Invictus Games Düsseldorf 2023 – Von der Reinkarnation des Patriotismus im postheroischen Zeitalter

Von Volker Schubert, Korrespondent Olympischer Spitzensport

Sport bildete im Ersten Weltkrieg den heroischen Referenzrahmen für ein vermeintlich „Größeres Spiel“. Die Tragik des Heldentums: Das Kampfgeschehen im industriellen Stellungskrieg forderte neben massenhaftem Blutzoll an Gefallenen auch unzählige Kriegsinvaliden, die erstmals durch gezielte medizinische Sportrehabilitation wieder in den gesellschaftlichen Produktions- und Lebensalltag eingegliedert werden sollten.

Geht es allgemeinhin um das sogenannte Militärische, hadert die Berliner Republik auch im 33. Jahr der Deutschen Einheit mit gewohnter Distanziertheit – dem bekanntermaßen als freundliches Desinteresse umschriebenen Phänomen. Auch wenn die angesichts des Ukrainekriegs kanzlerseitig ausgerufene Zeitenwende das wehrpolitische Koordinatensystem zumindest partiell in einen öffentlich akzeptierten Resilienz-Modus verschoben haben dürfte, bleibt der evident wahrgenommene Dauerbefund einer im Wahlvolk latent armeeskeptischen Perzeption erhalten. Schwieriges mediales wie gesellschaftliches Terrain also, in dem die erstmals in Deutschland ausgerichteten „Invictus Games“ (IG) – gewissermaßen als „Weltfestspiele der Unbezwingbaren“ – gesamtgesellschaftlich Fuß fassen sollen.

Wenige Wochen vor den Invictus Games 23 (IG23) thematisierte das Potsdamer Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) den soldatischen Phänomen-Komplex Krieg, Verwundung, Sport in einem Eintages-Symposium.

IG23 im populistischen Gegenwind

Nur zu reflexhaft subsummiert der ideologisch gefärbte Teil der Zivilgesellschaft die Legimitationsfrage von Streitkräften als allenfalls notwendiges staatliches Institutionen-Übel, postuliert Deutschland weiterhin als Friedensnation und sperrt die Bundeswehr per Zivilklausel-Diktionen aus Universitäten und Forschungseinrichtungen aus. So lehnen es die einflussreichen DGB-Ableger – die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ebenso wie Verdi – weiterhin vehement ab, den angestrebten wehrmateriellen Bundeswehraufwuchs mit einem 100 Milliarden Sondervermögen auszustatten. Genährt wird das gewerkschaftsseitige Nein durch ein apodiktisches Grundrauschen ebenso schamloser wie zynischer Kommentierungen aus dem linkspopulistischen Lager, die tendenziell bis ins Bösartige reichen.

Den rhetorischen Spitzenreiter innerhalb der vereinten Negativtöne dürfte dabei die Berliner Linksgazette „Taz“ abbilden. Die düstere Melange des alternativen Tendenzblattes mündete schon weit vor den Düsseldorfer Spielen in der kruden Behauptung, dass die IG ein unbedeutendes Sportfest wäre, das mit der Anwesenheit der ehemaligen Königlichen Hoheiten durch Harry und Meghan immer wieder künstlich „hochgeblasen“ werde. Ohnehin dienten die IG gut 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs erneut der Verklärung eines Ernst Jünger‘schen Weiterlebens nach Stahlgewittern. Zudem würden jene Kriegsversehrtenwettkämpfer, die sich auch in Deutschland „jetzt […] gerne ‚Veteranen‘“ nennen würden, ausschließlich aus der Nato mit dem Militärpakt kooperierenden Staaten stammen. Teilnehmer aus ehemaligen Feindstaaten suche man bei den Games vergebens. Ebenso erginge es auch den zivilen Bombenopfern der Unbesiegbaren, die bei den Versehrtenspielen nicht vorkämen. Wo „invictus“ draufstehe, entfalte sich ein Propagandagetöse, das im Kern nichts anderes sei, als ein Spektakel, das den Krieg mit anderen Mitteln fortsetze, wie die Taz fabulierte.

Linken-Sportpolitiker André Hahn: Fragwürdiges 40 Millionen-Spektakel

Vergleichbare Töne schlug kürzlich auch André Hahn, Sportpolitischer Bundestagsfraktionssprecher der SED-Nachfolgepartei „Die Linke“ an, der die IG23 als teure Propagandashow der Nato-Armeen zu enttarnen meinte. Der fragwürdige Nato-Sportevent mit einem 40 Millionen € Budget stelle zudem eine erhebliche Belastung für den deutschen Steuerzahler dar. Zweifelhaft wären die Düsseldorfer Spiele schon deshalb, weil dort versehrte Militärathleten gewürdigt würden, die ihre dauerhaften Schäden bei teils  „völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen“ erlitten hätten. Der zeitgleiche Versuch der Bundeswehr, die IG23 sowohl als gesellschaftliche Imagepolitur und zu Anwerbezwecken für mehr Freiwillige zu instrumentalisieren, sei hochproblematisch und zeuge von „Doppelmoral“, so Hahn. In jene Gemengelage reiht sich auch die Nato-feindliche Tonalität der Düsseldorfer Ratsfraktion der Partei Die Linke ein. Die IG missbrauchten sowohl den Sport aus auch „Kriegsverletzte zur Kriegsverharmlosung“ und dienten damit der Kriegsverherrlichung, so die Düsseldorfer Linken-Sprecherin Angelika Kraft-Dlangamandla.

Historiker Neitzel: Neue Tribal Cultures für die Kampftruppe nötig

Kritik der anderen Tonlage stammt indes von Sönke Neitzel: Bis heute ermangle es der Bundeswehr an „Tribal Cultures“, wie sie bei den britischen Streitkräften über Jahrhunderte hinweg gepflegt würden, wie der renommierte Potsdamer Militärhistoriker Sönke Neitzel jüngst im Zusammenhang mit seinem Standardwerk „Deutsche Krieger“ diagnostizierte und dabei auf die Versäumnisse des Bendler-Blocks im Hinblick auf eine angemessen konnotierte militärische wie waffengattungsspezifische Erinnerungspolitik hinwies. Ohnehin bewegt sich die Bundeswehr derzeit in schwierigem Fahrwasser, denn der Rückgang der Bewerberzahlen um sieben Prozent lässt die Hoffnungen auf das Erreichen des personalstrategischen Aufwuchsziels, die Truppe bis 2031 auf 203.000 Soldaten aufzustocken, nur zu deutlich schrumpfen. Ein demoskopischer Abwärtstrend der auch mit der Zahl der Kriegsdienstverweigerer unter den Zeit- und Berufssoldaten korreliert, die sich seit dem Beginn des Ukrainekriegs im Vergleich zum Vorjahr auf das Fünffache potenziert hat.

Buchvorstellung „Invictus“ am ZMSBw. In der kulturhistorisch bedeutsamen Potsdamer Villa Ingenheim führte IG23 Project Director Alfred Marstaller kapitelweise durch das als Comic-Werk gestaltete Medienprojekt, das einfühlsam ausgewählte Schicksalswege einsatzversehrter Soldaten skizziert.

Verfassungspatriotismus versus Repräsentanz-Misere

Erheblicher Unmut herrscht aktuell auch seitens der organisierten Einsatzveteranen, denn neben dem Fehlen eines nationalen Veteranen-Gedenktages ermangle es auf Seiten des Wehrressorts an zugkräftigen Bemühungen, die soldatische Memorialkultur auf ein repräsentatives Wahrnehmungsniveau anzuheben. Schwierige Rahmenbedingungen also, die sich den IG-Veranstaltern hier entgegenstemmen dürften, wollen die IG23 den politisch gewünschten Pathos- und Empathie-Level innerhalb der breiten Bevölkerung deutlich in die Höhe schrauben und dabei den oftmals bitteren persönlichen Folgen des scharfen Einsatzendes eine neue wie dauerhafte verfassungspatriotische Heimstätte des Respekts errichten. So werden die IG-Macher einen Spagat zu meistern haben, bei dem es zuvorderst um die Herzensgewinnung militärentwöhnter Bundesbürger für ihre Bundeswehr und deutlich weniger um die Erzeugung einer parlamentarischen VIP-Blase gehen dürfte. Ein schweres Gelände zwischen Wunsch, Hoffnung und Wirklichkeit, bei dem sich die mediale Schlagzahl mit Beginn des IG-Eröffnungszeremoniells unter dem linkspopulistischen Tenor, dass der megateure Sonderevent Teil einer brandgefährlichen Militarisierungskampagne sei, mit der die Bevölkerung klandestin an Tod, Krieg und Gewalt gewöhnt werden soll, noch um erhebliche Dezibel verdichten dürfte.

BwSportMag im Exklusivinterview mit der Chefetage der Düsseldorfer Invictus Games 2023, Project Director IG23, Brigadegeneral Alfred Marstaller

„Invictus Games eine weltweite Sportveranstaltung“

BwSportMag: Kurz vor der Leichtathletik-WM ab 19. August in Budapest unterstrich 800 Meter Ikone Sebastian Coe, Präsident von World Athletics, dass der Sport in einer unsicheren Welt der einzige Ankerpunkt sei. Zudem stelle der Sport letztendlich den wahrscheinlich [weltweit…] anpassungsfähigsten Organismus dar. Projiziert auf die IG23, mit der Deutschland definitiv militärsportliches Neuland betritt: teilen Sie diese recht universellen Ansichten und sehen Sie hier Kernbotschaften, die auf die Düsseldorfer Spiele anwendbar sind?

Marstaller: Bei den Spielen in Düsseldorf werden durch die Teilnahmen von Nigeria und Kolumbien zum ersten Mal alle Kontinente bei den Invictus Games vertreten sein. Wir können daher zu Recht behaupten, dass die Invictus Games eine ‚weltweite‘ Sportveranstaltung sind. Für die Sportler und Sportlerinnen ist der Sport definitiv ein ganz besonderer ‚Ankerpunkt‘ im Rahmen ihrer Rehabilitation. Sie verfolgen ein klares Ziel und der Sport gibt ihnen Kraft auf dem Weg zurück ins Leben. Neben den Wettkämpfern und Wettkämpferinnen stehen bei den Invictus Games deren Angehörige im Mittelpunkt. Auch sie tragen eine immense Last und sollen eine entsprechende Wertschätzung, Dankbarkeit und Unterstützung erfahren. Wir fördern durch verschiedene Aktivitäten den internationalen Austausch und hoffen, dass so bleibende Kontakte und Freundschaften entstehen.

BwSportMag: Anlässlich des kürzlich durchgeführtenMarsches der Erinnerung‘ für im Dienst zu Tode gekommene Soldaten bedauerte Ex-Verteidigungsstaatsekretär Peter Tauber, die Anspruchslosigkeit des Medienechos, wenn es um bedeutsames Ritual für die Truppe ginge. Presseseitiges Desinteresse musste man vor Wochen auch bei der IG23 Imagepräsentation in der Berliner Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen registrieren – jedenfalls, was die Berichterstattung der Leitmedien betraf. Ihre PTBS-Kampagne sucht man auf den Plakatwänden der Hauptstadt vergeblich, obwohl sich die Bundeswehr als Berliner Parlamentsarmee definiert. Mit welchen Konzepten wollen Sie die öffentliche Repräsentationslücke ‚Militär und Sport‘ und ‚Krieg und Verwundung‘ jetzt konkret schließen und welche Reputationsverläufe leiten Sie aus Ihrer aktuellen Medienresonanzanalyse ab, was die öffentliche Wahrnehmungskurve in puncto IG23 angeht?

Schaut optimistisch auf den deutschen IG23 Auftakt als „weltweite Sportveranstaltung“, so Alfred Marstaller zu Volker Schubert für Bundeswehr Sport-Magazin.

Marstaller: Der Schwerpunkt unserer Medienkampagnen liegt im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit den Spielen. Und wer mit offenem Blick durch Düsseldorf oder Köln fährt, für den sind die Invictus Games und auch unsere PTBS-Kampagne sehr präsent. In Berlin waren unsere PTBS-Plakate ebenfalls zu sehen. In den sozialen Medien bedienen wir insgesamt 10 Profile mit über 20.000 Followern, die stetig anwachsen. Dabei decken wir gleich zwei Blickwinkel dieses großartigen Ereignisses ab: Die Veranstaltung und die individuellen Geschichten der verwundeten, verletzten und verunfallten Soldatinnen und Soldaten im Team. Es besteht großes Medieninteresse für die Games, aktuell, also Anfang August bereits über 350 Akkreditierungen. Wir erwarten eine breite und interessante Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien.

Hinzu kommt, dass seit der Konsolidierung des deutschen Teams vor etwa 10 Monaten das mediale Interesse stetig steigt. So werden aktuell mehrere Langzeitprojekte begleitet und die bisher umgesetzten Kurzprojekte sind zahlenmäßig im oberen zweistelligen Bereich. Neben unserem Ziel, die öffentliche Wahrnehmung und Wertschätzung für verwundete und erkrankte Soldaten und Soldatinnen zu erhöhen, ist es uns besonders wichtig, die politischen Entscheidungsträger und –trägerinnen für dieses Thema zu gewinnen, denn Sie können die Rahmenbedingungen für die Rehabilitation der Betroffenen maßgeblich verbessern. Ich kann Ihnen daher berichten, dass das Interesse des parlamentarischen Raums sehr groß ist und ich optimistisch bin, dass die Invictus Games in Deutschland auch nachhaltig einen positiven Effekt auf die Wahrnehmung und Wertschätzung der betroffenen Soldaten und Soldatinnen haben werden.

BwSportMag: Bis dato war die deutsche Politik nicht müde, immer wieder das zivilgesellschaftliche Engagement des Landes zu betonen. Deutschland verstehe sich als Friedensmacht, Zivil-Klauseln sollen Militärs aus Universitäten und Schulen verbannen, so die gängigen rhetorischen Vokabeln. Das Fremdeln mit dem scharfen Ende des Soldatenberufs scheint hierzulande noch immer tief verwurzelt, wie die Wehrbeauftragte Eva Högl unermüdlich beklagt. Dem Unsichtbaren – wie den PTBS-Traumata – Sichtbarkeit verleihen, dem Sichtbaren – den erlittenen körperlichen Wunden – Respekt, Mitgefühl und Wertschätzung zollen, so würde ich ihre Leitbildkomposition interpretieren. Wie wollen Sie es unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen schaffen, die Merkur Spiel-Arena mit bis zu 30.000 Besuchern zu füllen, ohne dabei auf zahlreiche Stabilisatoren aus militärischen Reihen zurückgreifen zu müssen?

Marstaller: Wir sehen Besucher und Besucherinnen aus der Bundeswehr keinesfalls als ‚Stabilisatoren‘. Die Invictus Games sind in diesem Jahr Bestandteil der Persönlichkeitsbildung in den Streitkräften und das Interesse an den Spielen ist innerhalb der Bundeswehr sehr hoch. Für Schulen haben wir Programme entwickelt, um die Invictus Games in den Unterricht zu integrieren und erlebbar zu machen. Dieses Engagement wurde von den Lehrkräften und den Schülerinnen und Schülern sehr positiv aufgenommen. Mehrere Schulklassen waren bereits bei uns in Düsseldorf zu Besuch, während der Spiele erwarten wir über 12.000 Schülerinnen und Schüler. Unsere Aktivitäten fanden sowohl im nordrhein-westfälischen Schulministerium als auch in den angrenzenden Bundesländern Unterstützung. Unser Ziel ist es, während der Sportwoche täglich 10.000 begeisterte Besucher zu gewinnen, ich bin überzeugt, dass uns dies gelingen wird!

BwSportMag: Der deutsche Vorschlag, an den Düsseldorfer Wettkämpfen Angehörige sogenannter Blaulichtorganisationen – konkret deutsche Polizei- und Feuerwehrbeamte – teilnehmen zu lassen, stieß innerhalb der IG Foundation, die die IG als originär militärischen Event begreift, nicht auf Begeisterung. Kommentare sprachen vom deutschem Sonderweg und einer zusätzlichen Ankerfunktion, um die Arena füllen zu können. Was waren Ihre zentralen Beweggründe, die Sie auf der Wettkampfteilnahme einsatzversehrter Beamter staatlicher Exekutivbehörden bestehen ließen?

Marstaller: Ein Ziel der Invictus Games ist es, eine Veranstaltung der Anerkennung und Dankbarkeit für diejenigen zu schaffen, die für unsere Gesellschaft im Dienst ihre Gesundheit und ihr Leben riskieren und dabei schwer zu Schaden gekommen sind. Die besondere Kraft des Sportes für den schweren Weg der Rehabilitation wirkt unserer Meinung nach genauso für Angehörige der Polizei und der Feuerwehr! Daher lag es doch nahe, den Teilnehmerkreis entsprechend zu erweitern. Ob unser Pilotprojekt fortgesetzt wird, liegt an den Erkenntnissen aus Düsseldorf und in der Hand der Invictus Games Foundation.

BwSportMag: Obwohl die Militärathleten in Düsseldorf in ihren Landesfarben um Edelmetall ringen, verzichten die IG23 auf eine Nationenwertung. Harter Medaillenwettstreit ja, Staaten-Ranking nein, das klingt irgendwie ambivalent. Können Sie den Widerspruch auflösen?

Marstaller: Ich möchte Ihnen eine Szene beschreiben: als ich 2022 die Invitcus Games im niederländischen Den Haag besucht habe, ging eine britische Teilnehmerin mit einer Unterschenkelamputation an den 100m-Start. Als sie endlich mit Abstand als Letzte die Ziellinie erreicht hatte, was ihr sehr schwergefallen ist, sagte sie unter Tränen, dass dies das erste Mal gewesen sei, dass ihre Kinder sie hätten rennen sehen. Dies allein habe ihre Teilnahme gerechtfertigt. Sie wurde das Gesicht der Spiele in den Haag, solche Szenen stehen für die Invictus Games – hierfür brauchen wir wirklich keine Nationenwertung.

BwSportMag: Höher, schneller, weiter, heißt es in der Leichtathletik! Neben der Präsenz vielschichtiger IG23-Wettkämpfe, dürfte vor allem die olympische Kernsportart die Herzen der Zuschauer höher schlagen lassen. Neben den Sprint- und Laufwettbewerben, auf welchen Disziplin-Mix dürfen sich Wettkämpfer wie Publikum in Düsseldorf freuen?

Marstaller: Bei den Invictus Games werden Wettkämpfe in zehn Sportarten ausgetragen. Neun davon sind fester Bestandteil aller Spiele (Bogenschießen, Leichtathletik, Indoor Rudern, Bankdrücken, Sitzvolleyball, Schwimmen, Radfahren, Rollstuhl-Basketball, Rollstuhl-Rugby). Zusätzlich haben wir uns als Gastgebernation für die Sportart Tischtennis entschieden, die in Deutschland und ganz besonders in Düsseldorf zu den Kernsportarten gehört. Die Leichtathletik bereits zu Beginn ist natürlich ein wichtiger Auftakt, ich denke aber die besondere Emotionalität der Invictus Games wird sich vor allem in den Mannschaftssportarten zeigen.

BwSportMag: In den paralympischen Sportarten erfolgt die sportart- und disziplinspezifische Wettkampfeinteilung nach einem hochgradig ausdifferenzierten Klassifizierungssystems, um angesichts der Behinderungsgrade größtmögliche Chancengleichheit zu gewähren. Wie gestaltet sich das Wettkampf-Reglement IG23 und welches Regelwerk findet bei PTBS-erkrankten Soldaten Anwendung? 

Marstaller: Auch bei den Invictus Games werden die Wettkämpferinnen und Wettkämpfer anhand eines mehrstufigen Verfahrens in verschiedene Wettkampfklassen eingeteilt. Hierdurch wird ein fairer und zugleich spannender Wettkampf sichergestellt. Dieser Prozess wird bei den Invictus Games als Kategorisierung bezeichnet. Eine erste Einschätzung der jeweiligen Kategorie wird dabei durch die Teamärzte der jeweiligen Nationen vorgenommen. Im zweiten Schritt reisen ausgebildete ‚Kategorisierer‘ der Invictus Games Foundation dann in die jeweiligen Länder und verifizieren die Ergebnisse. Die finale Überprüfung findet im Rahmen der Nach-Kategorisierung hier in Düsseldorf statt. Dabei werden auch Wettkämpferinnen und Wettkämpfer kategorisiert, bei welchen eine Kategorisierung innerhalb der Nationen nicht durchgeführt werden konnte.

Marstaller betrachtet die Düsseldorfer Spiele als große Chance für mehr öffentliche Aufmerksamkeit, wenn es um die gesellschaftliche Anerkennung des Soldatenhandwerks geht.

BwSportMag: Die Düsseldorfer Spiele finden inmitten des brutalen Ukrainekriegs statt. Deutschland gilt als Unterstützernation Kiews als potentielles Sabotageziel und die Gefahr überwiegend islamistisch dominierter Terroranschläge erscheint keineswegs aus der Luft gegriffen. In der Balance zwischen intensiven Schutzbedürfnissen und sportbetonter Freizügigkeit, wie gestaltet sich das Sicherheitskonzept während der IG23?

Marstaller: Ziel aller Sicherheitsmaßnahmen ist, die IG23 ohne Störungen durch äußere und innere Einflüsse und Bedrohungen in einem sicheren Umfeld und in entspannter Atmosphäre stattfinden zu lassen. Der Schutz der Veranstaltung umfasst alle unsere Gäste und stellt insbesondere die Delegationen der Wettkämpferinnen und Wettkämpfer und ihre Begleitung in den Mittelpunkt. Die individuellen Sicherheitsbedürfnisse der zu erwartenden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der teilnehmenden Nationen werden darüber hinaus besonders berücksichtigt. Alle Maßnahmen wurden im Vorfeld eng mit den beteiligten Sicherheitskräften des Bundes, des Landes NRW und der Stadt Düsseldorf entwickelt und abgestimmt. Ergänzend zu den vorhandenen Sicherheitskräften werden auch Feldjäger der Bundeswehr zum Einsatz kommen, die im Rahmen ihrer rechtlichen Möglichkeiten unterstützen werden.

BwSportMag: Am Ende Hand aufs Herz, Herr Marstaller! Inwieweit sind die Bedenken berechtigt, dass die Düsseldorfer Spiele in Deutschland lediglich ein Strohfeuer medialer Blitzlichte entfachen, dabei szenische Momentaufnahmen erzeugen, die Kernbotschaft, nachhaltige Sichtbarkeit für militärische Interessen in der Berliner Republik zu etablieren, letztendlich aber verfehlen?

Marstaller: Ich stelle mich seit vier Jahren mit meinem ambitionierten Team der Herausforderung, die Spiele in Deutschland zu organisieren. Die von Ihnen angesprochenen Bedenken habe ich vereinzelt wahrgenommen. Aber: das Thema der Invictus Games ist im politischen Berlin angekommen, viel Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben zum Beispiel im Vorfeld durch Besuche in Den Haag, in Düsseldorf und beim Deutschen Team in Warendorf Interesse bewiesen und ihre Unterstützung zugesichert. Natürlich bleibt es eine Herausforderung, das durch die Spiele entfachte Interesse und Momentum zu nutzen, um Interessen und Anliegen der Betroffenen und ihrer Familien nachhaltig und dauerhaft weiter nach vorne zu bringen. Entsprechende Schritte sind eingeleitet, wir bleiben dran!

Die Fragen stellte der Berliner Sportjournalist und Korrespondent Olympischer Spitzensport Volker Schubert exklusiv für Bundeswehr Sport-Magazin.

Fotos: Volker Schubert

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