nach einem echten Kälterennen klar als nationaler Titelgewinner durchsetzen konnte. Der ehemalige Präsident des Berliner Leichtathletik-Verbands und jetzige Renndirektor des Frankfurt-Marathons, Christoph Kopp, erblickt in Hendrik Pfeiffer einen ebenso talentierten wie aussichtsreichen Athleten, der, wenn er über einen längeren Zeitraum verletzungs- und erkrankungsfrei durchtrainieren kann, über ein sehr hohes Ausdauerpotential und den nötigen Kampfgeist für die letztlich brutal anstrengenden 42,195 Kilometer verfügt.

Olympische Ambitionen: Hendrik Pfeiffer will auf‘s Pariser Trottoir

Doch um in der französischen Metropole bei den kommenden olympischen Kampfspielen die Boulevards und postimperialen Magistralen an der Seine via Sightseeing im Spitzentempo zu passieren, muss Hendrik Pfeiffer in der kommenden Saison die nahezu gnadenlos erscheinende Olympianorm erfüllen, die durch WA unlängst von 2:11:30 Stunden – der Qualifikationsnorm, die noch für die Sommerspiele 2020 in Tokio galt – auf 2:08.10 Stunden hochgeschraubt wurde. Ein Stresstest, bei dem Hendrik Pfeiffer jetzt vor allem seine schlafenden Energien wecken muss, die vor allem in einem durchgehend verletzungs- und erkrankungsfreien Trainingsverlauf angesiedelt seien dürften, will der 29-Jährige den erträumt knallharten Opfergang zum spektakulären Pariser Invalidendom durchstehen – ein unverrückbarer Zielkorridor, der folglich einen konsequent Körper-performten Spitzenathleten erfordert, um die sagenumwobene Langdistanz der Schicksale, Tragödien und Triumphe in Topform zu meistern.

Ausgeprägte Identifikation mit militärischen Tugenden: Hendrik Pfeiffer ist stolz darauf den Waffenrock der Deutschen Luftwaffe zu präsentieren.

Bundeswehr Sport-Magazin im Exklusivinterview

Hendrik Pfeiffer über den tieferen Sinn des Sportsoldatendaseins

Der Berliner Sportjournalist und Korrespondent Olympischer Spitzensport Volker Schubert traf den Pariser Olympia-Aspiranten während des letzten Berlin-Marathons, wo der Marathonsoldat in dem hochkarätigen Weltrekordfeld als Tempomacher fungierte, um sich für später geplante Herbst-Marathons in Form zu bringen im Waffenrock der Luftwaffe; ein Interview mit dem Deutschen Marathonmeister des Jahres 2022.  

2023 mit kreativen Laufprojekten und neuer Marathon-Heimat an der Leine

BwSportMag: Hendrik, für unsere Leser und Sportkameraden zunächst mal die journalistische Anamnese. Wo liegen Deine heimatlichen Wurzeln, wie sah Dein spitzensportlicher Werdegang bisher aus – also von den läuferischen Langdistanzen bis hin zum legendären Leichtathletik-Klassiker, dem Marathonlauf und seit wann kämpfst Du als Sportsoldat um olympisches Eichenlaub?  

Pfeiffer: Gerne Volker: Hendrik Pfeiffer, am 18. März in Düsseldorf geboren, bis Ende des Jahres im TV Wattenscheid vereinsangehörig gewesen, in diesem Jahr bald 30 Jahre alt, starte ich mit Jahresbeginn auch für meinen neuen Verein, den TK Hannover, wo ich auch ein großes Laufprojekt in Angriff nehmen werde. Denn den Vereinswechsel vollziehe ich nicht nur als Athlet, sondern auch als Gestalter um in dem Sportprojekt stabile Strukturen aufzubauen und mich kreativ einzubringen. Natürlich erfolgt auch deshalb mein Umzug in die niedersächsische Landeshauptstadt. Meine Marathonbestzeit in 2:10:18 Stunden bin ich 2020 im spanischen Sevilla gelaufen und meine Halbmarathonbestzeit über die Zeit von 1:02:05 Stunden konnte ich 2021 in Dresden erzielen. Und über die 10.000 Meter steht meine Bestzeit bei 29:10 Minuten; das war bei einem Deutschen Meisterschaftsrennen 2018 in Bad Liebenzell. Seit September 2020 bin ich Angehöriger der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Warendorf, das sind nun auch schon wieder über zwei Jahre – soweit zu Deiner journalistischen Anamnese.

Als Jugendkicker-Talent zur Läuferschmiede

BwSportMag: Dein kindlicher Bewegungsdrang scheint Dich schon sehr früh in einen Heimatsportverein gelockt zu haben. Deine jugendlichen Ambitionen lagen zunächst beim Fußball, wie bei so vielen Jungs. Parallel dazu absolviertest Du aber auch Laufeinheiten in einem benachbarten Leichtathletik-Club; sogar mit ersten Wettkampfambitionen. Was war letztlich der entscheidende Impuls, der Deine läuferische Flamme dauerhaft entzündete, die Dich bereits als U23-Athlet auf das Gleisbett Marathonlauf führte? 

Pfeiffer: Ich bin tatsächlich zum Laufen gekommen, um im Fußball besser zu werden. Ich habe acht Jahre lang, bis ich 14 Jahre alt war, Fußball gespielt. In unserem Dorfverein, dem Hoxfelder SV, bildete sich ein recht starker Jahrgang heraus, bei dem sich abzeichnete, dass durch die guten Kontakte unseres Trainers die Chance auf eine Talentsichtung mit einem Probetraining bestand. Das hat mich damals doch sehr motiviert und ich hatte tatsächlich im läuferischen Bereich meine Probleme. Ich war damals deutlich strammer, also rundlicher gebaut und wollte mich auch deshalb verbessern, denn ich war technisch ein durchaus guter Spieler. So kam es, dass ich mich dann dem lokalen Leichtathletik-Verein LAZ Rhede angeschlossen habe, um den Traum für das Probetraining bei Schalke wahr werden zu lassen. Das war eine parallele Phase, bei der ich dann meine ersten, schon recht gezielten Schritte im Lauftraining absolvierte.

Und genau in dieser Zeit zeichnete es sich für mich immer stärker ab, dass mir das Laufen einfach mehr Spaß und Freude bereiten würde. Hinzukam, dass ich auch den kameradschaftlichen Umgangston in der Leichtathletik-Gemeinschaft deutlich angenehmer empfand als den eher groben Ton beim Fußball. Das machte sich rasch auch als sportlicher Mentalitätswechsel bemerkbar und ich nahm bald an den ersten Kreismeisterschaften und wenig später bei den Nordrhein-Meisterschaften teil. Der nächste sportliche Schritt erfolgte dann bei dem Deutschen U18-Meisterschaften in Rhede, bei meinem Heimatverein, wo ich dann schon für Aufmerksamkeit sorgte. Da war ich aber noch weit davon entfernt an Europa- oder Weltmeisterschaften oder sogar Olympia und professionellen Spitzensport zu denken – das war eine spätere Entwicklung, die dann noch Jahre dauerte, bis ich in solchen Bereichen laufen konnte.

BwSportMag: Erfolgreiche Leichtathletik-Karrieren im Langstreckenlauf verlaufen oftmals über Distanzen zwischen 5.000 Metern bis 10.000 Metern wobei dann auch schon mal eine Überdistanz im Halbmarathon als Trainingsmittel eingestreut wird. Deine läuferische Performance hat dich aber schon in recht jungen Jahren zu den 42,195 Kilometern geführt. Was zeichnet Deine Antriebskräfte aus und woher stammt Deine Motivation Dich so intensiv mit der extrem trainingsintensiven Königsdisziplin im Langstreckenlauf auseinanderzusetzen?

Pfeiffer: Es war tatsächlich so, dass sich der Traum vom Marathonlauf schon recht früh als meine läuferische Zielrichtung herauskristallisierte. Ich war immer schon von Langstrecken wesentlich begeisterter als von kürzeren Bahndistanzen, die ich als jüngerer Athlet natürlich auch oft gelaufen bin. Oft habe ich nach dem eigentlichen Training, weil ich teilweise über eine Stunde auf den Bus warten musste einfach große Lust verspürt, noch einen Dauerlauf dranzuhängen. Ich bin dann in dieser Phase regelmäßig um den künstlich angelegten Aasee in Bocholt gelaufen – eine zehneinhalb Kilometer lange Runde. Und dieses Training bereitete mir deutlich mehr Freude als das sehr Laktat-intensive Training. Ich war wohl immer schon sehr ausdauerstark veranlagt und das Laufen langer Strecken empfand ich eben als sehr reizvoll. Deswegen habe ich mich auch sehr früh mit dem Marathontraining angefreundet. Dieser Prozess verfestigte sich mit etwa 23 Jahren immer stärker.

BwSportMag: Klar ist, dass Du als ambitionierter Marathonläufer schon rein physiologisch eher ein filigraner Ausdauertyp als ein muskulöser Schnellkraftleister sein musst. Dennoch gibt es mehrere sportwissenschaftlich belegte Wege nach Rom, wobei es grundsätzlich nicht ohne lange Tempodauerläufe geht, wenn man als Sportler zunächst in die Welt unter 2:30 Stunden eintauchen will. Aber auch hier scheiden sich die Methodenwege: einige Konkurrenten trainieren stärker über Varianten innerhalb der Ausdauermethode, absolvieren dabei regelmäßig Wochenkilometerleistungen mit weit über 200 Kilometern, andere Athleten bevorzugen verstärkt die intensive Intervallmethode, während ein Teil Deiner Laufgegner einen Mix aus beiden Methoden favorisiert. Wie sieht hier Dein Programm aus und wie gehst Du mit dem Fakt um, dass Dir das Laktat-intensive Training nicht so behagt, Du die Notwendigkeit dieses Trainingsmittels aber dennoch klar auf dem Schirm hast?

Mit unermüdlichem Biss und Organkraft

Pfeiffer: Straßenläufe und Halbmarathons bin ich von Anfang an gelaufen und da war meine Stärke für mich auch deutlich erkennbar, was sich ja bis heute durchgezogen hat. Deswegen bin ich auch sehr gut darin, ein hohes Tempo auf einer langen Distanz zu halten, erkenne auf der anderen Seite aber meine Schwächen in der Grundschnelligkeit. Klar ist, dass ich mich mit Laktat-intensiven Training auch noch einmal deutlich verbessern kann, was die langen Unterdistanzen betrifft. Ich bin mit meiner Bestzeit über die zehn Kilometer in 29:10 Minuten schon an dem Punkt angelangt, bei dem ich die gleiche Zeit beim Halbmarathon durchlaufen muss, um meine Bestzeit zu verbessern. Hier liegt natürlich auch mein kommender Trainingsansatz, um mir dieses Potential dauerhaft zu erschließen. Klar ist aber auch mein Trainingsschwerpunkt beiden langen Läufen und da freue ich mich schon jetzt wieder auf die kommenden Long-Runs und natürlich auch auf lange Tempoeinheiten. Bei schnellen 200tern-, 300tern- oder 400tern in Serie auf der Bahn hingegen, da muss ich mich schon wirklich sehr überwinden.

Traum vom Profisport ohne Bundeswehr kaum möglich

BwSportMag: Ohne Zustimmung des DLV in spitzensportfachlicher Kooperation mit dem Deutschen Olympischen Sportbund ist eine Zugehörigkeit im militärischen Sportfördersystem faktisch unmöglich. Einen Platz in einer Sportfördergruppe zu ‚ergattern‘, ist daher auch immer ein Balanceakt, der sich eng am aktuellen wie perspektivischen Leistungs- und Gesundheitsbild der Athleten orientiert, denn die Zuweisungsverlängerung erfolgt jährlich immer wieder neu – zumal, die je nach olympischer Sommer- oder Wintersportart vorhandenen Förderplätze sind kontingentiert und damit begrenzt. Für so manchen Athleten glich die Aufnahme ein das Sportfördersystem der Streitkräftebasis durchaus einer Odyssee. Wie verlief hier Dein Weg in die Spitzensporttruppe, auf dem Du bildlich gesprochen Laufschuhe und Feldanzug gleichzeitig trägst?     

Pfeiffer: Meine Aufnahme in die Sportfördergruppe der Bundeswehr gleicht in der Tat schon einer kleinen Irrfahrt mit insgesamt drei Anläufen. Als ich den Marathon erstmals in 2:13 Stunden lief, reichte die Zeit einfach noch nicht aus, um in der Bundeswehr spitzensportgefördert zu werden. Dann wiederum hatte ich die Kriterien erfüllt, war aber nicht vollständig von einer notwendigen Fußoperation genesen, denn hier gilt die militärmedizinische Regel, dass nach einer Operation an einem für die Sportart relevanten Körperglied eine bestimmte Heilungszeit verstrichen sein muss, um als Sportsoldat tauglich gemustert zu werden. Nach meiner 2:10 Stundenzeit in Sevilla gelang dann schließlich mein dritter Sprungversuch mit erfolgreicher Aufnahme in die Bundeswehr-Sportförderung.

Die Bundeswehr hatte ich spitzensportlich schon lange auf dem Schirm. Insofern bin ich dankbar für die Aufnahme, denn ohne diese Unterstützung ist ein professionelles Marathontraining in diesen Sphären so gut wie unmöglich. So sind nun mal die knallharten Fakten: ich komme weder aus einem reichen Elternhaus, noch verfüge ich über einen nobelen Gönner, um mich finanziell sorglos durchschleifen lassen zu können. Das Fördersystem ist natürlich sehr elitär, denn ein Eintritt ist nur möglich, wenn man bereits gestandener Athlet ist. Die Bundeswehr bildet hier gewissermaßen die Basis für die sportlichen Erfolge. Ohne die Bundeswehr ist der Traum vom Profisport aus meiner Sicht heutzutage jedenfalls kaum mehr realisierbar.

Irgendwelche Berührungsängste, was beispielsweise die Grundausbildung am Sturmgewehr oder an der Dienstpistole, das Tragen der Uniform und das damit verbundene Repräsentieren Deutschlands betrifft, verspüre ich jedenfalls zu keinem Zeitpunkt. Ganz im Gegenteil: durch meine militärische Zugehörigkeit in der Sportförderung vollzieht sich gleichzeitig auch eine logische Einbettung in die staatliche Institution Bundeswehr. Das soldatische Repräsentationsgebot, nämlich für Deutschland als Leichtathlet persönlich beste Leistungen zu erzielen, verstehe ich eben auch als meinen militärischen Kernauftrag im Spitzensport Marathonlauf. Für mich ist die Spitzensportförderung keine Einbahnstraße, sondern Teil der Rolle eines gegenseitigen Gebens und Nehmens, mit der ich mich hinsichtlich der Außendarstellung über sportliche Leistungsnormen und nationale wie internationale Spitzenplatzierungen sehr gut identifizieren kann.           

BwSportMag: Da höre ich viel an soldatischem Selbstverständnis und einem außergewöhnlich hohen Grad an mentaler Identifizierung mit der Truppe und dem militärischen System insgesamt heraus. Du hast Dich offensichtlich schon sehr frühzeitig und recht intensiv mit Deiner Rolle als Sportsoldat auseinandergesetzt. Würdest Du Deine intrinsische Motivation noch weiter erläutern?    

Soldatisches Selbstverständnis: Topathlet pflegt militärische Tugenden

Pfeiffer: Mein Anliegen als Sportsoldat ist es, die Bundeswehr – quasi als meinen Arbeitgeber – zu repräsentieren, der für mich als staatliche Institution deutlich mehr widerspiegelt, als ein gewöhnlicher Arbeitgeber. Ich fühle mich als Sportsoldat meinem Auftrag verpflichtet, habe dafür auch einen Eid geschworen, den ich sehr ernst nehme. Als Spitzensportler habe ich eine besondere Aufgabe, der ich auch in vollem Umfang gerecht werden möchte: das beinhaltet für mich nicht nur schnell zu laufen, sondern auch öffentlich zu zeigen, dass es in Deutschland dieses Sportfördersystem in der Bundeswehr gibt und sich folglich auch nicht wegzuducken oder die militärische Zugehörigkeit zu leugnen.

Das Tragen der Uniform ist darin folglich auch ein zentraler Faktor! Sich offensiv in Uniform zu zeigen, ist somit auch ein Identitätsbekenntnis. Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, das meine Zugehörigkeit zur Bundeswehr auf meinem Trikot gut erkennbar ist. Beim Berlin-Marathon im September letzten Jahres war genau das meine Mission: Ich war als Sportsoldat im Einsatz und deshalb war es für mich selbstverständlich den Dienstanzug der Luftwaffe auch nach dem Rennen im offiziellen Eventumfeld zu tragen. Das ist der tiefere Sinn des Sportsoldartendaseins, einer Aufgabe der ich in jedem Fall gerecht werden will.

Zwischen gesundheitlichen Rückschlägen und Dresdner Höhenflügen

BwSportMag: Schauen wir beide in Deine letzten zwei Wettkampfjahre und den Verlauf Deines spitzensportlichen Werdegangs zurück. Welche Wegmarken kennzeichnen hier die bedeutsamsten Abschnitte und welches Resümee ziehst Du anhand Deiner Retrospektive, die für Dich gewiss auch Impulsgeber für das Wettkampfjahr 2023 und ganz besonders das Olympiajahr 2024 ausschlaggebend sein dürfte?     

Pfeiffer: Da möchte ich mit meinem Wettkampfeinstieg im Frühjahr 2021 beginnen: Der damalige Elitewettkampf in Dresden fand gewissermaßen als Special Event unter verschärften Corona-Auflagen im Großen Garten noch deutlich vor Olympia 2020 in Tokio statt. Ich hatte mich zuvor extrem gut vorbereitet, wollte danach noch einen Frühjahrsmarathon laufen, fing mir am Dresdener Rennwochenende dann leider Corona ein. Das Rennen in Dresden lief für mich noch hervorragend, aber zwei Tage später lag ich schließlich Corona-infiziert komplett flach. Insgesamt hat mich die Infektion den Frühjahrsmarathon gekostet und die weitere Saisonvorbereitung verlief entsprechend holprig. Meine Olympiaqualifikation war dann schon eine Zitterpartie, obwohl ich meine Zeit schon vorgelegt hatte. Ich musste deshalb auch ziemlich bangen, ob ich aufgrund des Wettkampfausfalls im Frühjahr noch zu den Marathon-Top-drei in Deutschland gehören würde.

Durchbruch in Elbflorenz. Im Corona-Frühjahr 2021 stürmte Hendrik Pfeiffer in der sächsischen Landeshauptstadt zur Halbmarathon-Bestzeit.

Das war eine schwierige Zeit, aber das optimale Vorbereitungstrainingslager in Kenia, das ich vor dem Dresdener Halbmarathon durchgezogen hatte, machte sich dann schließlich trotz Corona doch bezahlt. Von der dort getankten Kraft konnte ich auch noch 2022 zehren. So war ich letztes Jahr für drei Monate am Stück in Kenia trainieren, was sich sowohl mental als auch körperlich als extreme Herausforderung erwies. Auch diese Mühen zahlten sich schließlich aus, denn ich bin im letzten Frühjahr in Hannover in erneuten 2:10 Stunden Deutscher Marathonmeister geworden. Ein sportliches Ergebnis, das ich letztlich auf meine wochen- bis teils monatelangen Trainingslageraufenthalte in Kenia zurückführe.

BwSportMag: Das Spitzensportjahr 2022 war, was die internationale Wettkampfdichte betraf, sicherlich eine ganz besondere körperliche Herausforderung, denn nur wenige Wochen nach den Leichtathletik-Weltmeisterschaften im US-amerikanischen Eugene im August trafen die kontinentalen Topleichtathleten bei den europäischen Titelkämpfen in München aufeinander. Gerade der deutschen Marathon-Equipe gelang hier mit Richard Ringer als Europameister an der Spitze ein ebenso spektakulärer wie fulminanter Paukenschlag, bei dem Du in der Teamwertung zur deutschen Silbermedaille beitragen konntest. Danach warst Du bis in den Spätherbst hinein in der internationalen Marathon-Szene ausgesprochen aktiv unterwegs: was waren die Gründe für Deine Wettkampfgestaltung, die gerade im letzten Quartal eine außergewöhnlich hohe Wettkampfdichte widerspiegelten?   

2022: Jahr nationaler wie internationaler Glanzlichter

Pfeiffer: München war rückblickend natürlich eines der ganz großen Highlights in 2022. Ich wurde Vizeeuropameister im Team, was ein Riesenerfolg für mich war. Das Rennen verlief etwas undankbar, weil ich zuvor meine zweite Corona-Erkrankung durchstehen musste, was meine Vorbereitungen auf die EM in München massiv beeinträchtigte. Beim EM-Marathon war ich deshalb nicht in Topform, freue mich aber dennoch zum Team-Silber beigetragen zu haben. In echter Wettkampfform wäre ich ganz gewiss deutlich schneller gelaufen, konnte das Rennen in München aber zur Formentwicklung nutzen, um dann wieder vollkommen gesund im Spätherbst beim Frankfurt-Marathon an den Start zu gehen.

Durchbruch zwei nach bravouröser Renneinteilung: Im Frühjahr 2022 erkämpfte sich Hendrik Pfeiffer in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover souverän den Deutschen Meistertitel im Marathon.

Dort konnte ich mit Rang sieben unter den vielen Kenianern einen echten Erfolg als schnellster Europäer einfahren. Bedauerlich wirkten sich hier allerdings die viel zu warmen 23 Grad im Oktober aus, denn ich hatte für eine 2:09 Stunden trainiert und die hatte ich auch drauf. 2022 unterm Strich, das war ein äußerst unrundes Jahr mit dennoch erfreulicher persönlicher Bilanz: Deutscher Marathonmeister, zwei Marathon-Topzeiten, Europameisterschaftsteam-Silber und zwei mit etwas mehr Glück mögliche Spitzenplatzierung in Marathon-Elitefeldern. Das alles zusammen gibt mir viel Kraft für die Saison 2023.

BwSportMag: Der Frankfurt-Marathon Rennchef und erfahrene Langstrecken-Trainer Christoph Kopp sieht in Dir ein echtes Marathontalent, meint aber, dass Du Deine 10.000 Meter Bestleistung bald auf eine 28:30 Minuten herunterschrauben solltest, um Deine 2:09 Stunden-Träume und potentielle Zeiten darunter über die signifikante Verbesserung der Schnelligkeitsausdauer verwirklichen zu können. Insofern bitte ich Dich um einige Einblicke in Deinen Trainingsalltag, also, was die Trainingsumfänge pro Woche angeht, die zyklische Planung und natürlich den Variantenreichtum hinsichtlich laufspezifischer Sportmotorik und den stoffwechselseitigen und organphysiologischen Anpassungsprozessen betrifft – was steht da bei Dir in den nächsten Monaten auf dem berühmten Zettel?

Operationsart Angriff: Die neue 10.000 Meter-Bestzeit

Pfeiffer: Christoph Kopp hat natürlich völlig recht. Es ist mir ein großes Anliegen meine 10.000 Meter Zeit mittelfristig deutlich zu verbessern – das ist jetzt absolut überfällig. Das hat in den letzten Jahren aber leider nie geklappt, weil ich einerseits die großen Marathonläufe im Visier hatte und andererseits zur falschen Zeit Verletzungen oder Erkrankungen – wie Corona – durchzustehen hatte. In den Phasen, wo ich durchaus auch die Unterdistanzen angehen wollte, wurde meine Trainingsplanung immer wieder durch medizinisches Ausfallpech durchgewirbelt. So war ich nach dem Trainingseinstieg regelmäßig gezwungen, mich gleich wieder auf das demnächst anstehende Marathonrennen vorzubereiten. Bald deutlich unter 29 Minuten zu rennen, das ist für mich jetzt ein absolut notwendiges Ziel.

Mut zur Attacke:  2023 will der zäheste Marathonläufer der Luftwaffe seine 10.000 Meter Bestzeit attackieren – zur Steigerung der Tempohärte für die olympische Marathonnorm Paris 2024.

Im Training spiele ich aber weiterhin meine großen Stärken aus: und das sind nun mal die langen Läufe, also das Halten einer hohen Geschwindigkeit auf einer sehr langen Distanz. Umfangreiche Tempoläufe gehören hier zum Standardrepertoire, wie beispielsweise mein sieben Mal 3.000 Meter Programm, was ich auch sehr intensiv vor Frankfurt absolviert habe und selbstverständlich die Long-Runs, die bei mir qualitativ sehr hochwertig gelaufen werden. Generell ziehe ich ein sehr hohes Dauerlaufniveau durch. Ich laufe nie über einem 3:50er Minuten-Schnitt pro Kilometer – selbst bei den ruhigen Trainingseinheiten am Nachmittag. Trotzdem will ich den Fokus in nächster Zeit auch verstärkt auf 200ter- und 300ter Bahnintervalle legen, um mich in die Form zu bringen, mit der ich deutlich die 29 Minuten brechen kann. Das habe ich auf dem Schirm und dennoch habe ich mein Ausdauerpotential für den Marathon noch immer nicht voll ausgereizt.

Deutlich bessere Chancen auf schnellere Marathonzeiten versprechen ohne Zweifel die 28:30 Minuten über zehn Kilometer, wenn ich klar unter 2:10 Stunden rennen will. Wenn ich auf meine wöchentlichen Trainingsumfänge blicke, hatte ich vor Frankfurt über sieben bis acht Wochen konstant so um die 195 Kilometer bis 200 Kilometer zu stehen – das war gewiss auch ein Schritt nach vorn. Sonst bin ich pro Woche immer so um die 170 Kilometer gelaufen. Das Niveau über bis zu zwölf Wochen stabil auf 200 Kilometer hochzuschrauben, stellt für mich deshalb ein weiteres qualitatives wie quantitatives Trainingsziel dar. Ebenso, wie das Verlassen der Komfortzone für mein Vorhaben die 10.000 Meter Zeit zu verbessern, da will ich zu künftig auch massiv in die Laktat-Einheiten ansteuern. Damit sind die laktaziden Impulse auf jeden Fall eine meiner zukünftigen Baustellen, die ich auf dem Trainingszettel zu stehen habe.

Hendrik Pfeiffer, Topläufer hegt journalistische Ambitionen

BwSportMag: Hendrik, Du hast trotz Deines spitzensportlichen Engagements dennoch die Karriere nach der Karriere im Blickfeld, hegst dabei journalistische Ambitionen. Wie sehen da Deine beruflichen Weichenstellungen potentiell aus?  

Pfeiffer: Meine Stärke lag schon immer im Schreiben, sodass Journalistik als Studiengang nahelag. Dementsprechend liegt mein Schwerpunkt im Printbereich, aber ich sammle jetzt auch schon Erfahrung mit Sprechformaten, zum Beispiel durch meinen eigenen Podcast, der jeden Dienstag erscheint. Für das Magazin Laufzeit schreibe ich schon seit vielen Jahren freiberuflich. Ich habe auch schon vier Jahre lang beim Stahldistributor Klöckner & Co in der Unternehmenskommunikation gearbeitet. In diesem Bereich kann ich mir eine berufliche Zukunft am besten vorstellen, ebenso wie in der Eventorganisation. Ich sehe mich also am ehesten in der Wirtschaft, aber auch eine Tätigkeit als Presseoffizier käme für mich in Frage. Mein Studium habe ich fast abgeschlossen, es steht nur noch das Volontariat und die Bachelorarbeit aus. Insbesondere die Umsetzung des Volontariats ist vom weiteren Verlauf der Karriere abhängig, da die redaktionelle Praxisphase ein Jahr lang Vollzeitpräsent erfordert macht.

Ein Athleten-Feature inklusive Interview, das der Berliner Sportjournalist und Korrespondent Olympischer Spitzensport Volker Schubert exklusiv für Bundeswehr Sport-Magazin führte.  

Text: Volker Schubert

Fotos:  Volker Schubert / Hendrik Pfeiffer (privat)

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