25 Jahre Sportfördergruppe der Bundeswehr Frankenberg – Felsenfest in erzgebirgscher Hand

Drei Monate habe die allgemeinmilitärische Grundausbildung 1991 noch gedauert, erinnert sich Jan Fiedler an seine ersten formvollendeten Formaldienstschritte im Waffenrock der deutschen Streitkräfte. Die Allgemeine Wehrpflicht bildete für den heute 50-jährigen Berufssoldaten das Einfallstor zu einer beeindruckenden Spitzensportkarriere. Denn der pulmonal extrem hochbelastbare Wintersportathlet mit der unbeugsamen Zähigkeit eines Langstreckenläufers sollte es 1992 zum Deutschen Meister im 30 Kilometer Skilanglauf bringen. Ein spitzensportlicher Aufstieg, mit dem der uniformierte Sportbotschafter die deutsche Nation auch in den Folgejahren erfolgreich bei internationalen Schneesportwettkämpfen, darunter Weltcups und Weltmeisterschaften, vertrat.

 

Weltmarkenzeichen Erzgebirge: Der nordische Kombinierer Eric Frenzel blickt als zweifacher Olympiasieger auf eine fabelhafte Wintersportkarriere zurück.

Schon im zarten Alter von fünf gelangen dem 1968 im sächsischen Annaberg-Buchholz geborenen Dreikäsehoch erste Rutschversuche auf den Langlaufskiern. Die Leidenschaft zu den Loipen-Bretterln hatte sein sieben Jahre älterer Bruder entfacht, der den bewegungsfreudigen Knirps zum Training mitnahm. Das war zu einer Zeit, als es in niedrigen Lagen noch meterhohe Schneeberge gab, wie sich Jan Fiedler gerne erinnert. Der weitere sportliche Aufstieg des ehrgeizigen Jungpioniers verlief ganz nach sozialistischem Plan. Mit dreizehn fand sich Jan dann im Spitzensportfördersystem der DDR wieder – 1981 wechselte der Ausdauertalentierte auf die Kinder- und Jugendsportschule in Oberwiesenthal, einer der entscheidenden sportpolitischen Kaderschmieden, die spitzensportliche Erfolge mit der pädagogischen Erziehung zu sozialistischen Persönlichkeiten zu verknüpfen suchten.

Und in der Tat, kurz vor der sogenannten Wende mit dem Zerfall des maroden SED-Regimes, wurde Jan Fiedler DDR-Meister im Vielseitigkeitsklassement, einem Skiwettbewerb, der in etwa mit der Leichtathletik-Disziplin Crosslauf vergleichbar ist. Seine nächste einschneidende Weichenstellung erfolgte nach der Deutschen Einheit, als der kernige Erzgebirger als einer der Ersten 1993 in die neu im pittoresken Frankenberg aufgestellte Sportfördergruppe eintrat. Auch heute noch ist es ein Leben für den Sport, das weiterhin loipen- und sportaffin bewegte Dasein des Jan Fiedler. So schloss sich 2011 der berühmte Lebenskreis, als der Ex-Spitzensportler dienstlich nach Frankenberg umzog, in den Amtssitz der traditionell Wintersport- und Leichtathletik-affin aufgestellten Kaderhochburg der Wettiner Kaserne.
Hier „kommandiert“ Oberstabsfeldwebel Jan Fiedler die ortstopografisch hochgelegene Sportfördereinrichtung der Streitkräftebasis. Der Topathlet der 1990er ist dabei alles andere als ein Kommiss-Kopf, denn der einst so wettkampfstarke Ausdauersportler ficht dort für pragmatische Prozesse in flachen Hierarchien und schafft mit ausgeprägter Empathie wie leidenschaftlichem Teamgeist – ganz im Sinne seiner rund 60 militärisch organisierten Topathleten. Zu seinen Ikonen gehören Weltklasseathleten, wie die Kugelstoß-Welt- und –Europameisterin Christina Schwanitz oder der fabelhafte Zweifach-Olympiasieger in der Nordischen Kombination Eric Frenzel. Viel habe sich in den letzten 10 Jahren in der Militärsportförderung verändert, so Fiedler, der dabei auf die duale Karriere mit der Vereinbarkeit von zivilem Studium und Spitzensporttraining verweist.

Statt Amtsautorität per Dienstgrad: Jan Fiedler (Mitte) schätzt flache Hierarchien und tatkräftiges Teamwork mit Rico Wagner (li.) und Daniel Fiedler.  

Im Exklusivinterview mit OSP-Chef Thomas Weise

Für den Leiter des Olympiastützpunkts (OSP) Chemnitz/Dresden, Thomas Weise, zählt die Sportfördergruppe der Bundeswehr im Freistaat Sachsen zu den Medaillengaranten des deutschen Spitzensports. Beim 25-jährigen Jubiläum des Frankenberger Militärolymps sprach der Berliner Sportjournalist Volker Schubert mit dem OSP-Chef über einstige Siege, kommende Perspektiven und über den exzellenten Ruf der Sportlerschmiede, der auch dem Engagement von Jan Fiedler, zu verdanken ist.
BwSpMag: Als OSP-Leiter Chemnitz/ Dresden sind Sie hautnaher Akteur, was die Weiterentwicklung des Spitzensports im Freistaat Sachsen betrifft. Die Sportfördergruppe Frankenberg mit Jan Fiedler als erzgebirgschen Urgestein repräsentiert sich zum 25-Jährigen als fest etablierter Baustein in der deutschen Sportförderungslandschaft. Was bewirkt die jüngste Spitzensportreform für die Leistungsträger im disziplinübergreifenden Hochleistungssport für die Sportförderungsinstitutionen ganz hier direkt in Sachsen?

Thomas Weise: Ein wesentliches Element der Leistungssportreform ist die Bündelung der strukturellen Ressourcen ab Januar 2019. Den neuen Förderrichtlinien des Bundes sind wir im Freistaat Sachsen anhand eines komplexen Umgestaltungsprozesses nachgekommen. Wir haben diese Veränderungen in den letzten zwei Jahren mit konstruktiven Planungsgesprächen unserer Trägervereine überaus präzise vorbereitet und im November die wesentliche Verschmelzung für die Struktur 2019 durchgeführt und lassen die zwei OSP-Filialen 2021 dann reformvollendet zum vereinten OSP Sachsen zusammenwachsen.

BwSpMag: Viele Wintersportler, so wie die beiden Spitzeneisschnellläufer Denny und Nico Ihle, nutzen in der Sommerphase auch die trainingsspezifischen Vorbereitungsmöglichkeiten des Olympiastützpunkts Berlin unter dem exklusiven Hallendach der 500-Meter-Eisschnell­laufbahn am Trainingszentrum Hohen- schönhausen. Wie gestalten sich hier Ihre spitzensportlichen Kontakte in die Hauptstadt, wenn ich an den dortigen Olympiastützpunktleiter Dr. Harry Bähr und sein OSP-Team denke?

Thomas Weise: Was unsere Chemnitzer Kontakte in die Sporthauptstadt betrifft, kann ich mit Fug und Recht auf einen sehr guten und konstruktiven Austausch verweisen. Wir sind im ständigen Gedankenaustausch und treffen uns ja auch sehr häufig ganz persönlich zu Beratungen. Ich kann sagen, dass wir uns schon sehr, sehr lange kennen, und das dient in erster Linie ganz der Entwicklung und dem Interesse unserer betreuten Athleten, die Sie ja beide eben als Beispiel für die ausgesprochen gute Zusammenarbeit und Unterstützung nannten, was aber auch viele andere Spitzensportler miteinbezieht.

BwSpMag: Wie würden Sie den kommenden OSP Sachsen mit Blick auf die deutschlandweiten OSPs definieren; sind Sie hier ein Leitolympiastützpunkt oder organisatorisch eher stark diszi­plin­spezifisch ausgerichtet?

Thomas Weise: Das lässt sich insgesamt nicht so genau sagen, denn es gibt mit Sicherheit größere aber auch deutlich kleinere Olympiastützpunkte, was auch an der Anzahl der Sportarten liegt. Der Freistaat Sachsen bewegt sich als viertgrößter OSP hier auf dem Niveau Berlins. NRW, Baden-Württemberg und Bayern verfügen aufgrund der Bevölkerungszahl über die größten OSPs.

BwSpMag: Das Jubiläum auf dem Frankenberger Olymp, wie die Sportfördergruppe mit Stolz auf die weltweiten Spitzenerfolge wohl zu Recht firmiert, ermuntert zum Rück- wie zum Ausblick. Athleten-Kritik besteht an der Hochleistungssportreform. Die greife erst, wenn der Athlet bereits Spitzenklasse wäre. Wie schauen Sie zurück und wohin geht die spitzensportliche Reise zukünftig?

Spitzensport in Deutschland: „Großer Nachholbedarf“

Thomas Weise: Mit mehrseitigem Blick steht sicher fest: Die Sportfördergruppen, genauso wie die Sportförderung der Bundespolizei, des Zolls und der Länderpolizeien werden auch zukünftig ein wesentlicher Teil der Sportförderung bleiben. Dass der Sportsoldat nun eine duale Karriere anstreben kann ist wichtig. Damit besteht endlich die berufliche Perspektive, am Ende der Sportkarriere feste Anstellung in den Sportfördergruppen zu finden. Insgesamt sind wir auf gutem Weg, denn die Regierung beabsichtigt zukünftig auch mehr Geld zu investieren.
Problematisch ist, dass wir insgesamt über zu wenig gut qualifizierte Trainer verfügen. Hinzu kommt, dass das Sichtungs- und Auswahlsystem für Talente qualitativ viel höherwertiger aufgestellt werden muss. Nur so können wir echten Nachwuchs zielgerichtet fördern, damit die neue Athleten-Generation zehn bis 20 Jahre nach der Entdeckung noch konkurrenzfähig bleibt und mit Spitzenleistungen glänzt. Der Stellenwert des Sports insgesamt muss in Deutschland auf eine höhere gesellschaftliche Ebene gestellt werden. Da haben wir großen Nachholbedarf.

BwSpMag: Ist da nicht die Dominanz des Fußballs einer der größten Störfaktoren? Immerhin überzieht das Milliardengeschäft trotz der Fülle an nationalen wie globalen Negativschlagzeilen die Medienlandschaft und verdrängt dabei die klassischen olympischen Kernsportarten von der Leinwand. Wie gilt es hier aus Sicht des sächsischen Spitzensportmanagers im Sinne deutscher Leistungsträger entgegenzuwirken? Stellen die European Championships – wie 2018 zusammen mit der Leichtathletik-Europameisterschaft in Berlin praktiziert – da eine erfolgversprechende Strategie dar?

Thomas Weise: Also, die European Championships sehe ich als eine sehr gute Idee an. Ich glaube, das ist im Sommersport ein Weg, wie man medial viel intensiver berichten kann. Im Winter funktioniert das auch sehr gut, wie die Skisaison mit Alpin- und Skiwettkämpfen vor dem Fernseher beweist. Ich denke aber im Sommer müssen die einzelnen Disziplinen einfach noch attraktiver, noch medienwirksamer gestaltet werden, um den Zuschauer dauerhaft anziehen zu können. Klar ist: Ohne Medien kommt die Sportart nicht vor und hat folglich große Entwicklungs- und Förderprobleme. Den Fußball stärker zu verdrängen wird allerdings schwer möglich sein. Aber neue Formate, wie die European Championships, rücken die dort integrierten Sportarten mit ihren Sendeplätzen zumindest parallel in den Fokus.

Frankenberger Eislaufduo Denny (li.) und Nico Ihle. Für den OSP-Chef Thomas Weise sind die zwei rennkufenschnellen Sachsenblitze absolute Vorzeigeathleten.  

BwSpMag: Die Streitkräfte sind ein wichtiger Eckpfeiler in der staatlichen Förderung des olympischen wie nicht-olympischen Spitzensports. Allerdings treffen die Disziplinverbände im Jahresturnus die wesentliche Entscheidung, ob ein Athlet in den Genuss der Militärsportförderung gelangt oder gegebenenfalls auch gehen muss. Ein sportpolitisches Mittel, was sich für den einzelnen Militärsportler in puncto soziale Sicherheit durchaus folgenschwer auswirken kann. Was sollte hier in den nächsten Jahren auf der Entwicklungsagenda stehen, um das Fördersystem noch attraktiver zu gestalten?

Thomas Weise: Ich halte das Verfahren bei der Bundeswehr für durchaus in Ordnung. Schließlich erlernt man bei der Bundeswehr – anders als bei den hochleistungssportgeförderten Polizei- oder Zollbeamten – gerade nicht den Beruf des Soldaten. Bei den Bundeswehr Sportfördergruppen ist das tatsächlich anders konzipiert. Ich sage mal, die Sportler, die erfolgreich sind, die haben erwiesenermaßen auch eine lange Verweildauer. Wenn man allerdings nur zwei bis drei Jahre bei der Bundeswehr Sportförderung ist, wird das natürlich schwieriger. Auch der Athlet muss hier mehr zur Selbstständigkeit erzogen werden, um sich dieser Herausforderung zu stellen – einerseits sich sportlich zu entwickeln, andererseits sich auch beruflich voranzutreiben.
Die Sportfördergruppen der Bundeswehr sind auch für die Persönlichkeitsentwicklung prägend, was ohne diese Möglichkeiten in diesem Ausmaße dann sicherlich nicht so der Fall wäre, und wir in Deutschland dann auch nicht diese großen Erfolge von Bundeswehrathleten hätten. Die beiden Ihle-Brüder im Eisschnelllauf sind ja beste Beispiele. Nico ist wintersportlich besonders erfolgreich und beide haben zunächst einmal die soziale Absicherung. Und beruflich bietet es sich später an, dass beide dann als Trainer arbeiten können.

BwSpMag: Wir wünschen Ihren freistaatlich geförderten Topathleten maximale weltsportliche Erfolge. Für Sie und Ihre Kaderschmiede einen guten Start in der reformierten Struktur. 

Text: Volker Schubert

Fotos: Volker Schubert; Jan Fiedler

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