Hauptstadt präsentiert Bundeswehr-Topteam
Tag für Tag trainieren sie hart in den olympischen Sportarten und gehören dort zur nationalen Creme de la Creme. Teils sind sie wilde Newcomer, teils robuste Routiniers, teils eingefleischte Individualisten, teils ausgesprochene Teamplayer. Mal beeindrucken sie als wurfgewaltige Zwei-Meter-Hünen und mal als filigrane Powernixen vom Zehn-Meter-Turm. Doch trotz ihrer oft diametralen Erscheinung – in einem sind sie voll und ganz bei der Sache: Als Berliner Bundeswehr-Sportsoldaten bei den Olympischen Spielen in London ihre ganz persönliche, disziplinspezifische Visitenkarte abzugeben. Und um dabei natürlich auf dem Treppchen für das heiß ersehnte Edelmetall zu landen. Die ersten von ihnen haben ihr Themse-Ticket bereits in der Tasche. Der Berliner Sportjournalist Volker Schubert stellt zwei der Berliner „Flecktarn-Olympioniken“ vor.
Mittlerweile klebt er an jeder Litfaßsäule oder ziert die automatischen Billboards der Hauptstadt. Denn wenn es um die richtige Mischung aus absolutem Spitzensport und Spreeathener Lebensgefühl geht, ist Robert Harting genau der Richtige. So wirbt Berlins wurfgewaltigster Leichtathlet schon jetzt für nacholympische Meriten – posiert für das größte Leichtathletik-Sportfest der Welt, das am 2. September im Edeloval des Berliner Olympiastadions erneut für Furore sorgen wird. Bereits zum 71. Mal veranstaltet, ist das mittlerweile zur Hightech-Arena umgestaltete ehemalige Reichssportfeld – auf dem 1936 die XI. Olympischen Spiele der Neuzeit stattfanden – dann wieder das Megapodium für die Spitzenequipe unter den reisenden Leichtathleten.
Mann der klaren Worte
Der für den traditionsreichen Sportclub Charlottenburg (SCC-Berlin) startende Zwei-Meter-Hüne ist auch im richtigen Leben kaum zu übersehen. Und das nicht nur wegen seiner Körpergröße, die in wahrhaft athletischen Formen prangt, sondern weil Robert Harting oft auch kein Blatt vor den Mund nimmt: So düpierte der zurzeit beste Diskuswerfer der Welt, der über ein Kampfgewicht von 130 Kilo herrscht, die Öffentlichkeit wie den Deutschen Leichtathletik-Verband, als er während der Leichtathletik-Weltmeisterschaften 2009 in Berlin die öffentlich Freigabe von Doping-Mitteln befürwortete. Mit seinem schroffen Auftreten wollte Robert Harting allerdings auf den trotz weltweiten Verbots im Verborgenen stattfindenden Missbrauch verbotener Mittel aufmerksam machen. Zudem spielte Harting, der in Berlin seinen ersten Weltmeisterschaftstitel im Diskuswurf errang, auf Äußerungen an, die seinen Erfolgstrainer Werner Goldmann schon während DDR-Zeiten mit Doping in Verbindung brachten. Noch während der Weltmeisterschaften wurde Hartings Aktion durch den damaligen DLV-Spitzenfunktionär Eike Emrich als jugendliche Dummheit, die auf eine hohe Nervosität zurückzuführen sei, kaschiert.
WM-Medaille gefallenem Kameraden gewidmet
Klare Worte fand der Stabsunteroffizier (Feldwebelanwärter) auch im Sommer 2011, als er sich bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft im südkoreanischen Daegu seinen zweiten Weltmeistertitel erkämpfte. Bei der Siegehrung entschloss sich der frisch Gekürte seine Medaille seinem im Mai in Afghanistan gefallenen Freund und Kameraden Markus Matthes zu widmen. Die Todesnachricht sei für ihn der traurigste Moment gewesen, den er je erlebt habe, gestand der Militärathlet später gegenüber den Medien.
Kein Fußballfreund
Und auch in puncto Fußball hat Doppeldiskus-Weltmeister Harting so seine ganz individuellen Ansichten: Anfang des Jahres verlautbarte Spreeathens Diskushüne bei einem internationalen Biathlon-Meeting, dass er eine hohe Achtung gegenüber allen Leistungsportlern verspüre; außer gegenüber Fußballern. So kritisiert der mittlerweile 27–jährige, das sich das sportmediendominierende Kickerspiel ständig in den Fokus dränge und damit den Blick auf den Spitzensport anderer Disziplinen verneble. Die Folge sei ein völlig ungerechtfertigter Verdrängungswettbewerb, der der Nachwuchsgewinnung in anderen Sportarten das Wasser abgrabe.
Deutschlands Diskus-Doppelweltmeister greift nach der Olympiakrone
Doch ehe Wurfgigant Harting erneut mit medienträchtigen Verbalattacken für Schlagzeilen sorgt, hat der Sportsoldat von der Bundeswehr-Sportfördergruppe Berlin noch ganz andere Nüsse zu knacken. Denn um das Berliner Weltklassestadion erneut in kollektives Raunen zu versetzen, muss Robert Harting noch dringend an die Themse zu den Olympischen Sommerspielen nach London reisen. Dort will der aus Cottbus stammende Wahlberliner sich seinen ganz großen Traum erfüllen. Zu den zwei WM-Medaillen soll sich bald olympisches Gold hinzugesellen. Die Chancen dafür stehen ausgezeichnet:
Seit Mai ist Robert Harting nun auch ein 70-Meter-Mann. Bei den Hallischen Werfertagen ließ der SCCer sein Arbeitsgerät 70,31 Meter weit fliegen. Und nur drei Tage später gelang ihm der Nachschlag: Im tschechischen Turnov segelte seine Scheibe auf 70,66 Meter. Nun läuft der Countdown bis zum olympischen Höhepunkt. Der ist während der „britischen Spiele“, die am 27. Juli beginnen und bis zum 12. August andauern werden. Harting jedenfalls gibt sich zuversichtlich und hat der Konkurrenz aus Osteuropa bereits die Kampfansage erteilt – die geht vor allem an die Adresse von Estlands Olympiasieger Gerd Kanter, dessen litauischem Vorgänger Virgilijus Alekna und Polens Europameister Piotr Malachowski. Und auch das Knie scheint zu halten, denn nach den erheblichen Gelenksbeschwerden im Vorjahr, musste sich der robuste Diskushüne einer komplizierten Operation unterziehen.
Auferstandene Wassernixe
Das krasse Gegenteil von Robert Harting scheint die 52-Kilo-Elfe Hauptgefreiter Maria Kurjo zu sein. Wie Harting, hat auch die Berliner Wassernixe vom Berliner TSC bereits das Londoner Olympiaticket in der Tasche. Am Pfingstwochenende war die 23-jährige Wasserspringerin das Glanzlicht bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin. Ihr Sieg bei den Deutschen wog umso schwerer, weil die Berliner Sportsoldatin und Psychologiestudentin im Februar 2010 beim Rostocker Springertag einen schweren Trainingsunfall erleiden musste. Bei einem missglückten Sprungansatz zum Dreieinhalb-Delphinsalto war Maria Kurjo mit dem Kopf an die Plattform geschlagen und danach bewusstlos ins Becken gestürzt. „Nur“ eine Gehirnerschütterung und Platzwunde, so lautete damals die Diagnose, nach der sie für zwei Tage auf der Intensivstation bleiben musste.
Doch bald darauf trainierte die ehrgeizige Sportsoldatin wieder. Einen Monat später stand sie im Wettkampf und knapp ein Jahr später sprang sie wieder den „407 C“, wie der Delphinsalto im Turmspringerjargon heißt. Dass sie den Schwierigkeitsgrad des „Delphins“ wieder voll im Griff hat, belegte das Berliner Juryurteil bei den Deutschen deutlich: 81,60 Punkte erhielt Marie Kurjo für ihre Präsentation; die höchste Wertung des Wettkampfs. In London wird die Spitzenathletin dann für Deutschland vom Turm springen – durchaus mit guten Medaillenchancen wie Experten meinen.
Mit etwa 16 Athleten werden Berlins Bundeswehrsportler in London das 45-köpfige Hauptstadt-Olympiateam vertreten, wie Dr. Harry Bähr, Leiter des Hauptstadt-Olympiastützpunkts, gegenüber dem Berliner Sportjournalisten Volker Schubert bekannt gab. Die deutschen Leichtathleten werden dabei durch den Weltklassegeher Oberfeldwebel André Höhne unterstützt, der schon jetzt zu den Top-Ten seiner Disziplin zählt. Mit im Olympiaboot wird wohl auch die Fünfkämpferin Hauptgefreiter Annika Schleu sitzen und für den Deutschen Schwimmverband werden Hauptgefreiter Patrik Hausding und Stabsunteroffizier Nora Subschinski die Nationalfarben auf dem Sprungturm vertreten. Und für weiteres Flecktarn in Londons Arenen werden die Boxer Stefan Härtel und Enrico Kölling, das Badminton-Ass Juliane Schenk, der Schwimmer Tim Wallburger, die Beachvolleyballer Julius Brink, Jonathan Erdmann und Kay Matysik sowie die Bogenschützin Elena Richter und der zweier Riemenruderer Anton Braun sorgen.
Text: Volker Schubert
Fotos: OSP-Berlin / Volker Schubert