Christina Hering – Deutsche 800-Meter-Vizemeisterin – „Ich möchte von vorne laufen“

Natürlich war die elegant hochgeschossene Mittelstreckenamazone Christina Hering am dritten Februar-Wochenende mit starken Titel-Ambitionen an die Evolvente getreten. Zudem bedeuteten die nationalen Medaillenrennen in der ausverkaufen Arena Leipzig ihren Wettkampfstart in die kommende Weltmeisterschaftssaison. Dass ihr 800-Meter-Wettkampf ans sprichwörtlich Eingemachte gehen könnte, daran ließ ihre Vereinskameradin von der LG Stadtwerke München keinen Zweifel. Schließlich meldete Katharina Trost mit 2:03,83 Minuten als Jahresschnellste ebenfalls Titelansprüche für das Leipziger Hallenspektakel an. Dass zwei hochmotivierte Münchnerinnen eisern um den Titel fighten würden, war folglich auch ein offenes Geheimnis.

Und für Christina Hering auch deshalb eine echte Herausforderung, weil die Münchner Sportsoldatin mit einer absoluten Spitzenbilanz in die Startposition tauchte – seit 2015 erkämpfte sich die Militärathletin in ungebrochener Serie den nationalen Hallen-Titel. Wegen eines Bundeswehr-Lehrgangs, der ihre Hallenvorbereitungsphase eher suboptimal verlaufen ließ, ging für die Münchener Mittelstrecklerin in der Arena Leipzig allerdings in ihr erstes Saisonrennen überhaupt. Was „Neuland“ für sie sei, wie die Aspirantin für den fünften nationalen Meistertitel in Folge dann auch betonte. Trotz der eingeschränkten Ausgangssituation wolle sie angreifen, um ihren „Titel zu verteidigen“, so Hering viel Entschlossenheit versprühend. Das Finale verwandelte sich auf den letzten 100 Metern  dann zum waschechten Sprintercup: Gut 700 Meter lang hatte die Münchener Sportsoldatin für das Tempo gesorgt, dann wurde ihre Spitzenposition von Vereinskameradin Katharina Trost mit verbissener Tempohärte angegriffen.

Am Ende sorgte weniger als ein Wimpernschlag für das alle überraschende Duellergebnis. Auf der Ziellinie trennte die beiden Favoritinnen lediglich der Hauch einer Tausendstel vom Gold und Silberrang: Bei 2:05,16 Minuten blieb die offizielle Zeitmessung für beide Athletinnen  stehen – die neue Deutsche Hallen-Meisterin heißt Katharina Trost, dokumentierten kurze Zeit später dann die Großbildschirme. Bitter für Christina Hering, die das Ergebnis zunächst gar nicht fassen konnte. Hart würde es werden, so Hering, „aber dass es so hart wird“, das hätte sie „nicht erwartet“. Die Enttäuschung, dass sie hätte „noch mehr durchziehen müssen“, ins Gesicht geschrieben, sprach der Berliner Sportjournalist Volker Schubert wenige Minuten nach dem Rennen mit Christina Hering über ihre Renntaktik, den so hauchdünn verpassten Meistertitel und ihre internationalen Ziele für das Wettkampfjahr 2019.

Bundeswehr Sport-Magazin: Christina, zunächst meinen Glückwunsch zur Deutschen Vizemeisterin, wenn auch nicht der sehnlich von Dir erhoffte Titel. Du bist ja sehr couragiert angegangen, was Deine Renngestaltung gleich vom Start an betrifft. Was war Deine taktische Überlegung; der ärgsten Konkurrentin gleich von Anfang an den Zahn zu ziehen und Dominanz demonstrieren?  

Christina Hering: Also, es war dieses Wochenende schon sehr schwierig vom Kopf her, weil ich selber nicht genau einschätzen konnte, was ich genau drauf habe. In der Halle ist es immer sehr schwer zu überholen. Und deswegen habe ich mir auch heute gesagt: Ich möchte von vorne laufen! Und natürlich ist das Endergebnis jetzt sehr bitter, weil ich ja zeitgleich und damit sehr, sehr knapp verloren habe. Aber klar, es muss es muss einen Sieger geben, und wie ich gleich nach dem Rennen schon gesagt habe: Ich gönne es keiner mehr als der Kathi und vielleicht ist es im Nachhinein dann auch ein Extra-Motivationsschub, wenn man jetzt so starke Konkurrenz aus der eigenen Münchener Trainingsgruppe bekommen hat, um einfach noch einmal härter zu arbeiten. Und ja, ich denke, dass wir uns da auch die nächsten Meisterschaften und Wettkämpfe gegenseitig gut hochpuschen können.

Bundeswehr Sport-Magazin: Dein Rennen im Vorlauf gestern lässt sich ja als sehr souveränes Auftreten beschreiben. Trotz Deiner nicht ganz so präzisen Formeinschätzung für den heutigen Endlauf, wie Du sagtest: Bist Du sehr selbstbewusst im Finale angetreten oder wie würdest Du Dein Gefühl und Deine Selbsteinschätzung vor dem 800-Meter-Titelrennen im Nachgang beschreiben?    

Christina Hering: Ja, schon. Also, gestern, da nagte die Aufregung definitiv noch deutlich mehr an mir. Aber es war schon schwierig heute. Also, wenn ich auf die letzten Jahre zurückblicke, bin ich da schon mit mehr Selbstbewusstsein reingegangen, aber ja!

Bundeswehr Sport-Magazin: Angesichts der grandiosen deutschen Mittelstrecken- und mittleren Langstreckenerfolge von Konstanze Klosterhalfen wird ja derzeit sehr viel über das sogenannte Oregon-Project des US-Sportausrüsters Nike  – das NOP – gesprochen. Konstanze trainiert und studiert jetzt in den USA, reist dann über den großen Teich an, um an Deutschen  Meisterschaften teilzunehmen. Bekommst Du das in Deiner Trainingsgruppe in München mit, und ist das für Dich als Sportsoldatin ein Thema?  

Christina Hering: Ja, klar! Also, gehört hat man natürlich schon viel darüber, aber ich bin in München so zufrieden, dass ich mir bisher keine Gedanken gemacht habe von hier wegzugehen (Anmerkung der Redaktion: Das NOP ist international umstritten, da sich der der Chef-Coach und ehemalige US-amerikanische Weltklassemarathonläufer Alberto Salazar Dopingvorwürfen durch die US-amerikanische Anti-Doping-Agentur USADA ausgesetzt sieht; die Ermittlungen dauern derzeit noch weiter an).

Bundeswehr Sport-Magazin: Mit Blick auf die Deutschen Meisterschaften im August im Berliner Olympiastadion, was steht da für die kommende Freiluftsaison demnächst auf Deinem Trainingsplan?

Christina Hering: Nun, wir fliegen am zehnten März wieder für drei Wochen nach Flagstaff (Anmerkung der Redaktion: Flagstaff/US-Bundesstaat Arizona, 2045 über dem Meeresspiegel gelegen, gilt als Leichtathletik-Mekka und Höhentrainingslanger für Lang- und Mittelstreckenläufer, da das Training die Produktion von roten Blutkörperchen auf natürliche Art und Weise anregt, was später bei Wettkämpfen auf Meeresspiegelniveau leistungssteigernde Effekte auslöst). Und dann fängt im Mai wieder ganz normal die Wettkampfphase an. Und dann möchte ich mich in der Folgezeit natürlich für die Weltmeisterschaft in Doha qualifizieren. Das ist mein großes Ziel für 2019.    

Bundeswehr Sport-Magazin: Wie sieht es neben der spitzensportlichen Karriere mit dem militärischen Wedergang der Sportsoldatin Christina Hering aus, standen da neue Lehrgänge mit Beförderungen auf dem Programm?     

Christina Hering: Ja, genau! Ich war diesen Winter auch acht Wochen in Hannover, und ich habe dort meinen Unteroffizierslehrgang absolviert. Ich bin jetzt Unteroffizier. Und auch deswegen war es für die Hallensaison natürlich eine etwas andere Vorbereitung, als wie ich es von den letzten Jahren her gewohnt bin. Und so stand für mich für 2019 von Jahresbeginn  vom Trainingsaufbau her auch die Wettkampfsaison im Sommer klar im Vordergrund meiner jetzt schrittweise erfolgenden läuferischen Planungen.

Bundeswehr Sport-Magazin: Damit dürfte der Fahrplan zu den Deutschen in Berlin ja eine wichtige Wegmarke für Deinen anvisierten Jahreshöhepunkt Doha sein, um die Fahrkarte für die Weltmeisterschaften einzulösen?

Christina Hering: Ja, auf jeden Fall! Berlin ist für mich eine total wichtige Station in Richtung Doha, die ich natürlich auch im Olympiastadion ganz fest vor Augen habe.

Bundeswehr Sport-Magazin: Danke Dir Christina! Und alles Gute wie optimale Trainingsergebnisse  bis dahin. Wir sehen uns in der Hauptstadt, hoffentlich direkt im Ziel an der blauen Bahn mit der gewünschten Medaille für das Doha-Ticket um den Hals!   

 Text und Fotos: Volker Schubert

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