Schwerer als gedacht

INTERVIEW: Johanna Goliszewski berichtet über die Grundausbildung bei der Bundeswehr

Johanna Goliszewski (r.) mit ihrer neuen Doppelpartnerin Birgit Michels, die bereits seit mehr als sechs Jahren als Sportsoldatin der Bundeswehr angehört. Das Duo sicherte sich bei den Deutschen Einzelmeisterschaften 2013 (Bild) erstmals gemeinsam den Titel.

Johanna Goliszewski (r.) mit ihrer neuen Doppelpartnerin Birgit Michels, die bereits seit mehr als sechs Jahren als Sportsoldatin der Bundeswehr angehört. Das Duo sicherte sich bei den Deutschen Einzelmeisterschaften 2013 (Bild) erstmals gemeinsam den Titel.

Die Bundeswehr leistet seit vielen Jahren auch in der Sportart Badminton wertvolle Unterstützung: Als Mitglieder der Sportfördergruppe haben die Top-Spielerinnen und -Spieler des Deutschen Badminton-Verbandes (DBV) optimale Voraussetzungen, um sich auf ihre Karriere im Leistungssport zu konzentrieren. Andererseits erhalten sie aber auch die Möglichkeit, ihre berufliche Laufbahn voranzutreibe.Dem DBV stehen derzeit elf Plätze in der Sportfördergruppe zur Verfügung, die er über das Kadergremium – bestehend aus dem Vizepräsidenten Leistungssport (Dietrich Heppner) als Vorsitzendem des Ausschusses, dem Chef-Bundestrainer (Holger Hasse), dem Sportdirektor (Martin Kranitz), dem Bundestrainer Jugend (Matthias Hütten) und dem Athletenvertreter (Hannes Käsbauer) – für jeweils ein Jahr an interessierte Sportler vergeben kann. Dabei bezieht das Kadergremium üblicherweise die Disziplin-Bundestrainer in seine Entscheidung ein. Prinzipiell werden die Spieler mit der besten sportlichen Perspektive bei der Vergabe der Plätze bevorzugt.

Die beiden neuesten Mitglieder in der Sportfördergruppe der Bundeswehr sind Peter Käsbauer und Johanna Goliszewski, die beide zum 1. Juli 2012 aufgenommen wurden. Im November/Dezember 2012 absolvierten sie in Hannover ihre Grundausbildung. Während die ersten Sportlehrkompanien, Sportfördergruppen und Sportgruppen Heer, die im Jahr 1970 aufgestellt wurden, Männern vorbehalten waren, können seit dem Jahr 1992 auch Frauen Sportförderung durch die Bundeswehr erhalten.

Im Gespräch mit Claudia Pauli blickt Johanna Goliszewski für Badminton Sport auf ihre Grundausbildung zurück, die ihr – wie sich im Interview zeigte – in besonderer Erinnerung bleiben wird.

Claudia Pauli (CP): „Wie kommt es, dass Du erst am 1. November 2012, also vier Monate nach Eintritt in die Bundeswehr, Deine Grundausbildung begonnen hast?“

Johanna Goliszewski (JG): „Richtig, ich bin zum 1. Juli bei der Bundeswehr eingestellt worden. Eigentlich sollte man danach auch innerhalb der nächsten Wochen die Grundausbildung absolvieren, doch aufgrund der Olympischen Spiele in London, bei denen ich – unter anderem zusammen mit Peter (Käsbauer; d. Red.) – als Sparringspartnerin für Birgit (Michels; d. Red.) und Michael (Fuchs; d. Red.) fungiert habe, und dem anschließenden Start in die Saison – meine erste mit meiner neuen Doppelpartnerin Birgit – habe ich die Grundausbildung verschieben dürfen. Es ist am besten, wenn beide Partner gleichzeitig weg sind, weil sie z. B. einen Lehrgang haben. Ich habe allerdings im September 2012 schon in der Kaserne in Köln den sogenannten militärischen Dienst absolviert. Peter hat dies in Mainz getan: Die Herren gehören der Sportfördergruppe Mainz an, die Damen der in Köln.“

CP: „Wie muss man sich die Abläufe in der Grundausbildung vorstellen?“

JG: „Die Grundausbildung bedeutete Bundeswehr im klassischen Sinn: also Strammstehen, Schießen, Sanitätsausbildung, frühes Aufstehen etc. Um 5.00 Uhr wird man geweckt, d.h., der Ausbilder auf dem Flur laut ausruft, dass es Zeit ist zum Aufstehen. Dann hatten wir eine halbe Stunde Zeit, um uns fertig zu machen und das sogenannte Revier, also unsere Stube, unser Zimmer, zu putzen. Gegen 5.30 Uhr erfolgte die Stubenkontrolle. Anschließend mussten sich alle aus unserem Zug (Teileinheit; d. Red.) auf dem Flur in einer Reihe aufstellen, dann sind wir zum Frühstück in die Kasernenkantine marschiert. Nach dem Frühstück ging es kurz zurück auf die Stube, bevor z. B. Unterricht anstand – wir haben beispielsweise etwas über das Soldatenrecht gelernt – oder aber Sanitätsdienst, Schießübungen oder Waffenputzen. Außerdem mussten wir pro Tag vier bis sechs Stunden lang das Revier reinigen. Dabei ging es den Ausbildern darum, unsere Geduld zu erproben. Mit diesen und weiteren Aufgaben war jeder Tag bis ca. 23.00 Uhr verplant.“

CP: „Aber ihr habt sicherlich auch im Freien zahlreiche Dinge gemacht, die Du vorher nicht kanntest, oder?“

JG: „Ja, wir haben viele Märsche gemacht – unter anderen zu Biwaks (Lager im Freien bzw. in Zelten oder Hütten; d. Red.) und zurück, alles mit Gepäck natürlich. Dabei musste man auch schon mal durch Match robben. Auch einen Nachtmarsch haben wir gemacht. Wir waren insgesamt viel im Regen und in der Kälte unterwegs und mussten entsprechend häufig Wäsche waschen.“

CP: „Gab es Aktivitäten, die Du besonders gerne gemacht hast? Falls ja, welche waren das?“

JG: „Das Schießen hat mir relativ viel Spaß gemacht – vielleicht auch, weil ich es recht gut konnte. Eventuell habe ich die Zielgenauigkeit vom Badminton. Aber ich hatte schon Respekt vor der Waffe. Richtig gut gefallen hat mir auch die Sanitätsausbildung. Dabei konnte man sehr viel fürs Leben lernen. Wir haben diverse Szenarien nachgespielt, z. B. wenn eine Bombe hochgeht, sodass alles realitätsnah war. Es war spannend, zu erfahren, wie man in solchen Situationen agiert.“

CP: „Es haben neben Peter und Dir sicherlich noch zahlreiche weitere Sportler ihre Grundausbildung absolviert, als ihr in Hannover wart, oder?“

JG: „Ja, wir waren ein reiner Sportlerzug, bestehend aus insgesamt 39 Leuten: 20 Männern und 19 Frauen, aus ganz unterschiedlichen Sportarten. Es waren viele Schützen dabei, außerdem Flossenschwimmer, Radfahrer, Ruderer, Kanuten, Leichtathleten usw. Parallel lief ein Feldwebel-Lehrgang, an dem vom DBV Dieter (Domke; d. Red.) teilnahm. Unser Flur war mit dem kompletten Zug gefüllt.“

Die 26 Jahre alte Johanna Goliszewski ist für die Möglichkeiten, die sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Bundeswehr hat, sehr dankbar.

Die 26 Jahre alte Johanna Goliszewski ist für die Möglichkeiten, die sie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Bundeswehr hat, sehr dankbar.

CP: „Wie muss man sich ein Zimmer in der Kaserne vorstellen?“

JG: „Man teilt sich zu zweit ein Zimmer. Glücklicherweise habe ich mich gerade auch mit meiner Mitbewohnerin gut verstanden, ich war mit der Ruderin Nadja Drygalla auf einem. Es gibt ein Hochbett, d. h. einer schläft oben, der andere unten. Außerdem hatten wir einen Schreibtisch, zwei Stühle, ein Waschbecken sowie zwei Kleiderschränke. Duschen mussten wir in einer Gemeinschaftsdusche auf dem Flur, dort befand sich auch das WC.“

CP: „Gab es die Möglichkeit, z. B. die Nachrichten im Fernsehen zu verfolgen?“

JG: „Nein, fernsehen konnten wir nicht. Auch die Nutzung von Handys war verboten. Wir haben allerdings ab und zu mal abends frei bekommen, sodass wir z. B. mit mehreren Leuten etwas außerhalb der Kasernenkantine essen gegangen sind.“

CP: „Privatsphäre hattet ihr während der Grundausbildung kaum, oder?“

JG: „Das stimmt. Es gibt in dieser Zeit überhaupt keine Privatsphäre. Man ist Tag und Nacht zusammen, macht alles gemeinsam. Obwohl man insgesamt nur wenige Wochen zusammen ist, lernt man sich richtig gut kennen. Das schweißt zusammen. Die 39 Leute waren in drei Gruppen eingeteilt, der Zusammenhalt in der eigenen Gruppe war natürlich besonders intensiv.“

CP: „Und auch für Badminton blieb während der Grundausbildung nahezu keine Zeit, nicht wahr?“

JG: „Ja. Einmal habe ich mit Dieter in einem Center gespielt. Aber richtiges Training war das nicht.“

CP: „Du konntest aufgrund der Grundausbildung auch nicht in allen Erstligapartien für Deinen Verein, den 1. BV Mülheim, aufschlagen …“

JG: „Ich habe allerdings nur ein Ligaspiel verpasst, das am 10. November gegen Düren. In den ersten zwei Wochen der Grundausbildung musste ich in Hannover bleiben, danach gab es das erste freie Wochenende. An dem bin ich dann natürlich nach Hause gefahren bzw. habe die Norwegian International gespielt. Das war eine totale Katastrophe! Ich litt unter Schlafmangel, und da ich bei der Bundeswehr 18 Stunden am Tag Stiefel tragen musste, habe mich auf dem Feld nicht nur so gefühlt, als sei ich im Halbschlaf, sondern auch so, als würde ich noch immer Stiefel anhaben … Danach ging es in Hannover weiter. Am ersten Dezemberwochenende, als wir gegen Berlin und Rosenheim gespielt haben, habe ich mich im Spiel gegen Berlin komplett unfit gefühlt. Ich habe versucht, mit Spaß und Freude alles anzugehen, das ging ganz gut. Aber man merkte, dass ein paar Prozent gefehlt haben. Die Grundausbildung kostet viel Energie – nicht zuletzt, weil die Ausbilder permanent versuchen, dich an deine Grenzen heranzuführen. Ich hatte vor allem auch tierischen Muskelkater nach den Spielen. Mein Körper musste sich erst wieder an die sportartspezifischen Belastungen gewöhnen.“

CP: „Hattest Du während der Grundausbildung eigentlich zwischenzeitlich mal das Gefühl, Du hast mental keine Kraft mehr?“

JG: „Ja, für mich waren die ersten zwölf Tage, in denen wir nicht nach Hause durften, das Schlimmste. Das sind auch ab und zu Tränen geflossen. Das Leben in der Kaserne und als Soldat bedeutet eine komplett andere Welt als die, die ich kannte. Ich bin normalerweise selbstständig und selbstbewusst, ich weiß, was ich kann. In der Grundausbildung hatte ich teilweise den Eindruck, dass Dir vermittelt wird, Du kannst nichts. Stattdessen bestand die Aufgabe darin, einfach auszuführen, was Dir gesagt wird. Wenn man das einmal verinnerlicht hat, geht es. Aber diese Umstellung hat mich am meisten Nerven gekostet.“

CP: „Was hat Dich dazu bewogen, einen Platz in der Sportfördergruppe der Bundeswehr in Anspruch zu nehmen?“

JG: „Ich habe zuvor neben dem Leistungssport in Teilzeit gearbeitet. Das funktioniert, aber man kann Arbeit und Leistungssport nur bis zu einem bestimmten Maß vereinbaren. Man kann z. B. nicht immer von der Arbeit freigestellt werden, wenn man Turniere hjat. Ich hätte nicht mal eben zwei Wochen aus dem Job rausgekonnt, um – wie zu Jahresbeginn – in Korea und Malaysia zu spielen. Dank der Unterstützung durch die Bundeswehr habe ich nun viel mehr Freiheiten. Ich kann auch mehr trainieren. Welche Vorteile man als Sportsoldat genießt, wurde mir erst richtig während der Grundausbildung bewusst. Da habe ich kapiert, wie gut ich es nun habe: Ich habe die Möglichkeit, dem Leistungssport zu 100 Prozent nachzugehen. Super ist es aber auch, dass nebenbei noch ein Studium erlaubt wird. So kann ich mich parallel weiterbilden, wie es zeitlich passt, und muss mir keine Sorgen um das Finanzielle, z. B. um die Miete, machen. Und ich beziehe bei der Bundeswehr ja nicht nur ein Gehalt, sondern bin über die Bundeswehr versichert und die komplette gesundheitliche Förderung wird ebenfalls übernommen. Die Bundeswehr ist prima so, wie sie ist.“

CP: „Aber Du hattest Dir den Job als Soldat durchaus anders vorgestellt, als er es – zumindest in der Grundausbildung – ist …“

JG: „Ich habe immer zu den anderen, die schon längere Zeit der Sportfördergruppe angehören, gesagt: So schwer kann das doch gar nicht sein. Aber das Vor-Ort-Sein und Machen-Müssen ist eine komplett andere Geschichte. So schwer habe ich mir das nicht vorgestellt …“

CP: „Wie geht es nun für Dich in der Bundeswehr weiter?“

JG: „Ich werde Ende 2013 den nächsten Lehrgang absolvieren. Wenn man Sportsoldat ist, muss man in jedem Jahr mindestens einen Lehrgang mitmachen. Die Lehrgänge dauern zwischen vier und acht Wochen. Im Laufe der Zeit rückt man auf der Karriereleiter weiter hoch. Im Moment bin ich Obergefreiter.“


DBV-Asse bei der Bundeswehr

Damen: (alle Sportfördergruppe Köln)

  • Fabienne Deprez (seit 01.07.2011)
  • Johanna Goliszewski (seit 01.07.2012)
  • Isabel Herttrich (seit 01.07.2011)
  • Birgit Michels (seit 01.01.2007)
  • Lisa Heidenreich (seit 01.07.2010)
  • Juliane Schenk (seit 01.10.2002)
  • Karin Schnaase (seit 16.01.2009)

Herren (4): (alle Sportfördergruppe Mainz)

  • Dieter Domke (seit 01.07.2006)
  • Andreas Heinz (seit 01.07.2010)
  • Peter Käsbauer (seit 01.07.2012)
  • Nikolaj Persson (seit 01.07.2010)

Von Claudia Pauli
Hinweis: Der Artikel erschien im Fachmagazin Badminton Sport, Ausgabe 3/2013.

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