Mit einem bemerkenswerten 4:2 über Hollands European-Games-Siegerin Li Jiao und dem Gewinn der Bronzemedaille beendete Petrissa Solja das bislang erfolgreichste Turnier ihrer Karriere. Der dritte Platz beim mit 150.000 Dollar dotierten World Cup der Damen sowie die Art und Weise, wie sich Solja ihren Erfolg beim wichtigsten Turnier nach Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften erspielte, katapultieren die erst 21-jährige Berlinerin im olympischen Jahr in neue Höhen und in den erlauchten Kreis der besten Nichtchinesinnen, die sich in Rio 2016 um Edelmetall bewerben wollen. Solja („Ich bin einfach nur total happy“) sicherte sich als erste Deutsche überhaupt in der Geschichte des World Cups Edelmetall. Gold im japanischen Sendai ging mit einem klaren 4:0-Finalerfolg über Lokalmatadorin Kasumi Ishikawa an die topgesetzte Weltranglisten-Zweite Liu Shiwen, die im Halbfinale Solja bezwungen hatte.
Schöpp: „Solja auf einer Stufe mit den besten Nichtchinesinnen“
Bilder sprechen manchmal mehr als Worte. Die Länge und Innigkeit der Umarmung von Petrissa Solja und Bundestrainerin Jie Schöpp vermittelten für Sekunden, welche tiefere Bedeutung der Gewinn dieser Bronzemedaille für die Beteiligten besitzt. Der Einzug in das Halbfinale, gekrönt vom Erfolg im Spiel um den dritten Platz, bedeutete die endgültige Etablierung einer Hochbegabten in der absoluten Weltspitze. Der verwandelte Matchball gegen Li Jiao beim World Cup in Sendai geriet zum Meisterstück einer Musterschülerin, die sich fortan mit neuen Maßstäben messen lassen muss. Hinzu kommt der historische Aspekt: Erstmals überhaupt in der 20-jährigen Geschichte des von China ununterbrochen dominierten Damen-Weltpokals sicherte sich eine deutsche Spielerin Bronze, erst zum insgesamt vierten Mal schaffte eine Europäerin den Sprung auf das Siegerpodest.
Die Analyse von Bundestrainerin Jie Schöpp, die mit öffentlichem Lob gemeinhin eher bedacht umgeht, dürfte Petrissa Solja gefallen: „Peti hat sich in Sendai auf ein neues Niveau gehoben – spielerisch, taktisch und mental. Jeder wusste, dass sie gefährlich ist und ganz gut spielen kann. Aber mit ihren Siegen beim World Cup hat sie sich noch viel mehr Respekt erworben. Jeder aus der Weltspitze weiß nun endgültig, dass auch bei den wichtigsten Veranstaltungen mit Peti zu rechnen ist.“ Schöpp weiter: „Peti steht nun auf einer Stufe mit den besten Nichtchinesinnen aus Japan, Singapur, Korea. Das ist gut für sie, aber auch wichtig für Deutschland, auch im Hinblick auf die Olympische Spielen. Das ist eine Motivation für die gesamte Mannschaft, und es vergrößert unsere Chancen auch gegen die asiatischen Teams.“
Ein „angenehmer Schock“ für Solja
Schöpp sah beim drittwichtigsten Turnier der Welt endlich auch konstant im Wettkampf umgesetzt, was ihren Schützling im Training schon länger auszeichnet: Hervorragende Spielübersicht mit überraschenden Ideen, eine nahezu fehlerfreie Rückhand, ein häufiger als in der Vergangenheit auch agressiv eingesetzter Vorhandtopspin, gesteigerte Beweglichkeit und eine Antizipation, die ihresgleichen sucht. Mit diesen Qualitäten, in Kombination mit disziplinierter Taktik und auch in schwierigen Situationen beachtlichem Siegeswillen, katapultierte sich die aktuell noch auf Position 26 in der Welt notierte German-Open-Finalistin in Sendai vom Talent zur Topspielerin: „Ich habe hier gemerkt, dass ich viel flinker geworden bin und besser zu den Bällen stand. Technisch habe ich mich auch weiter verbessert, in manchen Situation weiß ich nun besser als früher, was ich zu tun habe.“ Solja lachend: „Die Siege gestern waren dennoch wie ein Schock für mich, allerdings ein sehr angenehmer. Aber so langsam fange ich an zu realisieren, was ich an diesem Wochenende geschafft habe. Vor allem auch durch die ganzen Glückwünsche, die mich erreichen.“
Die Resultate von Soljas dreitägigen Paradeauftritt in Japan sind beeindruckend: Souveräne, allerdings weitgehend erwartete Vorrundenerfolge über Georgina Pota (Ungarn) und Caroline Kumahara (Brasilien), im Hauptfeld dann drei Siege über Konkurrentinnen, gegen die die Deutsche noch nie zuvor gewonnen hatte: Die Deklassierung der Weltranglisten-Sechsten Feng Tianwei (Singapur) im Achtelfinale, in der anschließenden Runde der besten Acht die erfolgreiche Aufholjagd nach 0:3-Rückstand und abgewehrtem Matchball gegen die Weltranglisten-Vierte Ai Fukuhara, und im Bronzemedaillenmatch gegen Ex-Europameisterin Li Jiao dann ein 4:2-Erfolg nach 0:2-Rückstand. Auch in diesem Match bewies die 21-Jährige starke Nerven, als sie gegen die doppelt so alte Holländerin in Durchgang fünf nach einem 7:10 noch einmal ausglich. Doch die Deutsche Meisterin antwortete selbstbewusst mit einem erstmals im gesamten Match eingesetzten Service und sicherte sich die wichtige 3:2-Führung gegen die routinierte Li Jiao, die gestern in der Runde der besten Acht vollkommen überraschend die Weltranglisten-Dritte Zhu Yuling (China) aus dem Turnier geworfen hatte. Solja stolz: „Toll, dass ich drei Spielerinnen schlagen konnte, gegen die ich noch nie gewonnen hatte. Vor allem Li Jiao habe ich endlich geknackt!!!“
Solja: „Liu Shiwen ist ein ganz anderes Kaliber“
Allein die Weltranglisten-Zweite Liu Shiwen, der im Mai im Endspiel der Weltmeisterschaften gegen Ding nur wenige Punkte zum Titelgewinn gefehlt hatten, vermochte im Halbfinale Petrissa Solja auf Distanz zu halten. Die 24-jährige Doppel-Weltmeisterin aus dem Reich der Mitte erwies sich im ersten Aufeiandertreffen der beiden als diesmal noch zu stark für die Deutsche Meisterin. Nach einem ersten Satz auf Augenhöhe (8:11), glich Solja in Durchgang zwei mit bemerkenswerten Punktgewinnen einen 5:10-Rückstand aus, hatte damit jedoch ihr Pulver verschossen. Mit der komfortablen 2:0-Führung im Rücken erhöhte der Weltstar den Druck noch weiter und zwang Solja, die nun ein höheres Risiko gehen musste, immer häufiger zu eigenen Fehlern. „Wenn ich eine kleine Chance hätte haben wollen, dann hätte einer der beiden ersten Sätze kommen müssen. Danach hat sie frei aufgespielt. Und die Qualität ihrer Bälle ist unglaublich. Im Vergleich zu den anderen Topspielerinnen ist sie noch einmal ein ganz anderes Kaliber“, zeigte sich Solja beeindruckt. Der Niederlage gewann Solja auch gutes ab: „Es zeigt mir, wo noch meine Schwachstellen sind. Das stimmt mich positiv, weil ich weiß, dass ich mich noch viel verbessern kann.“
Freude pur und Anteilnahme nach dem Bronzemedaillengewinn
Petrissa Solja, für die es die zweite World-Cup-Teilnahme nach ihrem im Achtelfinale endenden Debüt in Linz 2014 war, stand im Flash Interview auf dem Centre Court nach dem Gewinn der Bronzemedaille die Freude ins Gesicht geschrieben. „Ich bin im Moment einfach nur überglücklich. Das ist bisher der absolut größte Erfolg meiner Karriere.“ Im Moment des Triumphes dachte Solja jedoch nicht nur an die eigenen Emotionen, sondern hielt auch warme Worte für Gastgeber Japan und die gestern ausgeschiedene Ai Fukuhara parat, die in ihrer Heimatstadt Sendai ihren 27. Geburtstag am Finaltag mit einem Medaillengewinn hatte feiern wollen: „Ich habe jetzt hier zum dritten Mal in Japan gespielt und es war wieder fantastisch. Ich möchte mich ganz herzlich bei den Fans bedanken. Und ich möchte mich auch dafür entschuldigen, dass ich gestern gegen Ai Fukuhara gewonnen habe. Ich kann mir gut vorstellen, wie weh ihr das in ihrer Heimatstadt getan hat.“
Text und Fotos: DTTB