LAWM 2017: London ruft die Leichtathletik-Jugend der Welt – Mit deutschem Dream-Team-Spirit an die Themse

Mit zweijährigen Rhythmus ist es am 4. August wieder soweit: Die ganze Welt schaut auf die Weltbesten der Leichtathletik. Für zehn Tage strahlt das Glanzlicht des globalen Schneller-Höher-Weiter-Kalenders nun um den Planeten. Bis zum 13. August heißt es jetzt im Londoner Olympiastadion Titeljagd in insgesamt 48 Einzel-, Mannschafts- und Staffeldisziplinen bei denen am Ende die heiß begehrten Weltmeistertitel locken. Im Kampf um Gold, Silber und Bronze sendet der Deutsche Leichtathletik-Verband 72 deutsche Spitzenathleten an die Themse. Knapp 20 dieser Weltmeisterschaftsaspiranten sind Sportsoldaten der Bundeswehr, die allesamt triftige Gründe aufweisen, selbstbewusst in Londons Edeloval treten zu können. Kein Wunder, denn schließlich positioniert sich Leichtathletik-Deutschland aktuell mit sieben Athleten beziehungsweise Staffeln in den Top Drei der Welt und insgesamt 23 Top-Ten-Platzierungen in der Weltrangliste. Der Berliner Sportjournalist Volker Schubert besuchte die deutsche DLV-Nationalequipe kürzlich bei ihren letzten WM-Schliff, der eingebettet ins Landschaftsidyll der brandenburgischen Sportkaderschmiede Kienbaum zudem während eines DLV-Medientags erfolgte.

Bundesleistungszentrum Kienbaum, Land Brandenburg. Quasi wie aus einem Guss besten deutschen Panzerstahls geschmiedet und damit zur nun transformierten Weltklasse-Equipe, so präsentierte der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) nur wenige Tage vor dem Start des Weltjahresspitzenevents der ultimativen Schneller-Höher-Weiter-Community die deutsche DLV-Traummannschaft, die ab dem 4. August für insgesamt zehn Tage im Londoner Olympiarund an die Ablauflinien gehen wird, beim finalen Medientag noch einmal ganz hautnah.

So jedenfalls könnte man im schneidig akzentuierten Bundeswehrsprech meinen, würde man das vorangegangene Team-Building, das letzte wie entscheidende Akzente für den kommenden Weltklasseevent initiieren sollte, militärisch kommentieren. Und in der Tat, schaut man dabei insbesondere auf die knapp 20 deutschen Nationalteam-Mitglieder, die als Sportsoldaten mit Beginn der Vorläufe und Vorrunden ihrer jeweiligen Spezialdisziplinen den Kampf um die heiß begehrten Medaillenränge aufnehmen werden, scheinen die spitzensportlichen Reihen ebenso emotional wie leistungsphysiologisch fest geschlossen.

Zusammengeschweißt und hoch motiviert. Für die Leichtathletik-WM in London entsendet der DLV 72 Top-Athleten. Beim DLV-Medientag im Bundesleistungszentrum Kienbaum präsentierten sich 62 Medaillenaspiranten der Sportpresse – darunter auch knapp 20 Militärathleten der Bundeswehr. Der Berliner Sportjournalist Volker Schubert  stellt einige der Sportsoldaten und ihre persönlichen Edelmetall-Ambitionen vor.

Mit Team-Work und Team-Spirit an die Themse

Etwas weniger martialisch, wenn auch nicht ohne Sieges- und Top-Platzierungsambitionen, drückte es dann auch der Leitende Direktor Sport des Deutschen Leichtathletik-Verbands, Idriss Gonschinska, aus, der das DLV-Nationalteam für London am offiziellen Verbands-Pressetag als hervorragend „zusammengeschweißt“ einstufte. „Erfolg hängt auch von Team-Work und vom Team-Spirit ab. Wir wollen hier unbelastet vom Alltagsstress hungrig auf die WM werden“, so der Spitzenfunktionär letzten Freitag in der brandenburgischen Athletenschmiede Kienbaum.

Zwischen Wettkampfanlagen und Sportlerbungalows präsentierte sich dort der größte Teil der deutschen WM-Teilnehmer noch einmal „zum Anfassen“ wie zu den vielen Exklusivinterviews. Wenn auch fast bis zuletzt inmitten des London-Trainings engagiert, in diesen Tagen ging es im Bundesleistungszentrum dann auch ums Entschleunigen, ums Ruhe finden wie um den inneren Biss, wie Gonschinska zur begonnenen Phase des Heißwerdens wissen ließ. Man konzentriere sich in Kienbaum auch auf regenerative Maßnahmen, trainiere nicht mehr so spezifisch, vieles drehe sich um die Einstimmung, so die DLV-Spitzentrainer.

Jede WM ein neues Turnier

„Natürlich freuen wir uns auf die WM und bringen viele individuelle Träume mit nach London“, und so betonte der DLV-Sportdirektor dann weiter, dass die Messlatte für die WM möglichst eng an den persönlichen Bestleistung oder Saisonbestleistung gelegt werde. Selbstverständlich bestehe dabei der Zielfokus die bekannten Sportleistungsbilder angesichts des Londoner Topereignisses gerne zu übertreffen. Auch das sei die klare Zielstellung vieler deutscher Leichtathleten. Allerdings sei die Konkurrenzsituation extrem dicht sortiert, denn mehr als 70 Nationen werden um Top-Acht-Platzierungen kämpfen und mehr als 40 Länder bringen Medaillenaspiranten mit, wie Gonschinska zu bedenken gab.

Jede WM sei ein neues Turnier mit höchst engen Momenten. Zudem befinde sich der DLV im Jahr der Neuformierung für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio, weshalb auch sehr viele neue und junge deutsche Gesichter in London an den Start gehen. Präzise Medaillenprognosen lehnte Gonschinska dann auch er ab, weil es wegen der Komplexität der einzelnen Disziplin wie wegen der jeweiligen Rahmenbedingungen am Wettkampftag nur sehr schwer sei, Vorhersagen zu treffen. So rechne man im DLV auch mit Rückschlägen wie mit Überraschungen.

In London ohne Erzgebirgskanone, deutsche Spitzenwerfer und Tophürdensprinterin

Einzelne Sportjournalistenfragen beantwortend, stellte Gonschinska unumwunden klar, dass Peking gestern war; möglicherweise sorgsam vorausschauend, um überzogenen Spekulationen um eine potentielle Medaillenausbeute entgegenzutreten. So habe sich die Ausgangssituation seit Peking deutlich verändert, was sich natürlich auf die Erwartungshaltung insgesamt auswirke, so Gonschinska. Hier sei das Fehlen einiger Leistungsträger definitiv nicht zu ersetzen; konkret also die Abwesenheit der Peking-Zweiten im Hürdensprint Cindy Roleder vom SV Halle oder der Sportsoldatin und Kugelstoß-Weltmeisterin Christina Schwanitz von der LV 90 Erzgebirge. Auch der Diskus-Olympiasieger Christoph Harting vom SCC Berlin fehle wie auch der Olympia-Dritte Daniel Jasinski vom TV Wattenscheid 01.

Hinzu käme, dass beständige Medaillenkandidaten mit jahrelangen  Weltspitzenplatzierungen ihre Karriere beendet hätten, wie die deutschen Eliteathleten Christina Obergföll, Linda Stahl und Betty Heidler. „All diese Athleten kann man nicht ersetzen“, wie Gonschinska die begonnene Neuorientierungsphase mit den vielen Neuathleten beschrieb. „Zudem sind Weltmeisterschaften im Abstand von zwei Jahren mit einer sich zum Teil völlig veränderten Wettbewerbssituation nicht zu vergleichen.“ Folglich sei das Pekinger WM-Spitzenergebnis, wo der DLV acht Medaillen realisieren konnte, nicht als Messlatte für London geeignet.

Gonschinska‘s realistischen WM-Dämpfern zum Trotze gab sich Raphael Holzdeppe vom LAZ Zweibrücken reichlich selbstbewusst. „Ich will in London die Goldmedaille gewinnen“, so der Hauptgefreite der Reserve, jener Stabhochspringer, der bei der Moskau-WM 2013 Gold und 2015 in Peking zu Silber aufgestiegen war. Seine Disziplinkamerdin Silke Spiegelburg vom SV Bayer 04 Leverkusen fliegt mit ebensolchen Gefühlen nach London, denn ihr letztes Techniktraining unter Anleitung ihres Bruders verlief erfolgversprechend, wie die 31-jährige in Kienbaum mitteilte.

Crème de la Crème im Speerwurf kämpft in London um deutschen WM-Dreifachsieg

Für den Spitzenspeerwurf blickt die deutsche Männertruppe euphorisch auf die Insel. Schließlich repräsentieren Sportsoldat Johannes Vetter von der LG Offenburg, der neue deutsche Rekordhalter mit grandiosen 94,44 Metern, Thomas Röhler vom LC Jena, 93,90 Meter und Andreas Hofmann, MTG Mannheim mit 88,79 Metern, in der gleichen Reihenfolge auch die absolute Weltspitze – sind also die Top Drei des Planeten. Als gefragte Protagonisten des DLV-Medientags fiel die spitzensportliche Positionierung ihres Bundestrainers und Speerwurf-Teamleiters, des zum DLV delegierten Sportsoldaten Boris Obergföll, logischerweise eindeutig aus: „Wir wollen gewaltig vorne mitmischen und die Konkurrenz hinter uns lassen, das ist unser Anspruch“, so Obergföll zu den London-Ambitionen seines Super-Trios.

„Wir hätten nichts dagegen, drei Medaillen zu holen“, unterstrich auch Obergföll-Topschützling Thomas Röhler, ohne dabei überheblich zu wirken. So will Röhler wohlwissend, dass seine schärfsten Konkurrenten vor London ebenfalls große Weiten erzielt haben, seinem Körper kurz vor dem London-Höhepunkt „Ruhe gönnen“, um ab dem 7. August die volle Spannung aufzubauen. Im Londoner Olympiastation sucht der Militärathlet dann definitiv „den Nervenkitzel“, um sich bei der WM mit den Besten zu messen, so der WM-Vierte von 2015, der dem britisch gefärbten WM-Highlight spannungsgeladen entgegenfiebert. Das persönliche Ziel von Andreas Hofmann ist zunächst hingegen die Qualifikation, um „dann im Finale mindestens an die Bestleistung ranzuwerfen“, wie er in Kienbaum planerisch äußerte.

Schallmauern sprengen und magische Grenzen verschieben

Sportsoldatin Marie-Laurence Jungfleisch vom VfB Stuttgart, 2015 WM-Siebte, träumt von magischen Grenzverschiebungen. Für die Hochspringerin ist die Zwei-Meter-Marke in der Londoner Höhenfliegerecke folglich auch ein ganz heißes Thema. 2016 war es ihr erst- wie einzigmalig vergönnt, die Fabelhöhe, die noch immer die erste Pforte zur dünn gesäten Weltspringerspitze markiert, zu überfliegen. „Ich hoffe, dass ich diese Höhe bald wieder schaffe. Ich weiß, dass ich das kann, die Frage ist nur wann, bestenfalls in London. Wahrscheinlich muss man für eine Medaille so hoch springen“, so Jungfleisch vorausplanend, wie sie gegenüber Bundeswehr Sportmagazin sagte.

Ähnliche Grenzverschiebungen beschäftigen auch Alexandra Wester vom ASV Köln. Ebenso, wie der Teamkameradin Jungfleisch, gelang es der Weitspringerin ebenfalls erst einmal hinter der Marke von sieben Metern zu landen; das war 2016 mit leider etwas zu viel Rückenwind. Nun schaut die Weitspringerin erneut nach vorn: „Man darf sich nicht zu sehr darauf fixieren, wieder so weit springen zu wollen“, so die Rio-Olympionikin. Mentale Unterstützung erhält Wester von der routinierten wie leistungsbeständigen Mehrkämpferin Claudia Salman-Rath. Die Sportsoldatin und 2017 Deutsche Meisterin von Erfurt dürfte Wester nicht nur stark anspornen. „Super, sie pusht mich“, kommentierte Wester die Motivationsschübe, die sie immer wieder von der Sportsoldatin Claudia Salman-Rath erhält. In London wird die Frankfurterin Militärathletin allerdings auf zwei spannenden Bühnen tanzen. Nämlich beim WM-Doppelstart im Siebenkampf und im Weitsprung, zwei Disziplinen, die ihr aktuell gleich lieb wären, wie Salman-Rath in Kienbaum lächelnd verriet.

Schöne deutsche Dreisprung-Storys verspricht auch die Chemnitzer Traumpaarung mit Europameister Max Heß und Trainingspartnerin Kristin Gierisch. Max Heß, der 2017  den deutschen Hallenrekord mit 17,52 Metern aufstellte – will an der Themse an seine Freiluft-Bestweite von 17,20 Metern anknüpfen, was im Londoner Olympiastation nach derzeitigem Weltklassement mit einem Top-Sechs-Platz goutiert werden könnte. Und auch Kristin Gierisch, die deutsche Rekordhalterin mit 14,57 Metern, liebäugelt mit ihrem achten Pekingrang, den sie in London mit geballter Sachsen-Power als persönliches Mindestziel verteidigen will.

Zwei im London-Zauber: „DerHarting‘s“ letzter Ringkampf und Klosterhalfen‘s WM-Debüt

Für den Berliner Diskusgiganten Robert Harting vom SCC Berlin ist die London-WM auch ein erneuter Trip an seine größte sportliche Ruhmesstätte. 2012, bei den Olympischen Sommerspielen in der Themsemetropole, goss sich der Zwei-Meter-Hüne seine unvergängliche Goldmedaille als grandioser Olympiasieger. In den Zauber der britischen Jubelarena wird der Spreeathener Sportsoldat allerding ein letztes Mal eintauchen, denn für den deutschen Ausnahmeathleten signalisiert die WM-Station im glorreichen London-Oval seine letzte WM-Teilnahme. Im Gegensatz zu Robert Harting, quasi völlig schwerelos, so präsentierte sich Konstanze Klosterhalfen, das ultimative Leichtgewicht und Laufwunder der neuen deutschen Mittelstreckenszene.

Innerlich wohl weit von statistisch verlockenden Edelmetall-Kategorien entfernt, konstatierte die ausdauerstarke wie überaus tempoharte Senkrechtstarterin vom TSV Bayer 04 Leverkusen: „Ich glaube, die Afrikanerinnen sind superstark und nochmal eine andere Konkurrenz. Ich möchte nicht zu große Erwartungen schüren. Wir schauen von Lauf zu Lauf“. Mit dieser Renntaktik wäre sie bisher gut gefahren, so die frisch gebackene U23-Europameisterin über 1.500 Meter zu potentiellen WM-Platzierungsambitionen respektive kommenden Finalperspektiven. Für London setze sie auf ein schnelles Rennen, wie die erst 20-jährige Ausnahmeläuferin in ihrer überzeugenden Unbeschwertheit meinte.

Text: Volker Schubert

Foto: Volker Schubert

 

„19 von 72“

Das deutsche DLV-Sportsoldaten-Team für die Leichtathletik-WM London 2017

Die DLV-Frauen für London:

Neele Eckhardt *   I   LG Göttingen   I   Dreisprung

Sara Gambetta   I   SC DHfK Leipzig   I   Kugelstoßen

Christina Hering   I   LG Stadtwerke München   I   800 Meter

Marie-Laurence Jungfleisch   I   VfB Stuttgart   I   Hochsprung

Gesa Felicitas Krause   I   Silvesterlauf Trier   I   3.000 Meter Hindernis

Susen Küster   I   TSV Bayer 04 Leverkusen  I   Hammerwurf

Anna Rüh   I   SC Magdeburg   I   Diskuswurf

Claudia Salman-Rath   I   LG Dornburg   I   Weitsprung, Siebenkampf

*  ab Oktober 2017 Sportsoldatin

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Die DLV-Männer für London:

Nils Brembach   I   SC Potsdam   I    20 Kilometer Gehen

Robin Erewa   I   TV Wattenscheid 01   I   4 x 100 Meter

Rico Freimuth   I   SV Halle   I   Zehnkampf Robert Harting   I   SCC Berlin   I    Diskuswurf

Robert Hering   I TV Wattenscheid 01   I   4 x 100 Meter

Raphael Holzdeppe **  I   LAZ Zweibrücken    I    Stabhochsprung

Christopher Linke   I   SC Potsdam   I   20 Kilometer Gehen

Aleixo Platini Menga   I   TSV Bayer 04 Leverkusen   I   200 Meter

Mateusz Przybylko   I    TSV Bayer 04 Leverkusen   I   Hochsprung

Julian Reus   I   TV Wattenscheid 01   I   100 Meter, 4 x 100 Meter

Homiyu Tesfaye   I   LG Eintracht Frankfurt   I   1.500 Meter

Johannis Vetter   I   LG Offenburg   I   Speerwurf

** Hauptgefreiter der Reserve

 

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