Deutsche Meisterschaften im Sportschießen auf der Olympiaanlage von 1972 in München-Hochbrück

Siege der Soldaten mit Spitzenergebnissen

Beate Gauß erreichte mit Sport- wie Luftgewehr zweimal das Finale.

Beate Gauß erreichte mit Sport- wie Luftgewehr zweimal das Finale.

Die Soldaten unter den fast 4.500 Sportschützen, die vom 23. August bis 3. September ihre „großen“ Deutschen Meisterschaften auf der alt-ehrwürdigen, aber dennoch hochmodernen Olympiaschießanlage von 1972 in Hochbrück bei München austrugen, glänzten zwar nicht allesamt. Das wäre auch ein bisschen viel verlangt gewesen, lag doch für die einen, die Kleinkaliberschützen, der Jahreshöhepunkt mit den Europameisterschaften in Osijek gerade vier Wochen zurück, während für die anderen, die Flintenschützen, die „Deutsche“ exakt zwischen Heim-EM in Suhl und dem Jahreshöhepunkt, den Weltmeisterschaften in der peruanischen Hauptstadt Lima, terminiert war. Aber die Soldaten zeigten ihre enorme Qualität an Gewehr, Pistole und Flinte: Gleich drei dieser Sportschützen erzielten bei ihren Erfolgen Ergebnisse, die höchsten internationalen Ansprüchen gerecht wurden.

Schon wieder komplett ungewohnt, obwohl erst seit einem halben Jahr auf internationalem Bereich neu eingeführt, waren die Finals in ihrem alten Modus für die Spitzenschützen. Der Weltverband ISSF hatte die Reformen angestrengt, um sich mit attraktiveren Finals bei Olympia gerade dem Fernsehpublikum besser zu präsentieren und damit auch eine zentrale Forderung des IOC an die Fachverbände zu erfüllen. National wurden diese Veränderungen noch nicht umgesetzt, da man erst den endgültigen Stand abwarten möchte, denn Reformen von der Reform sind gerade bei der Sportpistole wahrscheinlich, in anderen Disziplinen möglich. Es „zählt“ erst für mindestens drei Jahre ab dem 1. Januar 2014 – denn dann beginnt international die Jagd nach den Olympia-Quotenplätzen für Rio 2016, und die muss nach den gleichen Regeln durchgeführt werden wie die Spiele am Zuckerhut selbst. Konnten die Gewehr- und Pistolenschützen die „alten“ Regeln noch locker angehen, bedeutete es für die Flintenschützen doch einen gravierenderen Einschnitt. Schließlich werden sie im September in Lima wieder nach dem neuen Regelwerk um die Medaillen kämpfen.

Mit dem Gewehr war zum Beispiel der „Evergreen“ des deutschen Schießsports, die Zeitsoldatin Sonja Pfeilschifter, eine Kandidatin auf Topplätze und –leistungen. Eine Frage schwebte über dem Wettkampf: Wird, wird die siebenmalige Weltmeisterin den akutellen Nationalschützinnnen auf ihrem Heimatstand noch mal deren Grenzen aufzeigen?

Danach sah es nach dem Vorkampf mit dem Sportgewehr nicht aus. „Da ist es nicht so gelaufen“, sagte der Hauptfeldwebel nach ihren 396 Ringen, mit denen sie sich wie vier Kolleginnen sicher für den Endkampf qualifizierte. Über allen „thronte“ mit Beate Gauß eine weitere Sportsoldatin. Der Oberfeldwebel aus Bruchsal führte mit zwei Ringen Vorsprung, doch den vergab die Olympiateilnehmerin durch drei Treffer in die Neun schon bei ihren ersten fünf Schüssen schnell. Sie gewann am Ende nicht einmal eine Medaille, trotz ihres nagelneuen Gewehrs in knallrot, Modell „Lady“ und grazil geführt von einem der letztjährigen Models in der „Playboy“-Olympiaausgabe mit schlanken Händen.

Sonja Pfeilschifter überragte in München mit ihrem Doppelsieg.

Sonja Pfeilschifter überragte in München mit ihrem Doppelsieg.

Starke Finalvorstellung

Pfeilschifter hingegen hatte die Zehn von Anfang an scheinbar gepachtet. „Ich wollte dieses Finale unbedingt ohne eine Neun schießen“, verriet sie später ihr Ziel. Und die leichte Wut im Bauch verlieh ihr offensichtlich Flügel. Denn im nacholympischen Jahr hatte sie die Europameisterschaften Luftdruck und Kleinkaliber verpasst, weil sie in den Ausscheidungen nicht den geforderten ersten Platz erreicht hatte, nachdem sie in London bei Olympia zum fünften Mal leer ausgegangen war. „Platz eins erreichen zu müssen ist eine enorm schwierige Ausgangsposition.“ Technische Probleme kamen in dieser nacholympischen Saison hinzu. Und dann fuhr sie zur „Deutschen“: „Und da willst du dann schon zeigen, dass du noch da bist, dass du es noch kannst.“

Das gelang ihr nachdrücklich. Mit 104,6 Ringen schoss sie ein glänzendes Finale und gewann vor ihrer Teamkollegin und Freundin bei der HSG München, Constanze Rotzsch. Frech streckte sie ihr im Spaß nach dem Sieg die Zunge heraus und ballte die Faust. „Es ist eine Genugtuung“, gab sie zu. Ihre Position während des Finales konnte sie nur erahnen. „Ich kann die Anzeigetafel ohne Brille nicht mehr lesen. Bin ich schon so alt?“, fragte sich die 42-Jährige selbst. Jetzt bereitet sie sich auf das Weltcupfinale vor. „Das hätte ich fast vergessen – ich bin ja als Titelverteidigerin qualifiziert.“ Und danach heißt es: „Trainieren, trainieren, trainieren.“ Denn in der nächsten, der WM-Saison will sie noch einmal angreifen.

Der Beistand von Wulf Heinz Pflaumer ist ihr dabei sicher. „Ich werde Sonja unterstützen, solange ich lebe, egal was ihr andere angetan haben“, sagte der Geschäftsführende Gesellschafter von Umarex und der Carl Walther GmbH vor dem Publikum, nachdem er die Siegerehrung durchgeführt hatte. Seine Firma hatte kurz zuvor mit dem DSB einen Partnerschaftsvertrag unterzeichnet. Nach seiner spontanen Rede, für die er sich am Ende seiner Ansprache gleich beim DSB entschuldigte, umarmte er seinen Schützling, und beiden rannen die Tränen der Rührung über die Wangen.

Mit viel Selbstbewusstsein

Wie gut ihre Form war, zeigte sie auch mit dem Sportgewehr. Im Vorkampf blieb Pfeilschifter nach 591 Ringen nur drei Zähler unter dem von ihr selbst gehaltenen Weltrekord, das Finale schoss sie souverän nach Hause zum Doppelsieg von München. „Ich bin total zufrieden“, sagte sie strahlend. Die Bayerin führte ihre starke Vorstellungen auch auf ihr Material zurück. „Das funktioniert jetzt wieder hervorragend. Wo ein Schaden ist, ist ja auch immer ein Nutzen“, meinte sie in Anspielung auf die jetzt perfekte Abstimmung.

Als Daniel Brodmeier den Wert seines letzten Schusses beim Wettkampf mit dem Freien Gewehr auf dem Monitor sah, strahlte er sein bayerisches Jungenlächeln und ballte die Faust – eine 10,9 ist schon ein würdevoller Abschluss, gerade weil mit dem „Schützen des Jahres 2012“, Michael Janker, Nationalteamroutinier Maik Eckhardt – sie gewannen Silber und Bronze – sowie sein „Trainings-Fahrgemeinschaftskollege“, Hauptgefreiter Nicolas Schallenberger aus Neubiberg, und dem zweifachen Weltcupsieger dieser Saison, Henri Junghänel, die komplette deutsche Kleinkaliber-Gewehrelite in diesem Endkampf vertreten war. Doch Daniel Brodmeier blieb jederzeit souverän und gewann nach 1257,7 Ringen mit 5,9 Ringen Vorsprung.

Ralf Hehn feuert im Finale.

Ralf Hehn feuert im Finale.

Die deutsche Domäne der letzten Jahrzehnte regiert im Nyachwuchsbereich ein Sportsoldat. Ralf Hehn, Obergefreiter in Neubiberg, ist gemeinsam mit seinem Thrüinger Kontrahent Christian Freckmann derzeit konkurrenzlos. Beide schossen, mit 31 und 28 Treffern, ein überragendes Finale. „Ich habe die Backen zusammengekniffen und alles gegeben“, sagte Hehn nach seinem Triumph. Hehn schoss in diesem Finale – das es schon seit vier Jahren gibt und deshalb als einziges dem internationalen Modus entsprach – zwischenzeitlich sogar auf Weltrekordkurs – der Erwachsenen. Auch Bundestrainerin Bärbel Georgi fand: „Ralf ist im Finale kaum zu halten.“ An der Leistung in der Qualifikation hingegen muss er noch arbeiten. Während es sich beim Schüler des dreifachen Olympiasiegers Ralf Schumann, Christian Freckman, exakt umgekehrt verhält. Der Thüringer hatte bei den Europameisterschaften im Endkampf nicht seine Form gefunden, jetzt durfte er endlich wieder mit seiner finalen Form zufrieden sein.

Mario Nittel gewann mit dem Freien Gewehr und war in den beiden anderen olympischen Gewehrfinals ebenfalls vertreten.

Mario Nittel gewann mit dem Freien Gewehr und war in den beiden anderen olympischen Gewehrfinals ebenfalls vertreten.

Einer wurde gar zum Überflieger. Mario Nittel erzielte phantastische 1165 Ringe mit dem Freien Gewehr und gewann schließlich mit über acht Ringen Vorsprung. Auch in den anderen beiden olympischen Finals war der Badener aus Keltern vertreten. Der junge Mann befindet sich bei der Bundeswehr – in einer sportfreundlichen, nicht aber in einer Sportförderkompanie – in der Ausbildung zum Kampfpiloten. Dort wird er, so lange es Ausbildung und später Job zulassen, dem Sportschießen treu bleiben.

Christine Wenzel wurde mit einem überragenden resultat erneut Deutsche Meisterin.

Christine Wenzel wurde mit einem überragenden resultat erneut Deutsche Meisterin.

Im Flintenschießen trat Christine Wenzel entgegen ursprünglichen Überlegungen im Skeet doch an. Sie wollte sich zunächst nicht in ihrer WM-Vorbereitung durch das „alte“ Finale stören lassen. Der Lohn: Die dreifache Weltmeisterin aus Ibbenbüren wurde ihrer Rolle vollkommen gerecht und siegte mit dem deutlichen Vorsprung von fünf Scheiben. Dabei hatte der Hauptfeldwebel aus Warendorf mit 97 Treffern, vor allem ihrer Saisonbestleistung von 73 Scheiben im Vorkampf, eine bärenstarke Leistung hingelegt.

Text und Fotos: Harald Strier

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