Die Olympiastars der Sportschützen dominieren auch im Jahr danach

Die Sportschützen waren auch im Jahr nach ihren mit insgesamt vier Medaillen so erfreulich verlaufenen Olympischen Spielen sehr erfolgreich. In der Weltcupsaison mit dem Höhepunkt des Heimwettbewerbs in München, den Europameisterschaften in Baku (Aserbaidschan) und den Deutschen Meisterschaften wieder in München-Hochbrück waren sie stark gefordert und glänzten mit teilweise herausragenden Leistungen.
Bei der DM fehlten Josefin Eder wirklich die Worte. Wie sie sich dieses phantastische Luftpistolenfinale erklären könne? Sie schaute den Fragenden mit großen Augen an, schüttelte ein wenig den Kopf und zuckte mit den Schultern. Erst ganz zögerlich kam dann: „Es lief halt.“ Mit 242,5 Ringen hatte die 21-Jährige die gesamte Konkurrenz, die Olympiazweite mit der Sportpistole, Hauptfeldwebel Monika Karsch, vorneweg mit sagenhaften 7,3 Ringen und mehr distanziert. Dabei war sie mit 380 Ringen als Achte gerade so ins Finale gerutscht.
Josefin Eder gewann am zweiten Tag mit der Sportpistole und Silber ihre zweite Medaille, doch die volle Aufmerksamkeit gehörte da Monika Karsch. Vor den Augen ihrer beiden, mit Gehörschützern bestens ausgerüsteten Kinder Lina und Bruno erzielte die Olympiazweite im Finale 39 Treffer und stellte damit inoffiziell den Weltrekord ein, den sie selbst fünf Wochen zuvor in Baku schon einmal egalisiert hatte. „Mir macht das Finale Spaß, ich kann mich da richtig reinbeißen. Man muss immer dranbleiben, darf nie nachlassen. Das ist körperlich und mental sehr anstrengend.“ Aber für Hauptfeldwebel Karsch offensichtlich die passende Herausforderung. Und so hatte sie am Ende nicht nur den Zuschauern, sondern auch ihren Kindern eine überragende Vorstellung ihres Könnens gegeben.
Die Regensburgerin hatte schon im Sportpistolenfinale von Baku überragt und gewann mit schon dort 39 Treffern sogar Gold. „Ich kann gar nicht sagen, was ich höher bewerte, Silber in Rio oder Gold hier“, meinte sie unsicher direkt nach dem Finale und wischte sich eine Freudenträne aus dem Augenwinkel. Erst im März hatte sie nach ihrer Olympiapause wieder mit dem Training begonnen, jetzt darf dies als „lohnende Pause“ analysiert werden. „Wichtig war, dass ich mir diesmal nicht mehr das Ziel gesteckt habe, ins Finale zu kommen, sondern ich wollte eine Medaille gewinnen“, meinte die Sportsoldatin.
Olympiasieger Christian Reitz musste bei der DM seine ganze internationale Routine, seine in vielen Wettkämpfen rund um den Globus gesammelte Erfahrung anwenden, um mit der Luftpistole die Nase vorn zu haben. „Die Routine hilft sicherlich in so einer Situation“, gab der Krifteler zu. Erst mit dem drittletzten Schuss hatte er sich vor Unteroffizier Michael Heise an die Spitze gesetzt. „Zu Anfang sind es nur schlechte Zehner gewesen, erst gegen Ende kamen fünf, sechs hohe, obwohl ich vom Gefühl nichts anders gemacht habe“, schilderte der Schnellfeuer-Olympiasieger. Mit zwei Treffern in die 10,4 beendete Reitz das Finale und hielt, einmal vorne, die Führung.
Reitz schlug bei seinem zweiten Auftritt erneut zu. In seiner Spezialdisziplin Schnellfeuer gewann der Olympiasieger mit 33 Treffern im Finale, nach überragendem Beginn, aber auch mit kleinen Fehlern. „Bei der Sieben habe ich nicht auf die Visierung geachtet, sondern sonst wohin geschaut.“ Und so kam Olympiateilnehmer und Stabsunteroffizier (FA) Oliver Geis, der wie Reitz für Kriftel schoss, in der Schlussphase noch auf zwei Treffer beim 33:31 heran. „Er hatte am Ende die Chance, doch er hat sie nicht genutzt.“
Gold in München, das kannte Reitz schon aus dieser Saison. Auch beim Weltcup hatte der 29-jährige gewonnen. Mit 35 Treffern stellte er dort sogar den Weltrekord ein und gewann klar mit sechs Treffern Vorsprung vor Clement Bessaguet aus Frankreich. Ein klarer Goldkandidat war Reitz auch in Baku, aber gleich bei der ersten Fünferserie im Finale brach der Schlagbolzen. Reitz griff zur Zweitwaffe. „Das ist kein Problem, ich weiß ja, dass ich sie habe, beide Sportgeräte sind total identisch.“ Doch er lief der Konkurrenz von Anfang an hinterher, und später, als er zur Form kam, da legten die Konkurrenten „volle“ Serien hin. Reitz war dennoch mit Bronze zufrieden, der Sieg des Russen Nikita Suchanow kam schon überraschend, Silber für den Esten Peeter Olesk glich dagegen einer Sensation. Mit der Mannschaft gab es wieder einen Sieg, zum vierten Mal in Folge bei internationalen Meisterschaften.
Jolyn Beer hatte zur allgemeinen Verwunderung im EM-Finale den hinteren Reißverschluss des rechten Hosenbeins offen gelassen. „Mir ist der Reißverschluss abgerissen, als ich ihn schließen wollte“, klärte die Sportgewehrschützin später auf. „Ich habe noch versucht, ihn zu schließen, aber das Ding war abgerissen und kaputt.“ Es war nicht zu ändern, sie musste mit verringerter Standfestigkeit den Schlussakt des für sie bisher wohl wichtigsten Wettkampfes bestreiten. „Ich habe dann versucht, das Beste daraus zu machen, und habe mich dann gewundert, wie gut es zunächst ging.“ Am Ende riss sie die Arme hoch, denn trotz der Widrigkeiten hatte die Hannoveranerin bei der EM Bronze gewonnen. Schon beim Weltcup in München war sie im Finale gewesen, aber es hatte nur zu Rang acht gelangt.
Das Finale war auch bei der DM nicht ihre Sache. Dafür freute sich Hauptfeldwebel Beate Köstel umso mehr: „Das war jetzt mein Hattrick, ich freu mich total.“ Trotz Schwanger- und Mutterschaft hat die Hauptgefreite alle drei Titel nach ihrem WM-Triumph 2014 gewonnen. Köstel und Beer hatten bei der EM zusammen mit Oberfeldwebel Silvia Rachl sogar den Titel mit 1824,9 Ringen geholt.

Barbara Engleder, die in Rio mit dem Sportgewehr triumphiert hatte und danach vom internationalen Schießsport zurück getreten war, kam zur DM zurück, sah und siegte fast. Mit 397 Ringen hatte sie sich direkt wieder für das Finale qualifiziert. „Dabei habe ich nur äußerst sporadisch trainiert, die anderen Dinge wie Familie, Job und die Vorbereitung für die Bundestagswahl sind viel wichtiger“, sagte die Volontärin in der Kreisverwaltung. „Doch noch zehre ich von meinem vorher erlernten Können.“ Bezwungen wurde Oberfeldwebel Engleder nur von Jaqueline Orth. „Das ist mein größter Erfolg, mein erster DM-Titel bei den Damen“, freute sich die Mengshausener Bundesligaschützin.
Das Bronze-Team von Baku mit dem Freien Gewehr schoss auch in München die Besten untereinander aus. Lediglich Mario Nittel, auch ein früherer Kaderschütze, sprengte die Phalanx, wurde mit 441,2 Ringen Dritter und verdrängte damit EM-Schütze Maximilian Dallinger im Schlussspurt noch auf Rang vier, nachdem der Lengdorfer im Stehendschießen geschwächelt hatte. Aber es reichte nicht mehr, um André Link und Michael Janker vom Gold- und Silberplatz zu verdrängen. Der Olympiafünfte Link hatte sich erst mühsam an die Spitze gearbeitet, am Ende aber war er souverän, siegte mit 453,9 und damit 2,5 Ringen Vorsprung.
Auch Henning Karl war „sehr, sehr zufrieden“. Der 44-jährige betreibt den Schießsport als Hobby, die Hauptrollen in seinem Leben spielen die Familie mit zwei Kindern und sein Fulltimejob als Einkaufsleiter. Zuletzt hatte er das Training intensiviert, und von daher kam sein neuerlicher Silbergewinn hinter Maximilian Dallinger für ihn „nicht ganz so überraschend“. „Am Ende ist es dann auch Glückssache, wer gewinnt“, meinte er mit der Erfahrung von über 30 Jahren Schießsport.
Beim zweiten Duell mit einem Außenseiter zog Dallinger, bester deutscher Gewehrschütze dieser Saison, jedoch den Kürzeren, rundete mit Silber aber seine hervorragende DM ab. Mit dem Luftgewehr ließ sich Manuel Wittmann vom Bund München nicht mehr vom Goldweg abbringen, obwohl Dallinger ein extrem solides und konstant gutes Finale schoss. Doch der 24-jährige Anlagenmechaniker traf überragend, mit der dritten Dublette erzielte er 21,6, mit der fünften sogar 21,7 Ringe, ein und zwei Zehntel unter dem Maximum zweier 10,9er. „Es lief halt“, meinte Wittmann nur, der pro Woche etwa dreimal trainiert und dieses Pensum auch vor der DM nicht erhöht hatte. Diese Zehntel gaben am Ende den Ausschlag, vier Zehntel betrug sein Vorsprung.

Text und Fotos: Harald Strier

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