Die Langstreckenmeisterschaft auf dem Nürburgring begeistert seit Jahren Teilnehmer und Fans mit packendem Motorsport auf der wohl schönsten und gleichzeitig schwierigsten Rennstrecke der Welt: der Nürburgring-Nordschleife. Auch wenn die Traditionsstrecke in der Eifel derzeit mehr politische als sportliche Schlagzeilen generiert, kann sie abseits der Querelen um gekündigte Pachtverträge und versenkte Steuergelder mit Europas größter Breitensportrennserie aufwarten. Auch in ihrer 36. Saison bot die Langstreckenmeisterschaft an zehn Samstagen im Jahr Motorsport zum Anfassen. Wo bei anderen Veranstaltungen am Eingang zum Fahrerlager der Zutritt verwehrt wird, ist es in der Langstreckenmeisterschaft möglich, die Boxen, ja sogar die Startaufstellung zu besuchen und mit den Teilnehmern ein paar Worte zu wechseln. Und derer gibt es viele. Regelmäßig duellieren sich 150 bis 180 Fahrzeuge in rund 30 Klassen. Das sorgt für spannende Positionskämpfe und bietet aufgrund des besonderen Punktesystems, die maximale Punktzahl ist abhängig von der Anzahl der Konkurrenten innerhalb der Klasse, realistische Titelchance für zahlreiche Teilnehmer mit den unterschiedlichsten Fahrzeugkonzepten.
Zu diesem umfangreichen Kreis von Titelaspiranten gehört auch Hauptfeldwebel Mario Merten zusammen mit seinem langjährigen Teamkollegen Wolf Silvester und seinem erfolgreichem Team Bonk Motorsport aus Münster. Der gebürtige Nürburger konnte den Meistertitel bereits dreimal einfahren. Während er 2002 noch alleine feiern musste, ist in den Jahren 2006 und 2010 Wolf Silvester mit auf dem Siegerpodest gewesen. Auch für 2012 hatte man sich bei Bonk Motorsport wieder einiges vorgenommen und neben der Vorbereitung eines BMW M3 E46 für die Klasse V6, das sind VLN-Serienwagen mit einem Hubraum zwischen 3000 ccm und 3500 ccm, einen weiteren Teamkollegen für Merten und Silvester mit ins Boot geholt. Emin Akata aus Friedrichshafen konnte bereits mehrere Klassensiege in der VLN vorweisen und sollte das Duo im Titelkampf unterstützen. Diesem Ziel fuhr man gleich zu Saisonbeginn unglücklich hinterher. Nach zwei zweiten Plätzen und einem technisch bedingten Startverzicht beim dritten Meisterschaftslauf entschied man sich im Hause Bonk Motorsport zu einem Fahrzeug- und Klassenwechsel für den Rest des Jahres. Mit dem BMW Z4 des Meisterjahres 2010 wollte man die Klasse SP3 zurückerobern, die mittlerweile wieder zahlreiche Starter aufzuweisen hatte. Zu Saisonbeginn waren die zahlreichen Renault Clio um die Titelaspiranten Elmar Jurek und Jannik Olivo in eine eigene Klasse ausgegliedert worden, wodurch die Starterzahl in der Klasse SP3 auf ein Minimum gesunken war. Bei den SP-Klassen handelt es sich um reinrassige Rennwagen, wobei das Hubraumlimit in der Klasse SP3 bei 2.000ccm liegt.
Nach dem Klassenwechsel fuhr die Mannschaft zunächst zurück in die Erfolgspur. Auf einen zweiten Platz folgten zwei lupenreine Klassensiege zur Saisonmitte und ein dritter beim achten Lauf des Jahres. Doch die zum Titelgewinn erforderliche Kontinuität solcher Ergebnisse blieb in diesem Jahr aus. Gleich mehrfach schlug der Defektteufel bei dem akribisch vorbereitetem Bonk Team zu und verhinderte ein Eingreifen in den Titelkampf. Neben dem Programm in der Klasse SP3 unternahm Merten beim achten Lauf zusätzlich noch einen Ausflug in die Klasse SP10. Hier unterstützte er seine Teamkollegen Henry Walkenhorst und Ralf Oeverhaus am Steuer eines BMW M3 GT4 und fuhr auf Platz zwei in der Klasse. Auch der BMW M3 GT4 gehört zu der umfangreichen Fahrzeugflotte, die von Bonk Motorsport vorbereitet und eingesetzt wird. Die Mannschaft um Peter und Michael Bonk betreut dabei nicht nur Fahrzeuge der Bayrischen Motoren Werke, sondern setzt wahlweise neben den BMW Z4, M3 GT4 und 320is auch auf eine Callaway Corvette C6 oder einen Porsche 911. Bei dieser Auswahl an top-vorbereitetem Material gibt es bei der Münsteraner Mannschaft eigentlich immer einen Grund zu jubeln.
Der ganz große Jubel blieb bei Mario Merten aber aus: „Wir sind mit dem Ziel in die Saison gestartet, um die Meisterschaft zu fahren, das hat sich leider schnell zerschlagen. Nach dem Wechsel in die Klasse SP3 hatten wir zwar ein Super-Auto, wurden aber durch einige technische Probleme ausgebremst und mussten den Titelkampf frühzeitig aufgeben. Wir setzen uns jetzt zusammen und überlegen uns, wie wir im nächsten Jahr wieder angreifen können.“
Aufgrund des schwierigen Saisonverlaufs blieb am Ende Rang 25 im Gesamtklassement.
Der Titelkampf in der Langstreckenmeisterschaft hatte in diesem Jahr andere Protagonisten. Vor dem Saisonfinale gab es noch drei Teams mit realistischen Titelchancen. Der VW Scirocco des Teams LMS Engineering führte die Tabelle vor dem Renault Clio von Jannik Olivo und Elmar Jurek sowie dem Aston Martin Vantage V8 des Teams Avia Racing um Marcel Belka und Norbert Bermes an. Doch das heißumkämpfte Titelduell wurde außerplanmäßig gestoppt, als am letzten Samstag im Oktober, zum zehnten Lauf, die Eifel alle Beteiligten mit frostigen Temperaturen überraschte. Über Nacht hatten Schnee und Eis die Nordschleife und auch das Fahrerlager in eine Winterlandschaft verwandelt. Nachdem zunächst mit Zeitverschiebungen auf ein Abtauen der Strecke gewartet wurde, musste man sich gegen Mittag der Wettersituation beugen und das Rennen ersatzlos streichen. Somit waren Ullrich Andree, Dominik Brinkmann und Christian Krognes mit ihrem VW Scirocco die Titelträger 2012 der Langstreckenmeisterschaft. Von den neun Wertungsläufen gehen die besten sieben in die Wertung ein. Ebenso viele Klassensiege bei den Specials bis 2000 ccm Hubraum mit Turbo konnte die Mannschaft vorweisen. Knapp geschlagen geben mussten sich Jannik Olivo und Elmar Jurek in ihrem Renault Clio, die auf sechs Klassensiege in der Clio-Cup-Klasse CUP3 kamen.
Während der Meisterschaftskampf aufgrund der Berechnungsregeln eher im Hintergrund und im Nachgang zu den Rennen stattfindet, sind es die hubraumstarken Rennwagen der GT3-Kategorie, die den Tagessieg unter sich ausmachen. Auch hier weiß die Langstreckenmeisterschaft mit Markenvielfalt zu glänzen. Traumsportwagen vom Schlage Porsche 911 RSR, Mercedes SLS AMG GT3, Audi R8 LMS ultra und BMW Z4 GT3 bilden regelmäßig die Top-20-Startpositionen. Um bei so vielen Fahrzeugkonzepten verschiedener Hersteller eine Chancengleichheit zu erzielen, gibt es die „Balance of Performance“. Über die leistungsrelevanten Eckdaten wie z. B. Mindestgewicht, Tankinhalt, Durchmesser des Air-Restrictors wird für jedes Fahrzeugmodell individuell die Performance definiert. So möchte man erreichen, dass sich möglichst viele Hersteller in den diversen nationalen und internationalen GT-Meisterschaften engagieren und den Zuschauern ein spannende und abwechslungsreiche Rennen bieten. Zu den regelmäßig startenden GT-Boliden mischen sich auch immer wieder Exoten wie McLaren MP4-12C, Nissan GTR oder der Ferrari P4/5 Competizione. Insbesondere der Ferrari hat es den Fans dabei angetan. Auf Basis eines Ferrari 430 GT2 und in optischer Anlehnung an den historischen Ferrari 330 P4 hat James Glickenhaus diesen Wagen extra für das 24h Rennen auf dem Nürburgring aufbauen lassen. Neben dem Eifelklassiker startete das Team in diesem Jahr auch zu drei Langstreckenrennen auf dem Nürburgring. Um den Tagessieg konnten diese Mannschaften jedoch noch nicht mit kämpfen. In dieser Wertung liegen Audi und Mercedes ganz vorne. Jeweils dreimal standen Teams mit Ingolstädter oder Untertürkheimer Boliden ganz oben auf dem Siegerpodest. Für das Audi Team Phoenix konnten Marc Basseng und Frank Stippler zusätzlich zum 24h Rennen auch noch zwei Siege in der Langstrecke feiern. Gleiches gilt für Jan Seyffarth und Alexander Roloff, die für Rowe Racing und Mercedes zweimal erfolgreich waren. Ebenfalls zwei Gesamtsiege feierte das Team Manthey Racing mit Jochen Krumbach und Marc Lieb. Seit Jahren gehören die Porsche von Olaf Manthey zu den Favoriten und wurden dieser Rolle auch 2012 wieder gerecht. Und das, obwohl die bisherige Speerspitze, der grüngelbe Porsche 911 RSR, in dieser Saison, anstatt auf dem Nürburgring in der Internationalen GT Open Meisterschaft startete.
Mit der Jahressiegerehrung der VLN am 24.11.2012 in Koblenz endet die 36. Saison dieser erfolgreichen Breitensportserie. Es bleibt zu hoffen, dass die Serie ebenso interessant und abwechslungsreich aus der Winterpause zurückkehrt.
Hoffnungen und gute Wünsche begleiten aber auch den Nürburgring selbst. Ende Oktober wurde das Insolvenzverfahren förmlich eröffnet, nachdem es bisher nur vorläufiger Natur war. Hintergrund ist die Pleite der Traditionsstrecke, nachdem der mit 330 Millionen Euro überdimensionierte Ausbau zu einer Ganzjahresdestination nicht die erwarteten Besucherzahlen in die Eifel lockte. Die Insolvenz wird in Eigenverwaltung durch den Sanierungsgeschäftsführer Thomas Schmidt und den Sachverwalter Jens Lieser durchgeführt. Die Verhandlungen mit den, wegen ausbleibender Pachtzahlungen, gekündigten Pächtern läuft mit Hochdruck, wobei eine Einigung angestrebt ist. Neben der Pacht geht es auch um viele Baumängel sowie um die Frage, ob die geplanten Veranstaltungen wie der Formel 1 Grand Prix oder die Langstreckenmeisterschaft 2013 wieder in der Eifel ausgetragen werden.
Text: Matthias Behrndt
Fotos: Matthias Behrndt