Michael Carl legt sein Amt als Bundestrainer nieder

Nach 12 Jahren als Trainer der deutschen Griechisch-Römisch-Ringer

In Tirana saß Michael Carl bei den Weltmeisterschaften der nichtolympischen Gewichtsklassen letztmalig als Headcoach für die deutschen Griechisch-Römisch-Ringer auf dem Trainerstuhl. Nach 12 Jahren tritt der Hauptfeldwebel von diesem Amt zurück. Die gute Nachricht; der Erfolgstrainer betreut weiterhin die Ringer der Sportfördergruppe der Bundeswehr.

Michael Carl war selbst ein erfolgreicher Ringer sein größter Erfolg war der 2. Platz bei den Weltmeisterschaften der Junioren 1999. In seinem Sportlerleben praktiziert Michael Carl auch Vereinstreue, bis zum heutigen Zeitpunkt hielt er seinem Verein Mömbris-Königshofen die Treue. Als Trainer war er maßgeblich an der Entwicklung der ‚golden Generation‘ beteiligt, die den deutschen Ringkampfsport in den vergangenen Jahren viel nationale und internationale Anerkennung einbrachte. Allein 2021 sorgte der Ringkampfsport allein für drei olympische Medaillen in Tokio, die beiden Griechisch-Römisch-Ringer Frank Stäbler und Denis Kudla sorgten dabei für Bronzemedaillen in der deutschen Bilanz. Nach dem Rücktritt von Frank Stäbler, Denis Kudla und Eduard Popp brachte Michael Carl mit seinem Trainerstab eine neue Generation an ambitionierten Ringern auf die internationale Bühne. Doch nun gibt er das Amt, das er 12 Jahre erfolgreich leitete, in andere Hände.

Wir sprachen mit Michael Carl, nach seinem letzten Auftritt als Bundestrainer in Tirana.

BwSportMag: Die letzten Titelkämpfe als Bundestrainer hier in Tirana, ein Abschied mit Wehmut?

Michael Carl: „Ich habe mich schon gefreut, mit den U-23-Jährigen waren es ja gleich zwei Weltmeisterschaften zum Abschluss, ich genieße es eigentlich, wobei mir die U-23-Jährigen mit Silber und Bronze hier ein schönes Abschiedsgeschenk gemacht haben und auch Michael Widmayer und Pascal Eisele haben sich hier gut verkauft“.

BwSportMag: Wann ist für dich die Entscheidung gefallen, vom Amt des Bundestrainers zurückzutreten?

Michael Carl: „„Da muss ich ausholen; die Überlegungen habe ich schon während Corona, also vor Tokio 2021 angestellt, ob ich noch einen Olympiazyklus dranhänge, denn wenn man als Bundestrainer gewissenhaft und mit Leidenschaft arbeiten möchte, parallel dazu hatte ich ja noch den Stützpunkt in Heidelberg mit den Sportsoldaten zu betreuen, das waren eigentlich zwei Jobs, die zu bewältigen waren, dann ist das schon eine hohe Belastung. Die Arbeit hat mir viel Freude bereitet, hat aber auch viel Kraft und Energie gekostet, sodass ich mir Gedanken gemacht habe, ob ich diesen Aufwand weiter betreiben kann. Ich habe dann für mich beschlossen, bis Paris 2024 weiterzumachen, da der Zyklus auch nur über drei Jahre ging. Aber für mich war dann definitiv die Entscheidung gefallen, dass nach Paris Schluss ist“.

BwSportMag: Das Amt des Bundestrainers ist in vielen kleineren Verbänden mit vielen ‚Mehraufgaben‘ belastet?

Michael Carl: „Ja, man darf nicht vergessen, dass die Organisationsebene, nicht nur im Ringen personell unterbesetzt ist, und damit viele administrative und organisatorische Dinge neben den sportlichen Belangen anstehen, die durch die Bundestrainer abgedeckt werden müssen“.

BwSportMag: Wie geht es jetzt für dich weiter?

Michael Carl: „Es war eine schöne Zeit, aber ich freue mich auch auf das, was jetzt kommt, denn ich werde ja als Trainer weiterarbeiten, ich liebe diesen Job und ich freue mich auf die Arbeit am OSP in Heidelberg, wo ich die Athleten aus der Sportfördergruppe der Bundeswehr weiter mitbetreuen werde. Wenn die dann zu zentralen Maßnahmen, Wettkämpfen und Meisterschaften unterwegs sind, dann drücke ich natürlich von Heidelberg aus die Daumen, dass sie ihre Ziele erreichen“.

BwSportMag: Lass uns noch einmal den Blick zurück auf 12 Jahre Tätigkeit als Bundestrainer schweifen, die für dich überaus erfolgreich war.

Michael Carl: „Ja, das war sie, auf Anfrage einer Zeitung habe ich dann doch einmal die Medaillen der Athleten in meiner Zeit als Bundestrainer gezählt, mit den beiden von vergangener Woche waren es insgesamt 46 Medaillen bei Europa und Weltmeisterschaften, sowie Olympischen Spielen.
Als ich 2013 angefangen habe, hatten wir das Ziel, neben Frank Stäbler den einen, oder anderen jungen Ringer in der Weltspitze zu etablieren, doch was dann in den 12 Jahren passiert ist, in einem Land wo Ringen keine besondere Rolle spielt, dass ist schon eine enorme Erfolgsgeschichte. Dazu muss man sagen, dass wir unsere Athleten aus eigenem Antrieb, in den eigenen Stützpunkten entwickelt haben, die also in unserem System groß geworden sind und darauf kann man dann schon stolz sein. Worauf ich auch noch sehr stolz bin, dass es uns gelungen ist, nach Tokio 2021, wo unsere Topringer Frank Stäbler, Denis Kudla und Eduard Popp ihre internationale Laufbahn beendet haben, eine neue Generation zu formen, die zum Teil den Anschluss bereits wieder geschafft haben und auf einem Top-Niveau sind“.

BwSportMag: Gibt es in den 12 Jahren als Bundestrainer einen Moment, der dich besonders bewegt hat?

Michael Carl: „Da muss ich jetzt wirklich überlegen, es gibt Momente, die einen emotional besonders bewegt haben, wie eben die großen Titel, aber auch Dinge, die nicht so liefen, wie zum Beispiel die Suspendierung von Peter Öhler, bis hin zu seinem Freispruch, ebenso wie seine jahrelange Leidensgeschichte mit vielen Verletzungen, nach denen er sich immer wieder zurück gekämpft hat. Das hat mich ebenso berührt, wie Emotionen bei den Erfolgen unserer Athleten. Es waren viele Geschichten, man könnte ein Buch schreiben, der eine, oder andere Sportler hätte da wohl ein ganzes Kapitel für sich (Michael Carl lacht). Es war eine schöne Zeit, wir hatten ein großartiges Betreuerteam, das zusammengestanden hat, die vertrauensvolle Arbeit mit den Athleten, der Zusammenhalt des Greco-Teams, ich habe das alles sehr genossen und das beobachte ich auch jetzt bei den jungen, nachrückenden Ringern, wo eine entsprechende Basis schon gelegt ist“.

BwSportMag: Nach Olympia in Paris gab es viele Diskussionen über das ‚wie weiter‘, vor allem in den sogenannten Randsportarten, was wäre aus deiner Sicht zu ändern?

Michael Carl: „Aus meiner Sicht ist das Problem, dass man versucht, in der Spitze irgendwo nachzujustieren, das eigentliche Problem wird gar nicht angegangen. Das liegt viel tiefer, das beginnt im Schulsport und viel mehr in den viel zu wenigen Eliteschulen des Sports, wo zweimal täglich trainiert werden müsste. Die Vereine machen eine gute Arbeit, das Problem ist die Überführung der besten Talente an die Sportschulen, wo gut ausgebildete Trainer die Athleten weiterentwickeln müssten. Die Verzahnung zwischen Schule/Verein und Stützpunkten muss viel systematischer erfolgen. Derzeit haben die Schulen immer höhere Ansprüche, Sportstunden fallen aus und es ist immer weniger Zeit zum trainieren. Das zieht einen Rattenschwanz nach sich, den wir in der Spitze nicht mehr kompensieren können. Hier müsste angesetzt werden“.

BwSportMag: Gibt es jemanden, dem du in deiner Zeit besonders Dank schuldest, jemand, der dir besonders geholfen hat?

Michael Carl: „Ich bin sehr vielen Menschen dankbar, die mir geholfen und mich, sowie unser Team unterstützt haben, da würde ich jene verletzen, die ich in einer Aufzählung vergessen würde. Ich bin allen dankbar, die mir und dem Team geholfen haben dort zu stehen, wo wir jetzt sind“.

BwSportMag: Was würdest du heute, an deinem letzten Tag auf der Trainerbank abschließend sagen?

Michael Carl: „Ich habe die Zeit sehr genossen, jetzt freue ich mich auf die neuen Aufgaben mit den Athleten in Heidelberg, aber auch auf etwas mehr Zeit mit der Familie, die in den vergangenen Jahren viel zu kurz kam“.

Das Interview führte Jörg Richter für das Bundeswehr Sport-Magazin.

  • Text und Fotos Jörg Richter

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