Zwei Sportsoldatinnen sorgen für historischen Doppelsieg

Europameisterschaften im Luftdruckschießen im Olymiski Sports Complex von MoskauDSC_4285_SnapseedDie Deutschen auf der Tribüne zückten ihre Fotoapparate. Keine Frage, dieser historische Moment musste festgehalten werden. Vorn standen nur noch zwei, nur noch die besten beiden Damen des Wettkampfes – und beide kamen aus Deutschland. Hauptfeldwebel Stefanie Thurmann gewinnt Gold vor Oberfeldwebel Monika Karsch in dieser sonstigen Wackeldisziplin und der neue Bundestrainer Jan-Erik Aeply feierte mit diesem Doppelsieg einen Traumeinstand.

„Das Finale war nach unseren guten Trainingsleistungen das klare Ziel“, erklärten Thurmann und Karsch gemeinsam. Für Aeply hingegen ging ein lang gehegter Traum in Erfüllung: „Ich habe im Schießen die russische Hymne schon so häufig in Deutschland gehört, aber noch nie die deutsche Hymne in Russland.“ Und er sei jetzt seit 1979 dabei.

DSC_4290Ganz neue Sichtweisen
Zwei junge Mütter gewinnen Gold und Silber und schweben auf Wolke sieben, denn bei beiden läuft es derzeit rund – nicht nur sportlich.
Stefanie Thurmann lebt mit ihrer Familie in Frankfurt/Oder, da aber die EM das Ende des Babyjahres bedeutete wurde der zehnmonatige Sohn Thore selbstverständlich von Vater Ulf-Henry daheim betreut. „Seit ich Mutter bin, gehe ich das Schießen nicht mehr so furchtbar verbissen an, es steht nicht mehr an oberster Stelle. Und damit macht es wieder Spaß, wie früher als Jugendliche“, so Thurmann.

Und auch Monika Karsch, Soldatin der Sportfördergruppe Neubiberg, ist Mutter und so passte auch hier der Vater (Thomas, Aeplys Nachfolger als bayerischer Landestrainer) auf die beiden gemeinsamen Kinder auf. Mit zwei Kindern ist die Herausforderung des Familienmanagements noch größer und das merkt auch Karsch: „Die Organisation der Betreuung wird mit der Zeit nicht leichter. Neben dem Vater kümmern sich Omas und Tagesmütter im Alltag um die Kleinen. Der Spagat ist riesig.“ Aber auf der anderen Seite möchte sie „ganz gern noch besser werden“.

Die Geburt ihres Sohnes im letzten Jahr beflügelte sie sogar und gab ihr ungeahnte Motivation auf besondere Weise. Zum ersten Mal gewann sie damals eine Medaille bei einem internationalen Wettbewerb.

DSC_4197Totale Konzentration
Thurmann und Karsch kämpfen von Anfang an im Vorderfeld mit. „Ich war zu Anfang sehr nervös“, so die 31-jährige Thurmann. Immer wieder hörte sie über die Durchsagen ihren Namen und war felsenfest davon überzeugt, dass es um das mögliche frühzeitige Ausscheiden ging – bis ihr endlich ein Blick auf den Bildschirm vor ihr verdeutlichte, dass ihr Name ständig in Zusammenhang mit dem Kampf um die Spitze genannt wurde. „Ich war nicht so nervös, ich habe mich von Anfang an total in meiner Mitte gefühlt“, meinte dagegen Karsch. Immer wieder schloss sie vor und nach den Schüssen die Augen, um hoch konzentriert zu bleiben. Irgendwann schaute sie dann doch mal auf den Monitor. „Da habe ich gesehen, dass nur noch drei Schützinnen im Wettbewerb sind.“ Damit hatte sie eine Medaille sicher. Doch mit dem neuen Wissen ging, als sie sich nur noch mit Steffi Thurmann am Stand im Kampf um Gold befand, prompt ein Schuss, der vorletzte, daneben und traf nur die 7,5. Damit hatte sie ihre Führung verloren. Aber an das Wort Enttäuschung hat an diesem Tag in Moskau niemand aus dem Luftpistolenteam auch nur gedacht.

Die eigentliche Favoritin im deutschen Kader, Munkhbayar Dorjsuren – lange Zeit bis zu ihrem altersgemäßen Ausscheiden ebenfalls ein Mitglied der Sportfördergruppe Neubiberg –, startete mit zwei Neunern in den Wettbewerb und blieb mit 374 Ringen unter ihren Möglichkeiten. „Nach den Wochen des guten Trainings war sie einen so schwachen Start nicht mehr gewohnt – und wir haben wohl zu viel Finale und zu wenig Vorkampf trainiert, das nehme ich auf meine Kappe“, meinte der neue Chef Aeply selbstkritisch. Doch „Munkhi“ gewann mit dem Team Silber und freute sich: „Man kann sich ja auf die anderen Zwei verlassen.“ Als wäre es die größte Selbstverständlichkeit.

DSC_4235Erfolg auch in der Mannschaftswertung
Mit einer bärenstarken Mannschaft und großer Erfahrung von zahlreichen Olympiateilnahmen waren die Frauen angereist. Die angepeilte Mannschaftsmedaille holten Engleder, Jessica Mager und Zeitsoldatin Sonja Pfeilschifter mit Silber auch wie auf Bestellung, für Gold fehlten ihnen zu den Europarekord schießenden Serbinnen gerade sieben Zehntel. Doch Hauptfeldwebel Pfeilschifter wie Mager verfehlten das Finale, beide, als Zwölfte und 17. um neun und 20 Zehntel, sehr knapp. „Ich weiß nicht, woran es gelegen hat“, rätselte Mager. „Ich stand gut, die Atmung stimmte, aber reingeflogen sind sie nicht.“ Sie hatte mit der sehr warmen und trockenen Luft in der Halle zu kämpfen und legte im Umkleideraum erstmal ihre Schießkleidung zum Trocknen aus. „Sonst habe ich morgen nach dem Rückflug eine Schimmelkultur im Gepäck.“

DSC_4097Männer zahlten Lehrgeld
„Es war richtig, den Jungen hier eine Chance zu geben und etwa einen Christian Reitz daheim zu lassen. Denn er weiß, wie es geht“, bilanzierte Bundestrainer Jan-Erik Aeply. Bei seinem jungen Team – Philipp Käfer, Sportsoldat Andreas Heise und Philipp Grimm sind 20, 22 und 21 Jahre alt und gerade dem Juniorenalter entwachsen, für Grimm war es die erste Luftdruck-EM überhaupt – fehlte die Erfahrung. Unumwunden gab er zu, dass er schon wenigstens einen seiner Akteure nach den guten Trainingsleistungen im Finale erwartet hatte. „Philipp Käfers Vorstellung war okay“, fand er angesichts seiner 376 Ringe und deren drei zu wenig für den Finaleinzug. Der in Neubiberg stationierte Andreas Heise verlor besonders in der letzten Serie an Boden, weil ihm die Zeit fehlte. „Man braucht am Ende eine Reserve von wenigstens fünf Minuten, da kann man nicht für die ersten 30 Schüsse 45 Minuten verbrauchen“, meinte Aeply aufgrund der nur 75 zur Verfügung stehenden Minuten. „So schießt man heute nicht mehr.“ Philipp Grimm scheiterte trotz hervorragender Vorbereitung mit nur 563 Ringen klar an allen gesteckten Vorgaben.

Harald Strier

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