German Open in Magdeburg (26. bis 30. März)
Historischer Doppelsieg in Magdeburg: Zum ersten Mal in der German-Open-Geschichte standen am Sonntag zwei deutsche Spieler ganz oben auf dem Podium, Dimitrij Ovtcharov und Shan Xiaona, die auch die amtierenden nationalen Meister sind. Ovtcharov rang im Finale vor 3600 Zuschauern in der GETEC-Arena den Japaner Jun Mizutani nieder und gewann seinen zweiten German-Open-Titel nach 2012. Shan Xiaona ließ der topgesetzten Koreanerin Seo Hyowon keine Chance. Für die Berlinerin war es der erste World-Tour-Titel. Podestplätze holten außerdem Han Ying und Sportsoldat Steffen Mengel von der Sportfördergruppe Bw Mainz.
Ein weiteres historisches Resultat gab es im Damen-Doppel, wo die 13-jährigen Japanerinnen Miu Hirano und Mima Ito als jüngste Siegerinnen der ITTF World Tour in die Geschichte eingingen. Das Herren-Doppel-Finale gewannen Wang Hao und Lyu Xiang. Es war der einzige Titel für das Reich der Mitte in Magdeburg.
Dimitrij Ovtcharov blickte erstaunt auf das DIN-A4-Blatt, das ihm Matt Pound, der ITTF-Pressesprecher in der Mixed Zone in die Hand drückte, in der die Spieler bei Turnieren den Journalisten ihre Interviews nach dem Spiel geben. „Warum steht hier ‚Nummer zwei‘?“ Gerade hatte Ovtcharov das German-Open-Finale gegen Japans Jun Mizutani gewonnen. „Wo ist die Nummer eins“, erkundigte er sich also nicht zu Unrecht. „Wer soll die denn kriegen, wenn nicht ich?“ „Oh, das ist nicht für hier, sondern für unseren WM-Countdown für Tokio“, erklärte Pound, der in Magdeburg Fotos mit WM-Logo und Ziffern darauf von den Topspielern für das Highlight in vier Wochen in Japan sammelte. „Gib mir die Nummer eins“, beharrte Ovtcharov. Und so setzte er sich direkt im Anschluss an das erfolgreiche Endspiel ein zweites Mal durch.
„Egal, was ich heute noch von mir gebe, Steffen wird die Schlagzeilen dieses Tages dominieren. Er hat hier schließlich die großen Überraschungen geschafft“, hatte Ovtcharov am Samstag in der Mixed Zone gesagt, bezugnehmend auf den sensationellen Halbfinal-Einzug von Steffen Mengel. Am Sonntag spielte der 25-Jährige erneut auf diese Aussage an: „Heute habe ich die Schlagzeilen“, grinste Ovtcharov eine Journalistin an, gab seiner Verlobten Jenny Mellström einen Siegerkuss und erklärte dann den Journalisten: „Ohne das Publikum hätte ich das heute bestimmt nicht geschafft. Da wäre ich sicher schon im Halbfinale ausgeschieden.“ Bereits in der Vorschlussrunde musste der 25-Jährige gegen den stark aufspielenden Portugiesen Tiago Apolonia vom Bundesligisten Saarbrücken über die volle Distanz von sieben Sätzen gehen und hatte kein Mitleid für Herzpatienten gezeigt. Ovtcharov und ein stark aufspielender Apolonia lieferten sich ein Match auf Augenhöhe mit rassigen Topspin-Topspin-Duellen. Schon beim DHS Europe Cup Anfang Februar waren die beiden über die volle Distanz von fünf Sätzen gegangen. Damals hatte der Portugiese das bessere Ende für sich. In der GETEC-Arena lag Ovtcharov im siebten Satz mit 7:9 hinten, drehte die Partie aber noch zu seinen Gunsten – mit Hilfe des Publikums.
Mengel: „Mir fehlten eben die paar Prozent, was dann ausreicht, um gegen einen Weltklassespieler eine klare Niederlage zu kassieren.“
„Ovtcharov ist Weltranglistensechster und ein sehr starker Spieler“, sagte der unterlegene Jun Mizutani nach dem Spiel erschöpft und auch ein bisschen enttäuscht. „Das letzte Mal habe ich gegen ihn gewonnen. Heute hatte ich auch gute Chancen, habe es aber leider nicht geschafft“, so der Linkshänder, der zuvor den Überraschungs-Halbfinalisten Steffen Mengel mit 4:0 besiegt hatte. Der 25-jährige Deutsche, der gestern überraschend, mit sensationellem Tischtennis und Siegen über den topgesetzten Wang Hao (China) sowie gegen den Koreaner Cho in die Vorschlussrunde eingezogen war, hatte heute gegen den Weltranglisten-11. aus Japan keine Chance. „Jun hat fast fehlerfrei gespielt und absolut verdient gewonnen. Mir fehlten eben die paar Prozent, was dann ausreicht, um gegen einen Weltklassespieler eine klare Niederlage zu kassieren. Eine Rolle spielte auch, dass ich in den letzten Tagen viele harte Matches gespielt habe, insgesamt über 50 Sätze, und das geht auch nicht spurlos an mir vorüber“, sagte Mengel nach der Partie.
Unter dem Strich sei Magdeburg für den Deutschen Meister von 2013 ein Supererlebnis gewesen. „Mit dem Halbfinale hätte ich nie gerechnet, die Zuschauer haben mich großartig unterstützt, und jetzt merke ich erst, dass man ein wenig müder wird. Sicher ist es auch so, dass Vieles erst später so richtig ins Bewusstsein rückt – der Sieg gegen Wang Hao zum Beispiel, da wird sicher in ein paar Stunden nochmal die Freude kommen. Ich hatte ja schon geplant, früher abzureisen – und genügend Trikots hatte ich auch nicht mit – und dann hat es halt doch bis zum Halbfinale gereicht. Das sind alles so Geschichten, die der Sport schreibt.“ Mengel weiter: „Von hier nehme ich auf jeden Fall als Erkenntnis mit, dass man sich zwingen muss, an seine Grenzen zu gehen, oder auch darüber hinaus, um einen Weltklassemann schlagen zu können. Das wird für mich Ansporn sein, weiter hart zu trainieren“, betont der Drittplatzierte.
Doch noch ein Titel für China: Wang Hao/Lyu Xiang im Doppel vorn
Die große Tischtennis-Nation China hat bei den German Open 2014 in Magdeburg am Ende doch noch einen Titel einheimsen können. Im Herren-Einzel waren die Spieler aus dem Reich der Mitte mit Wang Hao an der Spitze leer ausgegangen. Im Herren-Doppel-Finale klappte es dann noch: Wang Hao und Lyu Xiang bezwangen die amtierenden Europameister Tan Ruiwu/Wang Zengyi (CRO/POL) in vier Sätzen.
Die ersten beiden Sätze waren hart umkämpft und endeten erst in der Verlängerung. Im dritten und vierten Satz spielte das chinesische Duo mit ihren Gegnern Katz und Maus. Im dritten Satz haben die Chinesen ihre Taktik umgestellt. Und Wang Haos Vorhand ist einfach zu stark“, analysierte Wang Zengyi das Endspiel.
„Es freut mich, zumindest das Doppel gewonnen zu haben, wenn ich schon im Einzel so früh ausgeschieden bin“, erklärte der achtfache Weltmeister Wang, der sich im Achtelfinale Steffen Mengel hatte beugen müssen. „Dass ich im Einzel ausgeschieden bin, war vor allem meine eigene Schuld. Ich war nicht konzentriert genug, habe fahrlässig gespielt.“ Für Wang war es nur ein weiterer Titel von vielen und bei weitem nicht der wichtigste. Mehr freuen konnte sich sein 17-jähriger Doppelpartner. „Ich war total nervös und aufgeregt, als ich hörte, dass ich mit Wang Hao Doppel spielen würde“, so Lyu Xiang. „Er hat mir mit seiner Erfahrung viel geholfen.“ Nach dem verlorenen zweiten Satz im Finale habe der „Juniorpartner“ viel Druck verspürt. „Wang Hao hat gesagt, ich solle einfach so tun, als wäre es Training. Er hat mich beruhigt und war eine wichtige Unterstützung. Unser Teamgeist war entscheidend dafür, dass wir hier gewonnen haben.“
German Open der Rekorde / Gute Zuschauerbilanz
Zwei Titel (Shan/Ovtcharov) und vier Einzel-Halbfinalisten bei den German Open 2014 in Magdeburg bedeuten aus deutscher Sicht Rekord. Einen Doppel-Erfolg hatte es zuletzt 1961 in Berlin bei den Internationalen Deutschen Meisterschaften, dem Vorgängerturnier der German Open gegeben. Seinerzeit triumphierten Agnes Simon und Eberhard Schöler. Die Internationalen Deutschen Meisterschaften fanden erstmals 1924 statt. Vier Deutsche im Einzel-Halbfinale, das hat es in der Geschichte der German Open der „Neuzeit“ – seit der Premiere in Bremen im Jahr 1999 – noch nicht gegeben.
Für DTTB-Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig
waren die German Open erneut eine „wichtige Rückmeldung.“ Bis zu den Weltmeisterschaften in Tokio blieben den Mannschaften noch vier Wochen, um sich noch etwas weiter zu entwickeln. „Und wir werden die Zeit gut nutzen.“ Generell sind die German Open Schimmelpfennig zufolge ein Erfolgskonzept. Dabei sei es genau besehen diesmal eigentlich „nicht optimal gelaufen“, der kurzfristigen, verletzungsbedingten Absage Timo Bolls wegen. Beim WM-Vorbereitungslehrgang in Düsseldorf vor den German Open habe sich der Rekord-Europameister spielerisch und körperlich überzeugend präsentiert. Daher sei das Trainerteam „zuversichtlich, dass Timo die WM in einer sehr guten Verfassung spielen kann“.
„Wir können nicht genug gute Spieler haben, um gegen Asien zu bestehen“, freute sich Heike Ahlert, DTTB-Vizepräsidentin Leistungssport, über den Auftritt von Steffen Mengel. Drei Erfolge über Chinesen in Folge – damit sei so wohl nicht zu rechnen gewesen. Aber: „Wir wussten, dass er ein guter Spieler ist.“ Gleichwohl müssten die Ergebnisse insgesamt aus nationaler Sicht „gemischt“ bewertet werden: „Die jüngeren Spieler müssen noch eine Schippe auflegen“, wünschte sich die Vizepräsidentin, einige hätten zwar nur knapp verloren, „aber sie müssen noch hart an sich arbeiten“.
Aus organisatorischer Sicht gab es positive Rückmeldungen. Magdeburg bleibt für Tischtennis ein attraktives Pflaster. Gastgeber und Ausrichter rückten vor allem die positive Zuschauer-Bilanz in den Vordergrund. „Wir freuen uns, dass wir hier nun schon zum siebten Mal ein herausragendes Turnier erleben durften und ich denke, dass wir unseren angemessenen Beitrag dazu geleistet haben“, sagte Magdeburgs Bürgermeister Dr. Rüdiger Koch, als Beigeordneter der Stadt Magdeburg auch verantwortlich für den Sportbereich.
Dem wollte Reiner Schulz, Präsident des Tischtennis-Verbands Sachsen-Anhalt, voll beipflichten. „Insgesamt lagen wir knapp unter der 10.000-Zuschauer-Marke und haben damit unsere Erwartungen deutlich übertreffen können“, freute sich der Chef des heimischen Landesverbands. Dass er in drei Jahren gerne wieder einer Neuauflage oder vergleichbaren Veranstaltung wegen an den DTTB herantreten würde, stehe für ihn außer Frage. „Die Tore der Stadt stehen hierfür weit offen“, konterte Bürgermeister Koch, durchaus im Einklang mit DTTB-Präsident Thomas Weikert.
Der eingangs schon „ein paar Bedenken im Vorfeld“ einräumte, des kurzen Abstands zu den German Open im Herbst in Berlin wegen. „Aber wir sind hier positiv widerlegt worden“, freute sich Weikert, „das zeigt das Potenzial der Region und dass die Leute enorm begeisterungsfähig sind“.
Alle Ergebnisse unter:http://www.tischtennis.de/ergebnisse/go2014/
Text und Fotos: DTTB