Zweimal Gold, einmal Silber, einmal Bronze – das ist die Bilanz des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) bei den Europameisterschaften im russischen Jekaterinburg. Zum dritten Mal in Folge gewannen die DTTB-Damen mit den Sportsoldatinnen Petrissa Solja und Sabine Winter die Goldmedaille. Dimitrij Ovtcharov ist alter und neuer Europameister im Herren-Einzel. Silber ging an das Herrenteam, Bronze an das Doppel Irene Ivancan/Han Ying.
Nach dem Matchball sprintet Dimitrij Ovtcharov los, springt über die Bande, läuft Richtung Siegerpodest, zieht sein Trikot aus, legt es auf das Treppchen und reißt seine Arme in die Luft. Der Spontanjubel war ein „Statement“, sagte der 27-jährige später. Ein Statement, mit dem Ovtcharov unterstreichen wollte: Ich bin die Nummer eins von Europa. Nach dem Europe Top 16 Cup und den 1. Europaspielen in Baku ist er in diesem Jahr auch Europameister geworden – nach Schwechat 2013 zum zweiten Mal in seiner Karriere. „Ich danke allen, die mich unterstützt haben. Ich bin sehr stolz und glücklich, dass ich in diesem Jahr alle drei europäischen Turniere gewonnen habe. Das ist das Resultat täglicher harter Arbeit und gibt mir natürlich weiter Selbstvertrauen. Aber die asiatische Konkurrenz ist noch mal viel härter, die arbeiten sauhart, sind noch stärker. Da darf man selbst nicht zurückstecken“, betonte der neue und alte Kontinental-Champion mit Blick auf die Welt-Konkurrenz.
„Dima ist der beste Spieler in Europa, von der Weltrangliste her und wenn er sein Potenzial abruft. Bei den Turnieren in Europa sehe ich nicht viele Spieler, die ihn schlagen können. Der eine lag bei den European Games in Baku mit einer Magenverstimmung im Bett und musste hier aufgrund einer Knie-OP passen“, spielte Roßkopf auf den fehlenden Rekord-Europameister Timo Boll an.
Ovtcharov wird zum Portugiesen-Schreck
Am EM-Finaltag avancierte Ovtcharov zum Portugiesen-Schreck. Erst zog der Weltranglistenfünfte ohne Satzverlust gegen Saarbrückens Topspieler Tiago Apolonia in das Finale ein, wo mit dem an Position zwei gesetzten Marcos Freitas der auf dem Papier ärgste Widersacher wartete. Beim Stande von 1:1 und 4:7 war Ovtcharov zwischenzeitlich ins Hintertreffen geraten, doch dann brannte der Olympia-Dritte von London 2012 ein wahres Tischtennis-Feuerwerk ab. Bundestrainer Jörg Roßkopf sagte später: „Die beiden besten Spieler des Turniers waren im Finale. Das waren Wahnsinns-Ballwechsel – von beiden. Dima hat dann, und das ist die Kunst eines guten Spielers, sein bestes Tischtennis gezeigt. Wenn Dima nur eine Sekunde nachgelassen hätte, wäre es schwierig gewesen für ihn, das Spiel zu gewinnen“, sagte Roßkopf. Für Ovtcharov war es der 14. Einzelsieg im 14. Spiel bei der EM.
Im Mannschafts-Wettbewerb hatte es für Deutschlands Herren allerdings „nur“ zu Silber hinter Österreich gelangt. Im Endspiel verlor das Team mit 2:3. „Jeder Ball, jeder Satz war hart umkämpft. Es war ein sehr spannendes Spiel auf hochklassigem Niveau, das eigentlich keinen Sieger oder Verlierer verdient gehabt hat. Das war Werbung für unseren Sport. Wir haben gewusst, wie schwer es wird. Die ersten drei Spiele waren so knapp, dass sie in alle Richtungen hätten laufen können. Keiner hätte sich beschweren können, wenn er mit 0:3 nach Hause geht. Am Ende haben uns immer eins, zwei Punkte gefehlt, daran müssen wir weiter arbeiten“, resümierte Bundestrainer Jörg Roßkopf.
Eine zweite Medaille im Herren-Einzel verpasste Ruwen Filus vom Bundesligisten Fulda-Maberzell. Der 27-jährige Abwehrspezialist lag in seinem Viertelfinale gegen den an Position vier gesetzten Tiago Apolonia lange Zeit auf der Siegerstraße, führte mit 3:1, doch das bessere Ende hatte Portugals Nummer zwei. „Ich weiß nicht so richtig, was dann passiert ist. Ich bin eingebrochen am Ende, unter meinen Möglichkeiten geblieben. Das darf mir nicht passieren“, sagte Filus, der zum dritten Mal in einem EM-Viertelfinale stand.
Erneutes Gold für die Königinnen Europas
Sie sind und bleiben die Königinnen Europas. Deutschlands Tischtennis-Damen um Han Ying, Shan Xiaona, Petrissa Solja, Irene Ivancan und Sabine Winter haben den dritten Europameistertitel in Folge geholt. Im Finale von Jekaterinburg ließ die Mannschaft von Bundestrainerin Jie Schöpp das Team aus Rumänien keine Chance. 3:0 Spiele und 9:2 Sätze hieß es am Ende. Nach 2013, 2014 ist es für die DTTB-Auswahl das dritte EM-Gold in Folge und das siebte insgesamt.
„Ich bin so glücklich und stolz auf meine Mannschaft. Wir hatten vorher gedacht, dass es ein enges Spiel werden kann. Ich wusste aber auch, dass wir uns nur selber schlagen können. Insofern hat mich das 3:0 gar nicht so sehr überrascht“, sagte Bundestrainerin Jie Schöpp.
Aus einem erwarteten Krimi wie im Endspiel 2013, als die DTTB-Damen drei Fünf-Satz-Partien gewannen, wurde eine eher einseitige Partie – was vor allem am dominanten Auftreten des Schöpp-Teams lag. Für das entscheidende 3:0 sorgte Sportsoldatin Petrissa Solja mit einem hart umkämpften 3:2-Erfolg über Rumäniens Dodean-Monteiro. „Als ich die ersten beiden Sätze gewonnen hatte, sah ich schon die Goldmedaille vor Augen, konnte mich plötzlich nicht mehr richtig bewegen und wurde nervös. Ab dem fünften Satz ging es wieder. Ich habe dann nur noch gekämpft und gewonnen“, erklärte Solja, die sich den Entscheidungssatz mit 11:9 holte. Die Berlinerin war im Team-Wettbewerb die Beständigkeit in Person. Sechs Einzel, sechs Siege standen für die German-Open-Zweite zu Buche.
Harte Arbeit als Erfolgsrezept
„Wir hatten riesen Respekt vor Rumänien. Die Aufstellung haben wir gut getroffen. Ich bin so happy. Ich glaube, dass wir eine Serie hinlegen können wie unsere Herren. Wir sind immer die Gejagten, aber das liegt uns ganz gut“, betonte Solja. Angesprochen auf ein Erfolgsgeheimnis sagte Bundestrainerin Schöpp: „Unsere Mannschaft ist stark, klar. Aber man muss auch sehen. Wir arbeiten sehr hart, professionell, gezielt und systematisch, sowohl im technischen als auch im taktischen und mentalen Bereich.“
Keine Medaille im Einzel, aber im Doppel
Etwas überraschend gingen Deutschlands Damen im Einzel-Wettbewerb leer aus. Sowohl die topgesetzte Abwehrspielerin Han Ying (Viertelfinale) als auch die an Position zwei gesetzte Shan Xiaona (Achtelfinale) mussten sich relativ früh geschlagen geben. Petrissa Solja setzte mit ihrer Viertelfinalteilnahme ein Ausrufezeichen, wenngleich die 21-jährige dreifache Team-Europameisterin und Doppel-Europameisterin 2013 im Viertelfinale der späteren Zweitplatzierten Li Jie (Niederlande) in fünf Sätzen unterlag und die erhoffte Medaille verpasste. Gehandicapt wurde Solja durch Schmerzen im linken Schlagarm. „Ich denke, im Großen und Ganzen kann ich mit dem Turnier zufrieden sein“, sagte eine enttäuschte, aber gefasste Deutsche Meisterin nach ihrem ersten EM-Einzelviertelfinale. Das Erreichen der Runde der letzten Acht ist Soljas beste Einzel-Platzierung bei einer EM. Im Doppel mit ihrer Berliner Teamkollegin Shan Xiaona verpasste Solja ebenfalls eine Medaille knapp. Gegen die späteren Zweiten Georgina Pota/Elizabeta Samara (Ungarn/Rumänien) gab es nach eigenem Matchball eine bittere 3:4-Niederlage.
Im Doppel-Wettbewerb verpasste das Abwehr-Duo Han Ying und Irene Ivancan das Finale. In fünf engen Sätzen unterlagen die Zweitplatzierten der Kuwait Open 2015 dem Doppel Hu Melek/Shen Yanfei (Türkei/Spanien). Ein Trost: die Bronzemedaille, die sich die beiden Abwehrspezialisten nach zwei umkämpften Erfolgen im Achtel- und Viertelfinale redlich verdient hatten.
Dass Deutschland als souveräner Team-Europameister nicht in den Einzel-Halbfinals vertreten ist, kommentierte die Bundestrainerin Jie Schöpp so: „Wir sind eine starke Mannschaft, haben fünf gute Spielerinnen, sind sicher ausgeglichener als alle anderen. Aber die Mannschaft kann ich taktisch aufstellen. Im Einzel steht die Auslosung vorher fest. Wir wussten dass es für unsere Spielerinnen schwer wird, wenn die jeweiligen Gegnerinnen ihre technischen Möglichkeiten voll ausschöpfen. Als Team sind wir stark genug, aber wir wissen, woran wir bei jeder Spielerin individuell noch zu arbeiten haben“, erklärte Schöpp.
110 Medaillen bei 34. Titelkämpfen
Zweimal Gold durch das Damen-Team und Dimitrij Ovtcharov, einmal Silber durch die Herren und einmal Bronze durch das Doppel Irene Ivancan/Han Ying – der Medaillensatz ist komplett. Es waren die Medaillen 107 bis 110 für den DTTB bei 34 Europameisterschaften. „Selbstläufer sind Titelgewinne bei Europameisterschaften für Deutschland nicht, aber wir werden weiterhin eine Nation sein, die Europa ihren Stempel aufdrückt“, betonte Sportdirektor Richard Prause.
Die EM-Finalspiele von Jekaterinburg in der Übersicht
Damen-Einzel, Finale
Elizabeta Samara ROU – Li Jie NED 4:3 (6,-9,-3,7,-12,4,4)
Herren-Einzel, Finale
Dimitrij Ovtcharov – Marcos Freitas POR 4:1 (12,-9,9,4,6)
Damen-Doppel, Finale
Hu Melek/Shen Yanfei TUR/ESP – Georgina Pota/Elizabeta Samara HUN/ROU 4:1 (4,7,9,-11,4)
Herren-Doppel, Finale
Stefan Fegerl/Joao Monteiro AUT/POR – Daniel Habesohn/Robert Gardos AUT 4:3 (9,12,-6,-8,-13,8,10)
Herren-Mannschaft, Finale
Deutschland – Österreich 2:3
Patrick Baum – Robert Gardos 2:3 (7,8,-8,-7,-11)
Dimitrij Ovtcharov – Stefan Fegerl 3:2 (-10,17,7,-12,10)
Patrick Franziska – Daniel Habesohn 2:3 (-9,-7,10,10,-5)
Ovtcharov – Gardos 3:1 (-8,8,8,5)
Baum – Fegerl 0:3 (-9,-8,-6)
Damen-Mannschaft, Finale
Deutschland – Rumänien 3:0
Han Ying – Bernadette Cynthia Szocs 3:0 (10,1,1)
Shan Xiaona – Elizabeta Samara 3:0 (10,10,5)
Petrissa Solja – Daniela Dodean-Monteiro 3:2 (8,6,-8,-8,9)
Text und Fotos: DTTB
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